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Kommentar: Neymar muss endlich damit aufhören

“Schande für den Fußball”: Brasilianer Neymar / Foto: AP
“Schande für den Fußball”: Brasilianer Neymar / Foto: AP

Neymar ist ein toller Fußballer. Er ist aber auch schauspielerndes Fallobst. Schade eigentlich, dass er das nötig hat. Von Moritz Piehler

Ein Katze, die sich theatralisch die Stufen heruntergleiten lässt. Neymar in einem gepolsterten Babywalker. Mit Freistoßspray gezogene Kreideumrisse um den gefallenen Spieler. Neymar, der schon bei der Umarmung fürs Mannschaftsfoto theatralisch fallen lässt. An Internetspott mangelte es für Brasiliens Superstar wahrlich nicht nach seinem Auftritt im Achtelfinale gegen Mexiko. Es ist schon so, dass ein Spielertyp wie Messi oder Neymar öfter auf die Socken bekommt, als, sagen wir mal ein Sandro Wagner. Wer schnell und technisch überbegabt ist, der ist oft nur durch Fouls zu stoppen.

Jeder Kreisliga-Spieler kennt die Ansage, dem gegnerischen Zehner auf den Füßen zu stehen und ihn „mit allen Mitteln“ zu stoppen. Wenn man sich aber Messi anschaut, ist er das perfekte Beispiel für einen Spieler, der in fast jeder Situation versucht, irgendwie auf den Beinen zu bleiben und den Ball im Spiel zu behalten, anstatt jede Berührung dankbar als Freistoßgelegenheit anzunehmen. Das sieht bei Herrn Neymar da Silva Santos Júnior in der Tat ein wenig anders aus.

Neymar fällt leicht und schnell. Nicht verwerflich, wenn es zuvor tatsächlich ein Foul gab. Aber die Verkaufe danach ist eines Superstars nicht würdig. Neymar ist einer der besten Spieler der Welt, seine 28 Tore und 16 Assists in 30 Spielen für Paris Saint Germain in der abgelaufenen Saison beweisen das eindrucksvoll. Er ist aber leider auch ein wirklich theatralischer Schauspieler auf dem Feld. Schon in den Gruppenspielen fiel das immer wieder auf. Zwar wurde der Spielmacher allein in den beiden Spielen gegen Costa Rica und die Schweiz zwölf mal gefoult – aber er versuchte eben auch recht plump einen Elfmeter gegen Costa Rica zu schinden. Der Videobeweis entlarvte die unsportliche Aktion.

Im Achtelfinale dieser WM ließ sich dann wieder die ganze Breite von Neymars Können beobachten. Er schoss selbst ein Tor und bereitete den zweiten Treffer von Firmino vor. Aber er lag eben auch fast mehr auf dem Boden, als seine Skills am Ball zu zeigen. Der unschöne Höhepunkt: Nach einem Tritt auf den Fuß ließ sich Neymar minutenlang behandeln, wälzte sich auf dem Boden, als wäre das Bein kurz vor der Amputation und hätte durchaus für seine Vielfältigkeit an verzerrten Gesichtsausdrücken für einen Oscar nominiert werden können. Nicht einmal der Schiedsrichter fand das noch überzeugend und ließ die – gar nicht mal unberechtigte – rote Karte für Miguel Layun in der Hosentasche stecken.

Mexikos Trainer Carlos Osorio fand nach dem Aus seiner tapfer fightenden Spieler deutliche Worte: “Wir haben viel Zeit verschwendet wegen eines Spielers. Es ist eine Schande für den Fußball.” Das hatte auch Auswirkungen auf das Spiel, meint der Coach: “Dadurch haben wir unseren Rhythmus verloren. Das ist ein schlechtes Beispiel für die ganze Welt und all die Kinder vor dem Fernseher. Es sollte nicht so viel Schauspielerei geben.” Einmal sei das Spiel fast vier Minuten wegen einer „Behandlung“ unterbrochen gewesen. Und es ist nicht von der Hand zu weisen, dass sich Brasilien wie die Deutsche Mannschaft gegen gut stehende Mexikaner schwer tat, bis Neymar mit seinen Einlagen begann und das Spielgeschehen dadurch prägte. Manch einer mag das clever finden, mit Sportlichkeit oder Fairness hat das nichts mehr zu tun.

Neymar ist der momentan teuerste Spieler der Welt. Es hat ihn nicht sympathischer gemacht, dass er zu PSG gewechselt ist, einem Verein, der sich mit brutalsten Investitionen an die Spitze des europäischen Fußballs zu kaufen versucht. Es war ebenfalls charakterlich nicht besonders stark, wie sich der junge Brasilianer am Anfang bei seinem neuen Arbeitgeber präsentiert hat und in Ego-Zänkeleien mit den anderen Stars des Teams verstrickte. Die Haare, die Tattoos, nun gut, das gehört zum aktuellen Look der Stars dazu. Dass einen ein arrogantes Auftreten nicht beliebter macht und auch nicht unbedingt erfolgreicher, hätte sich Neymar beim Kollegen Ronaldo abgucken können. Erst als er begriff, dass er auch Teil einer Mannschaft ist, gelang Portugal mit dem EM-Sieg der größte Erfolg ihrer Geschichte. Apropos Kollegen: hat jemand gesehen, wie Neymars uruguayischer PSG-Sturmpartner Edison Cavani sich in seinem Achtelfinale gegen Portugal aufrieb, grätschte, lief und kämpfte, bis die Muskeln zumachten? Und nebenbei noch beide Tore erzielte. Nur mal so zur Anregung.

Bei der WM 2014 in seinem Heimatland litt die ganze Welt mit Neymar, als er nach einem harten Foul verletzt aufgeben musste. Das Ende und das Drama gegen Deutschland ist hinlänglich bekannt. Sollte er in Russland mit seinen Schauspieleinlagen und dem künstlichen Drama tatsächlich auf den Olymp des Weltfußballs steigen, wird es kaum jemanden außerhalb Brasiliens geben, der ihm das gönnt. Und selbst da erntet Neymar mit seiner labilen Standfestigkeit schon Hohn und Spott: in der Sir Walter Bar in Rio gibt es jedes Mal eine Runde Schnaps aufs Haus, wenn er sich fallen lässt. Wer ständig den sterbenden Kanarienvogel spielt, hat das allein sich selbst zuzuschreiben.