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Der deutsche Blade Runner wird in London zum Star

Johannes Floors war bester deutscher Athlet bei der Para-Leichtathletik-WM

Sieger-Schampus? Nein. Johannes Floors wollte nach seinem zweiten Gold-Sprint im regnerischen London einfach nur einen heißen Tee, "am liebsten mit Zitrone."

Den 22-Jährigen fröstelte es, aber nur aus Witterungsgründen: Sportlich gesehen war er der erfolgreichste deutsche Starter der Para-Leichtathletik-WM 2017.

Doppel-Weltmeister über 200 m beziehungsweise 400 m - dazu Silber über 100 m. "Das ist schon sehr geil. Wir hatten viel trainiert, viel umgestellt, aber keine Erwartungen. Deshalb ist dieser Erfolg unglaublich", sagte der unterschenkelamputierte Floors.

Nach seinem Sturm in die Weltspitze dachte er auch schon an die Paralympics 2020: "Olympiasieger will jeder werden, ich natürlich auch."

DBS-Boss schwärmt von Floors

Der 22-Jährige ist das frische Gesicht des Deutschen Behindertensportverbandes (DBS) und besitzt absolutes Starpotenzial.

"Es ist unwahrscheinlich schön zu erleben, wie junge Leute wie Johannes, aber auch Leon Schäfer, Niko Kappel und Lindy Ave nachkommen", sagt Friedhelm Julius Beucher. Der DBS-Präsident sieht in seinem Team "Leuchttürme und wunderbare Charaktere, die den Para-Sport weiter voranbringen." Auch mit Blick auf die Heim-EM im nächsten Sommer in Berlin.

Mit 19 Medaillen (7 Gold, 6 Silber, 6 Bronze) vor dem Abschlusstag am Sonntag war Beucher hoch zufrieden. Zumal in London sieben Paralympicssieger beziehungsweise -siegerinnen von Rio 2016 fehlten: Unter ihnen der verletzte Heinrich Popow, Marianne Buggenhagen (Karriereende) oder Vanessa Low, die künftig für die australische Heimat ihres Freundes an den Start gehen wird.

Unterschenkel freiwillig amputiert

Maschinenbau-Student Floors ist einer der großen Hoffnungsträger in der DBS-Mannschaft. Erst 2011 hatte er sich entschieden, seine Unterschenkel amputieren zu lassen, nachdem er mit einem Fibula-Gendefekt auf die Welt gekommen war.

Das Wadenbein hatte sich nicht gebildet, der Fuß wuchs verkümmert, hatte nur drei Zehen. Floors' Oberkörper war im Vergleich zu den Beinen überdimensional groß.

"Ich hatte die Wahl: Entweder du sitzt irgendwann im Rollstuhl oder du lässt dir die Unterschenkel amputieren, hast dann Prothesen und machst das Beste daraus", erzählte der gebürtige Bissendorfer.

Pistorius als sportliches Idol

2014 bekam er seine ersten Sportprothesen. "Damit bin ich am Anfang eher rumgehüpft wie ein Känguru", erzählte der frühere Spitzenschwimmer. Mit den Gehhilfen wuchs auch das Selbstwertgefühl - statt 1,60 ist der Doppel-Weltmeister jetzt 1,80 Meter groß.

Der Telegraph bezeichnete Floors bereits als "Kronprinzen" des inzwischen tief gefallenen Para-Stars Pistorius. Der "Blade Runner" aus Südafrika sitzt wegen Mordes an seiner Lebensgefährtin Reeva Steenkamp im Gefängnis.

Rein sportlich ist der sechsmalige Paralympicssieger Pistorius für Floors trotzdem eine Inspiration. "Er ist mein Held. Wenn man sich den paralympischen Sport betrachtet: Das ist Oscar. Er war unglaublich", sagt er.