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Ein Karriere-Wendepunkt in mehr als einer Hinsicht

Ein Karriere-Wendepunkt in mehr als einer Hinsicht
Ein Karriere-Wendepunkt in mehr als einer Hinsicht

Alexander Zverev hat schon die ATP-Finals und vier Masters-Turniere gewonnen. Er stand schon einmal im Finale der US Open.

Doch noch nie hat man den gebürtigen Hamburger so emotional nach einem Sieg gesehen wie nach jenem Halbfinale im olympischen Tennisturnier von Tokio.

Zverev: “Einer der stolzesten Momente”

“Das ist einer der stolzesten Momente meiner Karriere - wenn nicht sogar der stolzeste”, sagte Zverev, vom großen Augenblick übermannt, nachdem er den derzeit als unbezwingbar geltenden Novak Djokovic in drei Sätzen in die Schranken verwiesen hatte.

Es war Zverev wichtig zu betonen, dass nicht nur die sportliche Tragweite des Triumphs gegen Djokovic - am Samstag auch im Kampf um Bronze unterlegen - ihn so bewegte.

“Ich habe jetzt eine Medaille für Deutschland gesichert, das ist ein wahnsinniges Gefühl”, sagte er im ZDF: “Ich weiß, dass ich nicht nur für mich selber oder meine Familie spiele, sondern für alle, die hier im Dorf sind.”


Zverev meinte das olympische Dorf, aber auch im übertragenden Sinn bewegte Zverev das deutsche Dorf wie wohl nie zuvor.

In den sozialen Medien gab es zahllose begeisterte Reaktionen, nicht nur von prominenten Fans wie den Fußball-Stars Mats Hummels (“Ganz starker Zweiter, weiter!”) und Thomas Müller (”Das gemeinsame harte Training hat sich ausgezahlt!”).

Zahlreiche Fans dankten Zverev dafür, dass Steffi Graf dank ihm weiter einzige Golden-Slam-Siegerin ist - und zeigten sich generell von seiner Vorstellung in Tokio begeistert.

Zverev galt in Deutschland lange Zeit als abgehoben

Für Zverev ist diese Art von Liebessturm nicht alltäglich, der Sohn des früheren sowjetischen Davis-Cup-Spielers Alexander Swerew kämpft seit Jahr und Tage dagegen an, in der Heimat vergleichsweise ungeliebt zu sein.

Den 24-Jährigen verfolgt das Image, unnahbar und kein Sympathieträger zu sein, das gespaltene Verhältnis beruhte mindestens zeitweise auf Gegenseitigkeit: Zverevs früheres Berater-Umfeld um den Chilenen Patricio Apey legte wenig Wert auf Imagepflege in der Heimat, hatte frühzeitig die Weltgeltung des aufstrebenden Stars im Blick.

Mittlerweile versucht Zverev seit Jahren, das Versäumnis zu korrigieren - nicht immer erfolgreich: Seine Fehltritte im Umgang mit der Corona-Pandemie belasteten ihn ebenso wie die von Zverev dementierten Vorwürfe häuslicher Gewalt durch seine frühere Freundin. Und nach jedem verpassten Grand-Slam-Triumph gab es natürlich auch beständige Fan-Beschwerden in Richtung: Wann holt er denn jetzt endlich den richtig großen Titel, statt wieder an seinem Temperament zu scheitern?

Den Ruf, trotz aller Qualitäten und Erfolge auf dem Platz jemand zu sein, den man auf vielen Ebenen nicht recht zu fassen bekommt, wurde Zverev nicht los. Ändert sich das nun?

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Olympia: WG statt Luxus-Appartement

Zverev präsentiert sich in Tokio in jedem Fall nicht nur sportlich von seiner besten Seite: Statt in einem Luxus-Appartement, wie es bei den Profi-Turnieren üblich ist, wohnt Zverev zusammen mit fünf anderen deutschen Tennisspielern in einer WG auf 50 Quadratmetern zusammen.

Zwei Einzel- und zwei Doppelzimmer, kein Gemeinschaftsraum, Rohbau mit Fußboden und an der Wand des Bades nicht einmal Haken, “um die Kulturbeutel aufzuhängen”, so beschrieb WG-Genosse Tim Pütz in der FAZ die Zustände in der Wohnung: “Wir haben uns schon ein paar Poster besorgt, um das konsequente Weiß der Rigipswände aufzulockern.”

Zverev aber scheint der spartanische Lebensstil überhaupt nicht zu stören. Im Gegenteil: Er scheint ihn sogar zu inspirieren. Zumindest ist das der Eindruck, den die kleinen im Netz geposteten Videofilmchen der Sechser-WG so vermitteln.

Zverev: “Diese Momente vergisst du nie”

Schon nach der Eröffnungsfeier wirkte Zverev vom Olympia-Fieber gepackt. “Diese Momente vergisst du als Athlet nie. Bei Olympia dein Land zu repräsentieren, ist der Traum eines jeden Kindes, das Sportler werden will”, schrieb er auf Instagram.

Zverev ist “bereit, alles zu geben, um am Sonntag die Goldmedaille für Deutschland zu holen”, wie er über seine Social-Media-Kanäle verbreitet.

Im Finale gegen den Russen Karen Khachanov kann er am Sonntag den Traum vollenden, zahlreiche Fans werden ab 8 Uhr deutscher Zeit beim Sonntagsfrühstück mitfiebern, aller Voraussicht nach weit mehr als bei seinen Grand-Slam-Auftritten.

“Dieser Zverev da. Gibt’s den auch in konstant?”

Für Zverev wäre Olympiagold aufgrund dieser Umstände ein Schlüsselmoment seiner Karriere, mehr noch als der Finals-Triumph - mit riesigem Potenzial, neue Kräfte freizusetzen im Kampf darum, auch auf der Tennis-Tour die Dominanz von Djokovic zu brechen und zu einem Grand-Slam-Sieger und Nummer-1-Kandidaten aufzusteigen.

Der Blick auf Zverev wird nach Olympia in jedem Fall ein anderer sein. Wenn er siegt, noch mehr.

“Dieser Zverev da. Gibt’s den auch in konstant?”, fragte am Freitag ein verblüffter Twitter-Nutzer. Es ist die große Frage, die er endlich bejahen will.

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