Maulkorb "Lex Tusk": Soll Opposition in Polen ausgeschaltet werden?

Im polnischen Parlament wurde ein neues, umstrittenes Gesetz verabschiedet, das die Einsetzung einer Untersuchungskommission zur russischen Einflussnahme vorsieht.

Kritiker:innen bezeichnen es als verfassungswidrig und befürchten, die nationalkonservative Regierungspartei PIS wolle auf diese Weise wenige Monate vor der Parlamentswahl Oppositionspolitiker wegen angeblicher Russlandfreundlichkeit aus dem Weg räumen. Es sieht u.a. die Möglichkeit vorsieht, einen Amtsträger für bis zu 10 Jahre von seinem Posten zu suspendieren.

Der polnische Präsident Andrzej Duda, der den Text zunächst einfach durchgewunken hatte, kündigte angesichts der Kritik Änderungen an, sagte aber auch, er glaube nicht, dass die verfassungsrechtlichen Behauptungen einiger es notwendig machten, das Inkrafttreten des Gesetzes zu blockieren. Es erde so bald wie möglich in Kraft treten.

Das Gesetz wird nicht nur von Opposition, sondern auch juristischen Experten scharf kritisiert. Auch die EU und die USA reagierten kritisch.

Dieses Gesetz trifft den Wahlprozess - die Schaffung eines gewählten Staatsorgans, d.h. die eigentliche Grundlage des Staatssystems."

Dazu Juraprofessor Pawel Chmielnicki: "Ein staatliches Organ, zumal eines, das gegenüber den Bürgern exekutive Befugnisse hat, kann seinen Tätigkeitsbereich nicht selbst bestimmen, was im Sinne der Verfassung nicht akzeptabel ist.

Das Gesetz über die Prüfungskommission kann auch als Versuch gewertet werden, Artikel 111 der Verfassung über den parlamentarischen Untersuchungsausschuss zu umgehen. Man kann einfach argumentieren, dass dieses Gesetz verabschiedet wurde, um die für den parlamentarischen Untersuchungsausschuss geltenden strengen Regeln zu umgehen.

Dieses Gesetz trifft den Wahlprozess - die Schaffung eines gewählten Staatsorgans, d. h. die eigentliche Grundlage des Staatssystems."

Politische Beobachter sprechen von einer "Lex Tusk", einem Gesetz, das speziell auf den schärfsten politischen Gegner von PiS-Chef Jaroslaw Kaczynski zugeschnitten sei, Donald Tusk. Die PiS-Regierung wirft ihm vermeintliche Nähe zum Kreml vor. Er habe unvorteilhafte Gasverträge mit Russland abgeschlossen.

"Ich möchte in einem freien Land leben - das ist mein Kommentar zu diesem Gesetz"

Hunderttausende gingen am vergangenen Wochenende gegen das Gesetz und gegen die Politik der nationalkonservativen Regierungspartei PiS auf die Straße.

"Jemand in der Nowogrodzka Straße [dem Hauptquartier der PiS-Partei] hat das ausgeheckt, um Tusk vielleicht von der Kandidatur abzuhalten, was, wie die Situation heute zeigt, in eine völlig andere Richtung losgegangen ist", so ein Demonstrant. Und eine Frau: "Ich möchte in einem freien Land leben - das ist mein Kommentar zu diesem Gesetz."

"Sie sollen endlich alle Karten offenlegen, wer wer ist"

Es gibt aber auch Unterstützer, die eine Untersuchung der russischen Einflussnahme wünschen - wie dieser Mann, der ziemlich allein auf einer von Donald Tusk einberufenen Demonstration gegen das Gesetz protestierte. "Ich möchte, dass alles offen gelegt wird, so dass wir es sehen können. Sie sollen uns endlich alle Karten zeigen, wer wer ist."

Euronews-Reporterin Magdalena Chodownik berichtet aus Warschau, nach Angaben der Organisatoren hätte eine halbe Million Menschen an dem von Donald Tusk angekündigten Marsch teilgenommen.

In der Zwischenzeit werd weiter über Gesetz zur Überprüfungskommission und die vom Präsidenten angekündigten Änderungen debattiert.

Polen warte immer noch auf die nächsten Schritte der PiS-Partei.