Neuer sendet verheerendes Signal

Werden wahrscheinlich auch keine dicken Kumpels mehr: Manuel Neuer und Mesut Özil FOTO/AFP
Werden wahrscheinlich auch keine dicken Kumpels mehr: Manuel Neuer und Mesut Özil FOTO/AFP

Jetzt hat sich also auch Manuel Neuer zur Causa Özil geäußert. Aber war das so klug vom Kapitän der deutschen Nationalmannschaft? Eine Einordnung von Moritz Piehler.

Einer, von dem man stringente Meinungsäußerungen eigentlich nicht so gewohnt ist, ist Deutschlands Nummer Eins: Manuel Neuer. Wohltuend ruhig und bemessen in seinen Kommentaren gerade im Vergleich zu seinem doch eher als lautstark bekanntem Vorgänger, dem Titan Olli Kahn, kommt Deutschlands bester Keeper nun plötzlich mit einem Interview zum beherrschenden Thema der vergangenen Wochen um die Ecke.

Zwar zeigt Neuer Verständnis für die Entscheidung Özils, aus der Nationalmannschaft zurückzutreten, dessen ausführliche Begründung will der Bayern-Keeper aber nicht nachvollziehen. “Es ist die Entscheidung jedes einzelnen Spielers. Die Gründe muss man für sich selbst suchen, und die hat er dann auch gefunden”, sagt Neuer beim Interviewtermin im Trainingslager in Rottach-Egern. Er spricht damit Özils schwerwiegenden Rassismus-Vorwürfen indirekt die Validität ab. Das ist in der momentan aufgeheizten politischen Stimmung im Land ein durchaus verheerendes Signal. Denn aus Neuers Perspektive – als weißem, blonden, priviligiertem Deutschen, dem vermutlich keine schlimmere Diskriminierung passiert ist, als gegen die anfängliche Ablehnung der Bayernfans gegen einen Schalker – einem Menschen wie Mesut Özil, der seine subjektive Erfahrungen in diesem Land und im Profifußball beschreibt, das Recht auf einen eigene Sicht abzuerkennen, ist Wasser auf die Mühlen der Rechtspopulisten. Und die haben im Fall Özil ohnehin ein gut auszuschlachtendes mediales Instrument entdeckt.

Özil der falsche Typ für die Nationalmannschaft?

Neuer nämlich befindet in seinem Interview, Rassismus könne Özil in der Nationalmannschaft sicher “überhaupt nicht” erfahren haben. Man habe immer versucht, alle Spieler zu integrieren und alles für die Mitspieler getan, damit jeder auch mit einem guten Gefühl in die Spiele geht.” Das mag stimmen, oder auch nicht. Die Vorwürfe aus Özils Tweet richteten sich ja auch in erster Linie gegen den DFB als Institution, nicht so sehr gegen die Teamkollegen. Aber Neuers Reaktion, sich angegriffen zu fühlen und in die Defensive zu gehen, anstatt sich die Erfahrungen seines Mannschaftskameraden anzuhören, sie ernst und sich zu Herzen zu nehmen, spricht Bände.

Das tun auch seine weiteren Sätze in dem Zusammenhang. Denn natürlich haut auch die Bemerkung, die der Welttorhüter in Bezug auf die Zukunft der Nationalmannschaft und ihres Gesichts macht, in die Kerbe aller Özil-Kritiker, die schon immer gewusst haben wollen, dass der Arsenal-Spielmacher nicht mit vollem Herzen das Nationalmannschaftstrikot trug. Denn Neuer sagt, um wieder Erfolg zu haben, gehe es nun auch darum, “wieder die Spieler da zu haben, die auch wirklich stolz sind, für die deutsche Nationalmannschaft zu spielen, und alles dafür geben, für das eigene Land zu spielen.” Ergo: Özil sei eben nicht dieser Typ gewesen.

“Sehr anstrengend” – ist auch Neuer

Das Kurzzeitgedächtnis Neuers scheint kein besonders gutes zu sein, obwohl er als Torwart ja nicht besonders häufig ans Kopfballpendel muss. Denn Hymnensänger oder nicht, Özil hat einen wichtigen Anteil daran gehabt, dass die Mannschaft in den vergangenen neun Jahren so erfolgreich war. Und dass auch ein herausragender Spieler wie Neuer sich am Ende mit dem Weltmeistertitel krönen durfte.

Die beiden verbindet eine lange erfolgreiche Laufbahn, die ihren ersten Höhepunkt 2009 mit dem gemeinsamen Gewinn der U21 Europameisterschaft hatte, wo Özil im Finale übrigens zwei Tore vorbereitete und eins selbst schoss, das mag Neuer entfallen sein in all den Jahren. Jedenfalls empfand und empfindet Neuer die Debatte um Özil als “sehr anstrengend”. Warum er dann ausgerechnet jetzt noch einmal nachlegen muss, ist allerdings genau so schwer verständlich. Und ungeschickt obendrein. Nicht vergessen: Manuel Neuer ist der Kapitän der deutschen Nationalmannschaft.