Werbung

Michael Schumacher: Es gibt keinen Kampf um Informationen, nur die Pflicht zum Respekt

Michael Schumacher: Es gibt keinen Kampf um Informationen, nur die Pflicht zum Respekt

Vor zwei Jahren verunglückte Michael Schumacher – und wird seitdem abgeschirmt. Das ist das gute Recht der Familie, ein anderes gibt es nicht. Trotz der Unkenrufe aus dem Boulevard.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Was über den Gesundheitszustand von Michael Schumacher bekannt ist, passt auf einen Bierdeckel. Vor genau zwei Jahren genoss der ehemalige Formel-Eins-Rennfahrer seinen Urlaub auf Skiern. Schumacher ist weltweit ein Idol, wird in Deutschland und in Italien verehrt wie nur wenige andere. Als Sportler setzte er neue Maßstäbe, als Mensch wusste er stets zwischen dem Beruf im Rampenlicht und seinem Privatleben zu trennen; er stand symbolhaft für Prominente, die nicht hyperventilieren.

Vor zwei Jahren aber verunglückte der heute 46-Jährige beim Ski-Fahren, er stürzte auf den Kopf, sein Leben konnte knapp gerettet werden. Seitdem kämpft er mit den Folgen seines schweren Schädel-Hirn-Traumas. Wie, bleibt in den Wänden seines Hauses am Genfer See. Die Familie schirmt ihn ab. Man könnte diesen Text an dieser Stelle beenden, mehr ließe sich tatsächlich nicht hinzufügen – außer das Mitgefühl und die Hoffnung auszudrücken, dass es diesem Ausnahmeathleten besser gehen wird. Doch leider gibt es da noch etwas zu sagen.

Das Märchen von angeblichen Rechten

Denn einige Medien sprechen der Familie das Recht und die Kompetenz ab, zu entscheiden: Was ist das Beste für Michael Schumacher? Die „Bunte“ preschte vor, mit der Falschmeldung, er könne wieder gehen – wohl um eine Reaktion zu erpressen. Nun titelt „Focus Online“: „Es wäre gut für alle, die Öffentlichkeit über seinen Gesundheitszustand zu informieren“. Die Begründung: Beim Kampf um Informationen gebe es keine Gewinner. Und weiter: „‘Das Schlimmste ist die Ungewissheit‘ – man kennt diesen Satz von Müttern und Vätern, deren Kind spurlos verschwunden ist. Deren Gedanken sich an nichts festhalten können, weil sie nicht wissen, was mit ihrem Liebsten geschehen ist. So ähnlich ergeht es auch vielen Schumi-Fans.“

Das zieht einem schon die Schuhe aus. Der Autor greift tief in die Emotionenkiste und vergleicht ihre verschwundenen Kinder vermissende Eltern mit „Schumi-Fans“. Womöglich kennt er dieses Gefühl nicht, das wünscht man ja auch keinem. Aber dann sollte er es auch in der Kiste lassen. Letztendlich wird hier eine Art Erpressungsspiel zelebriert: Solange die Öffentlichkeit nichts Genaues über den Zustand Schumachers wisse, würde sie danach gieren – das ist die These. Sie ist zum Glück falsch.

Die „Öffentlichkeit“ reagierte auf seinen Unfall mit Bedacht

Vor zwei Jahren war die Gier so groß wie das journalistische Versagen. Es gab einen als Priester verkleideten Fotografen im Krankenhaus, jede Menge Drohnen. Doch dann kehrte der Respekt ein. Ja, viele im Land denken an Schumacher, sie wünschen ihm alles Gute, hoffen, beten. Aber sie wissen, dass ihr Mitgefühl angezeigt ist und kein so genanntes „Recht“, genau Bescheid zu wissen. Wie hat man sich auch zwei Jahre häusliche Pflege nach solch einem schweren Unfall vorzustellen? Die große Mehrheit der Journalisten respektiert den Wunsch der Familie nach Privatsphäre. Deren Anwalt sagte nun: „Ein Recht auf Information über seinen Zustand hat die Öffentlichkeit nicht.“ Das stimmt. Schumacher dagegen, und seine Familie, die haben ein Recht. Und so bleibt zu hoffen, dass die ersten medialen Querschüsse zum zweiten Jahrestag seines Unfalls ungehört verhallen.