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Die NFL-Saison steht am Abgrund

Die NFL-Saison steht am Abgrund

Das Horrorszenario ist da.

Spätestens mit dem positiven Test von Star-Cornerback Stephon Gilmore hat die NFL das lange gefürchtete Problem: Die Saison steht am Abgrund.

Ein Team steckt nach wie vor in einem massiven Ausbruch, die Verstöße gegen die Corona-Regeln häufen sich ebenso wie die positiven Tests und der Fall Gilmores und der New England Patriots offenbart grundsätzliche und gefährliche Schwachstellen der Liga-Maßnahmen, um die Saison 2020 durchzuziehen.

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Dabei war Commissioner Roger Goodell im Vorfeld der Spielzeit noch so optimistisch, die reinen Zahlen gaben ihm damals ja sogar recht. Während der Vorbereitung zwischen dem 12. August und dem 19. September - nach dem zweiten Spieltag - gab es lediglich sieben infizierte NFL-Spieler bei ca. 8.000 Team-Angestellten der 32 Teams.

"Die Vorbereitung und die ersten drei Wochen der Saison haben gezeigt, dass das strikte Beachten der Protokolle es möglich machen, in einem sicheren Umfeld Football zu spielen", sagte Goodell.

Titans mit zahlreichen Corona-Fällen

Der Weg der Vernunft mit Spielern und Mitarbeitern schien selbst auf Reisen zu Auswärtsspielen zu funktionieren, aber die Tennessee Titans zeigten, wie instabil das Kartenhaus NFL ist.

Seit dem 24. September wurden insgesamt 24 Spieler und Mitarbeiter der Titans positiv auf Covid-19 getestet. Am 29. September wurde das Trainingszentrum geschlossen, das Spiel gegen die Pittsburgh Steelers abgesagt, aber selbst acht Tage später gibt es nach wie vor neue positive Fälle.

Wann das Team wieder trainieren kann, steht in den Sternen, von Spielen ganz zu schweigen. Das anstehende Match gegen die Buffalo Bills steht auf der Kippe. Damit ist der gesamte Spielplan der Liga ohnehin schon akut gefährdet.

Inzwischen untersuchen die Liga und die Spielergewerkschaft mögliche Verstöße gegen die Corona-Regeln.

Der Titans-Ausbruch offenbart aber auch ein viel grundsätzlicheres Problem. Zu Beginn der Saison wurde jeden Tag getestet - außer am Spieltag, weil bis zu den ersten Kickoffs um 13 Uhr Ostküstenzeit ohnehin keine verlässlichen Ergebnisse vorgelegen hätten. Inzwischen werden schnellere, aber weniger genaue Tests am Spieltag durchgeführt.

Beides birgt Risiken. Dazu kommt das völlig unterschätzte Problem mit der Inkubationszeit. Womit wir auch schon bei den Patriots wären.

Patriots vs. Chiefs im Nachhinein ein Fehler

Während die Falcons und Raiders einzelne Fälle hatten, könnte bei den Patriots nun schlimmstenfalls ein zweiter Ausbruch drohen. Quarterback Cam Newton wurde am Freitag vor dem Spiel in Kansas City positiv getestet.

Am Samstag, Sonntag und Montag wurde kein anderer Spieler der Pats positiv getestet, genauso war es übrigens bei den Chiefs im Zuge des positiven Tests von Ersatz-Spielmacher Jordan Ta'amu, der ironischerweise als Vorbereitung für die Defense Newton im Training imitierte.

Deshalb führte die NFL das Spiel der Patriots gegen die Chiefs am Montag durch, vier Tage danach ist plötzlich Gilmore positiv, der engen Kontakt zu Newton hatte und mit einem Extra-Flugzeug nach Kansas City geflogen war, dann aber trotzdem spielen durfte.

Wer weiß, wen Newton während der Inkubationszeit noch angesteckt hat – oder jetzt Gilmore. So oder so, war das Spiel aus jetziger Sicht verantwortungslos und im schlimmsten Fall gesundheitsgefährdend.

Corona auch für Profisportler gefährlich

Denn zum einen ist Corona auch für Profisportler gefährlich - neben den noch völlig unbekannten Spätfolgen für Athleten. Zum anderen sind aber längst nicht alle Mitarbeiter eines NFL-Teams topfit oder jung. Da gibt es genug Angehörige der Risikogruppe.

"Natürlich machst du dir nach der Patriots-Geschichte als Familienvater deine Gedanken, ob das alles noch sinnvoll ist und ob wir wirklich alles im Griff haben", sagt ein NFL-Scout, der verständlicher Weise anonym bleiben will, zu SPORT1.

Letztlich müsste jeder in Kontakt mit einem positiven Fall sofort 14 Tage in Quarantäne. Das ist in der NFL nicht passiert.

"Wir haben immer gesagt, dass wir positive Fälle erwarten. Solang dies eine Pandemie in der Gesellschaft ist, werden wir Fälle haben. Wichtig ist, dass wir diese schnell identifizieren und richtig reagieren", hatte NFL-Chefarzt Dr. Allen Sills vor der Saison gesagt.

Optimal hat dies offenbar bei den Titans nicht funktioniert, aber volle Kontrolle ist in einer solchen Situation ohnehin eine Illusion. "Ich habe alles befolgt und es ist mir trotzdem passiert", schrieb Gilmore in einem Tweet am Mittwoch.

Regelverstöße in der NFL

Dazu kommt, dass es viele Menschen in der NFL mit Regeln ohnehin nicht so genau nehmen - auch schon vor Corona. Insgesamt fünf Coaches wurden bereits mit massiven Geldstrafen belegt, weil sie an der Seitenlinie nicht in der Lage waren, Masken vernünftig zu tragen. Dazu kamen weitere Verstöße, wie zehn Raiders, die bei einem Charity Event keine Maske trugen.

Ein Hoffnungsschimmer für die Liga ist, dass die Minnesota Vikings bis heute keinen positiven Fall registriert haben. Sie waren der bis dato letzte Gegner der Titans.

Dennoch bleibt die Frage: was nun NFL? Wäre eine Bubble nach NBA-Vorbild die Lösung? Zumindest für die Playoffs wurde diese Variante bereits diskutiert.

Realistisch wäre dies aber nur für jedes einzelne Team - sonst müsste man für 32 Teams mit 53 Spielern und unzähligen Mitarbeitern wohl einen gesamten Bundesstaat zur NFL-Bubble umfunktionieren.

Bubble als Lösung für NFL?

Eine Bubble für jedes einzelne Team brächte aber auch Probleme mit sich. Eine komplette Franchise in einem Hotel zu isolieren, ist eine Mammutaufgabe - von Flügen, Stadien, Transport ganz zu schweigen.

Und was wäre eigentlich mit den Schiedsrichtern? Oder den TV-Übertragungen?

Letztlich wird die Inkubationszeit des Virus die NFL weiterhin Risiken aussetzen, die eben nicht völlig auszuschließen sind. Risiko-Minimierung ist das Mantra der Liga - viel darf aber nicht mehr schiefgehen, sonst ist die am Abgrund stehende NFL-Saison schon bald einen Schritt weiter.