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Massive Kritik an teurer Kartenflut bei FIFA 20

FIFA Ultimate Team - der beliebteste und am heißesten diskutierte Modus der Fußballsimulation. Seit FIFA 09 existent, bekommt die auf Karten basierende Team-Aufbau-Simulation jährliche Schönheitskuren verpasst und erweitert stetig die Bandbreite an Spielern und deren Varianten.

Es gibt nur einen Rudi Völler

In FIFA fehlt die Legendenkarte für Rudi Völler (noch), aber selbst wenn sie vorhanden wäre, würde der berühmte Fan-Gesang nicht mehr stimmen. Die vor einigen Jahren noch XBox-exklusiven Legenden sind inzwischen auf allen großen Plattformen verfügbar und besitzen jeweils drei Stufen.

Zusätzlich erscheinen zu bestimmten Zeitpunkten des FIFA-Jahres mitunter auch sogenannte "Prime Icon Moments" - also eine Karte auf Basis der besten Version des Spielers, allerdings mit einem attraktiven Wertebonus obendrauf.

So kompliziert und viel das bereits bei den Icons klingen mag, damit ist noch lange nicht Schluss. Unter Berücksichtigung aller Standardkarten und verschiedenen Seltenheitsstufen gibt es theoretisch 44 verschiedene Kartenrücken.

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Dazu zählen normale Bronze-, Silber- und Goldspieler in selten und gewöhnlich, genauso wie Event-Versionen der Marke "Ultimate Scream" zu Halloween oder die kürzlich erschienenen "Headliners" von Spielern, die oft durch gute Leistungen im Fokus stehen oder standen.

Um ein prominentes Beispiel zu nennen, von Sadio Mané gibt es acht verschiedene Karten. Einige davon unterscheiden sich nur optisch, andere wie die TOTY-Karte weisen erhebliche Wertsteigerungen auf.

Fans einer Mannschaft oder eines konkreten Spielers haben es demnach schon schwer, Schritt zu halten. Und angehende eSportler oder gestandene Profis? Speziell die 97er Version von Sadio Mané könnte auch auf der großen Bühne eine gewisse Relevanz haben. Wie kommt der Nutzer an die Karte seiner Begierde?

Zeit, Geld und Fortuna

Natürlich hilft Düsseldorf nicht bei der Kartenjagd. Die Rede ist von Fortuna, der Glücksgöttin. Denn, egal ob man sich dazu entschließt viel Zeit zu investieren oder Geld in die Hand zu nehmen - am Ende entscheidet vor allem das Glück, welche Karte man wann oder überhaupt erhält.

FIFA Ultimate basiert auf einem Gacha-System. Hier sind es Packs, in anderen Spielen sind es Lootboxen. Der Begriff stammt vom japanischen Wort "gachapon", was soviel wie "Capsule-toy vending machine", also zu deutsch "Spielzeugautomat" bedeutet. In diese Kapselautomaten werden kleine Geldbeträge gesteckt, eine zufällige Figur kommt heraus. Bekannt ist dabei nur, was man von einer gewissen Auswahl erhalten könnte, nicht was für den Einsatz konkret herausspringt.

Besonders populär und erfolgreich sind derartige Systeme in Free-2-Play-Titeln und Mobile Games. Spiele wie FIFA, Star Wars Battlefront II oder NBA 2K haben die Mechanik auch auf Konsolen Salonfähig gemacht.

Gegenstand der Diskussion in der Öffentlichkeit ist der Glücksspiel-Aspekt. Die Chancen auf gute Karten sind in FIFA 20 verschwindend gering, die Preise für FIFA Points extrem hoch. Auch professionelle eSportler müssen zum Beginn eines neuen FIFA-Teils eine Menge Geld in die Hand nehmen, um von Anfang an mithalten zu können.

"Also ich kenne jetzt nicht jeden eSports-Titel auf diesem Planeten, aber das ist für mich einmalig, dass du zum Jahresstart erstmal mehrere tausend Euro investieren musst, um keinen spielerischen Nachteil zu haben, dass dir das Thema nicht im Weg ist. Normalerweise sollte es so sein, um wirklich als eSports-Ttitel anerkannt zu sein, dass einzig und allein deine spielerischen Fähigkeiten ausschlaggebend sind und nicht das was dir dein Geldbeutel an Werkzeug zur Verfügung stellt – oder sehr großes Glück. Das ist schon eine absolute Kernproblematik. ", sagt TimKalation, FIFA-Streamer, ehemaliger Unternehmensberater und Gründungsmitglied von bpartgaming.

Teure Packs stehen in der Kritik

TimKalation zeigt Gameplay, analysiert den Markt und gibt Trading Tipps. Er bevorzugt es eher, FIFA ohne zusätzlichen Geldaufwand zu spielen und bringt seine unternehmerischen Vorkenntnisse recht erfolgreich in seine Marktprognosen ein.

Hinzu kommt die Rolle der Profis und der YouTuber und Streamer, die ihren größtenteils sehr jungen Zuschauern die Kultur des Packopenings exzessiv vorleben. An einem Abend verpuffen schnell mehrere hundert Euro in Packs, das was herauskommt ist selten zufriedenstellend.

Und wie wird das dargestellt? Überaus positiv. Auch wenn die Stimmen seitens der Profis oft aussagen, man solle das nicht machen, nicht sein Geld in FIFA stecken und es käme ohnehin nichts dabei heraus - die Thumbnails etwaiger Videos sagen etwas anderes aus.

"Ooooh mein Gott TOTY, England, oh mein Gott TOTY...", freut sich Mohammed "MoAuba" Harkous über Trent Alexander-Arnold.

"Als ich links und rechts die goldenen Wände gesehen habe, bin ich richtig ausgerastet und habe mich wirklich gefreut.", sagt Benedikt "SaLz0r" Saltzer über seinen selbst gezogenen De Ligt TOTY.

Die Freude der beiden und auch aller anderen Glücklichen ist verständlich, Packopenings sind Teil der Social Media Präsenz der Profis. Allerdings hat es auch schon Tweets gegeben, die deutliche Kritik an dem Outcome der Packs geübt haben.

Damit ist der aktuelle Weltmeister nicht allein und dennoch werden weiterhin Packs gezogen, Highlight-Clips veröffentlicht und die Freude über digitale Güter, die nach einem Jahr absolut wertlos sind weiter ausgelebt. Die Profis müssen Packs ziehen, um mithalten zu können und nehmen den einfachen Content gerne mit. Kann man ihnen nicht vorwerfen. Problematisch wird es dann, wenn sie Vorbilder für viele junge Zuschauer sind, die sich davon inspirieren lassen und selbst ihr Taschengeld oder vielleicht sogar das Geld ihrer Eltern "in Müll verbrennen".

Vollpreis und dann?

Auch abseits des bei FIFA schlechten Preis-Leistungsverhältnisses sind Lootboxen In Deutschland besonders bei Spielen, die schon einen nicht unerheblichen Kaufpreis haben, verpönt. Warum ist das eigentlich so?

"Grundsätzlich ist das eine Mentalitätsgeschichte in Europa und auch besonders in Deutschland. Da herrscht das Selbstverständnis - wenn ich etwas gekauft habe, dann habe ich dafür bezahlt und dann ist das Thema erledigt. Wenn ich zum Bäcker gehe und mir ein Brot kaufe für zwei, drei Euro, dann ist das mein Brot. Dann kann ich das Zuhause auspacken und Butter draufmachen und da wird dann nicht auf einmal, wenn ich mir überlege da noch eine Scheibe Wurst drauf zu machen ein kleiner Geist aus dem Brot erscheinen und sagen 'HALT, wenn du hier Wurst drauflegen willst, kostet das nochmal 2€.'", skizziert TimKalation.

"Und bei FIFA ist das so. Du kaufst dieses Spiel für 60 bis 100 Euro und kannst dann alles spielen. Aber wenn du in dem absolut meist-genutzten Modus vorankommen willst, musst du besonders viel Engagement reinstecken oder eben nochmal 'on top' extrem viel Geld, um im obersten Level mitzuspielen. Das widerspricht uns natürlich."

Das komplette Interview mit TimKalation findet ihr am Freitag auf sport1.de/esports.

Als die Lootboxen bei Star Wars Battlefront II völlig Überhand nahmen und jedes Verhältnis zwischen Zeit und Geld ad absurdum führten, gingen die Fans auf die Barrikaden - EA entfernte die Mechanik vollständig.

Bei FIFA wird zwar konstant gemeckert, der Aufschrei ist aber eher ein leises Flüstern. Die Entwicklung zu immer mehr Karten und mehr Events kam schleichend und wird weitgehend so hingenommen. Dabei macht FIFA Ultimate Team einen Löwenanteil am Umsatz von EA aus. Satte 28 Prozent sollen es im Finanzjahr 2019 gewesen sein. Bei Knapp 5 Milliarden US-Dollar Gesamtumsatz ist FUT also für circa 1,4 Milliarden verantwortlich. Tendenz steigend.

EA hat erkannt, wie der Kaufwille der Spieler angekurbelt werden kann und erhöht nach und nach die Schlagzahl. Alte Events kehren zurück, neue kommen hinzu. Das TOTY wird nicht mehr nur an sich veröffentlicht, sondern mit den sogenannten "TOTY-Nominees" angeteased.

Möglichkeiten der Kartenflut

Den Überblick verliert der Spieler, der nicht tagtäglich mehrere Stunden in FIFA 20 verbringt, schnell. Zu groß ist die Menge und Variation der Karten, zu oft verschieben sich die Preise auf dem hauseigenen Auktionsmarkt.

Positiv anzumerken ist, dass es mehr Möglichkeiten gibt, eine starke Mannschaft aufzubauen. Vor einigen Jahren sah man im Online-Modus ständig die gleichen Teams, inzwischen sind die Aufstellungen vor allem eines: bunt.

Einige der Spezialkarten sind mittlerweile über SBCs, also Squad Building Challenges erhältlich. Der Spieler sendet dort eine Mannschaft mit bestimmten Vorgaben ab und erhält dafür Packs oder bestimmte Karten. Ein fairer Tausch bisweilen. Bei David Luiz "Flashback" allerdings nicht.

Über 475.000 Coins waren zu Beginn fällig, die SBC existiert nur noch wenige Tage. Aktuell listet die Seite futbin.com den Preis für die Karte bei über 615.000 Coins auf der PS4, PC und XBox sind etwas teurer.

Die Karte weist zwar starke Werte auf, allerdings gibt es vergleichbare Karten auch so zu erstehen. Hinzu kommt, dass sowohl die Flashback-Karte, als auch sämtliche Packs, die man aus den SBCs dazu erhält, untauschbar sind. Weiterverkauf, Fehlanzeige. Damit sind diese digitalen Güter nicht erst zu FIFA 21 praktisch wertlos, sondern bereits jetzt.

Allerdings auch die größere Bandbreite an Karten macht es nicht billiger für den Otto-Normal-Spieler, der nicht viel Zeit in Trading stecken kann. Abends von der Arbeit auf die Couch und entspannt eine Runde zocken? Kaum möglich, wenn jeder zweite Gegner mit TOTYs, Icons und anderen Regenbogenfarben ankommt.

Im eSports setzen sich zu den Turnieren meist trotzdem ähnliche Teams durch. Ist diese Kartenflut also überhaupt notwendig? Für das Konto des Publishers, wohl ja. Für Profis und die die es werden wollen - nein.

Der Einstieg in den FIFA-eSports ist von einer schweren Eisentür versperrt, deren Schloss sich mit Geld öffnen lässt. So talentiert ein junger FIFA-Spieler auch sein mag, fehlt es an Sponsoren oder dem eigenen finanziellen Hintergrund, ist es nahezu unmöglich in die Szene hineinzukommen.

"Da kannst du spielerisch auf Augenhöhe sein, aber wenn der eine mit Podolski aufs Tor schießt und der andere mit Eusebio Prime, dann ist das ein großer Unterschied.", resümiert TimKalation.

Ist das Talent so stark, sich auch mit Podolski in der Weekend League zu behaupten, stehen die Chancen auf Unterstützung nicht schlecht. Aber auch hier entscheidet, wie bei vielem anderen in FIFA Ultimate Team:

Das Glück.