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Der Mythos Ferrari verkommt zur Lachnummer

Ferrari präsentiert sich in Spielberg nicht nur wegen dem Crash von der Rolle. Vom Mythos ist nichts mehr zu sehen. Die Konkurrenz hat Mitleid, Binotto agiert hilflos.

Es war eine kuriose Szene: Mit ferngesteuerten Sockeln wurden die Trophäen zu Champion Lewis Hamilton, Valtteri Bottas und Max Verstappen gefahren.

Na klar, wegen der Corona-Hygnievorschriften musste eben auch bei der Siegerehrung zum Großen Preis der Steiermark improvisiert werden. Eine Prozedur, die fast schon im Zeitlupentempo vonstatten ging, einen leichten Bogen anstatt gerader Spur inklusive.

Wenig verwunderlich also, dass bei Twitter kurz darauf ein entsprechendes Gif die Runde machte - mit dem Hinweis, dass es nett von Ferrari sei, den SF1000 für die Übergabe der Trophäe zu überfüllen.

Andere witzelten, die Robot-Sockel legten mehr Distanz zurück als Sebastian Vettel und Charles Leclerc, die im Rennen bereits nach wenigen Kurven kollidiert waren.

Weitere Animationen im Netz mit Wettrennen von Mülltonnen, Bilder eines Traktors in Ferrari-Farben oder Teamchef Mattia Binotto als Clown wurden ebenso hundertfach geteilt - oft sogar von Ferrari-Fans selbst.

Auch all das unterstrich - der Mythos Ferrari ist zur Lachnummer der Formel 1 geworden.

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Selbst Mercedes hat Mitleid mit Ferrari

Dass inzwischen selbst die Konkurrenz wie Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff Mitleid hat, zeigt, wie schlimm es um Ferrari wirklich steht: "Wir wünschen uns ein starkes Ferrari. Das ist eine unglaubliche Marke mit hart arbeitenden Menschen."

Doch ein starkes Ferrari dürfte es so schnell kaum geben. Auch ohne Kollision hätte Ferrari Mühe gehabt, um (viele) Punkte zu kämpfen. Neben Mercedes und Red Bull sehen aktuell auch McLaren und Racing Point schneller aus, wenngleich letztgenanntes Team Ärger droht wegen des Verdachts, eine Mercedes-Kopie des Vorjahrs einzusetzen.

Platz 5 in der Konstrukteurswertung spiegelt daher das tatsächliche Leistungsvermögen der Scuderia. Was heißt: Steigert sich Ferrari nicht noch, wäre das die schlechteste Platzierung seit 1981. Zur Erinnerung: Ein Jahr zuvor hatte das Team sogar nur Rang zehn belegt.

Damals traten die Italiener in einer Zeit auf der Stelle, in der eine technische Raffinesse nach der anderen die Formel 1 revolutionierte. 40 Jahre später wiederholt sich die Geschichte anscheinend nun.

Binotto sucht Vettel und Leclerc

Aber nicht nur während des Rennens gibt Ferrari ein dilettantisches Bild ab. Nach dem Unfall zeigten Kameras, wie Binotto durch das Fahrerlager irrte, um Vettel und Leclerc in den Containern zu finden und dann achselzuckend die Suche aufzugeben.

Ähnlich bemerkenswert, dass der Ferrari-Boss bei seinen wenigen schmallippigen Aussagen Leclerc zumindest öffentlich nicht als Schuldigen für das jüngste Fiasko nennen wollte: "Es ist jetzt nicht die Zeit für Schuldzuweisungen", sagte der 50-Jährige bei RTL.

Das mag ehrenhaft sein - doch beim Saison-Auftakt in der Vorwoche hatte Binotto seltsamerweise keine Probleme damit gehabt, Vettel nach dessen Fehler öffentlich zu kritisieren.

Scuderia sagte Presserunde ab

Was ins peinliche Bild passte: Weil Vettel nach den TV-Interviews kurz darauf bereits nach Hause in die Schweiz geflohen war, wurde die obligatorische gemeinsame Presserunde von Ferrari gleich ganz abgesagt. So sprachen nach dem Rennen nur noch Fahrer und Teamchefs der Konkurrenz über die Scuderia.

"Wir brauchen Ferrari vorne in dem Kampf, mit allen anderen großartigen Teams. So etwas wie heute oder das letzte Wochenende ist nicht gut für uns - und ist auch nicht gut für die Formel 1", bereitete Wolff die Schwäche von Ferrari sogar Sorgen.

Die italienische Presse wiederum wurde deutlicher. "Leclerc versenkt Vettel, und Maranello stürzt in eine dunkle Krise", titelte Tuttosport. Für die Corriere della Sera zahlte Ferrari "einen hohen Preis" für Leclercs "aggressives Verhalten".

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Ferrari im Nassen kaum fahrbar

Erschreckend dagegen, wie sicher und stabil die Boliden von Mercedes, Red Bull und auch McLaren bei nassen Bedingungen auf der Strecke lagen, während der Ferrari SF1000 beinahe unfahrbar war - und Vettel sowie Leclerc darum kämpften, nicht von der Strecke zu fliegen.

Ganz Italien schmerzt es, wie Ferrari, der einstige Stolz der Nation, in diesen Tagen immer mehr zur Rennstall-Farce verkommt, nur noch als Vorlage für Witze über schlechte Autos dient.

Ferrari hat Glück, dass mit Leclerc wenigstens ein hochtalentierter Fahrer lange an das Team gebunden ist. Kaum vorstellbar dagegen, dass die Roten für Fahrer-Hochkaräter noch attraktiv sind. Zum Glück ist mit Carlos Sainz (McLaren) bereits ein Nachfolger für den scheidenden Vettel gefunden.

Vettel und Leclerc vorbildlich

Was am Sonntag zumindest für Ferrari sprach: Die Fahrer lösten trotz Leclercs Vettel-Abschuss keinen neuen Stall-Zoff aus. Während Vettel auf große Vorwürfe verzichtete, bezeichnete sich Leclerc selbstkritisch als "Arschloch" und nahm jegliche Schuld auf sich.

Binotto versuchte es derweil zum wiederholten Male mit Durchhalteparolen: "Jetzt geht es darum, zusammenzuhalten und zu reagieren. Wir müssen nach vorne blicken und ich bin mir sicher, dass wir in Maranello die richtigen Leute haben, um das Auto bald zu verbessern."

Ob viele Tifosi Binottos Worten noch Glauben schenken werden, kann bezweifelt werden. Was allenfalls Hoffnung macht: Nach der Krise zu Beginn der 80er-Jahre holte Ferrari sowohl 1982 und 1983 die Konstrukteursmeisterschaft.

Dem Mythos Ferrari ist zu wünschen, dass dem Team auch diesmal die Wende gelingt.

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