NFL-Star exklusiv: "Das Geschäft ist gnadenlos brutal"

In gut einer Woche ist es endlich soweit!

Mit dem Spiel zwischen Titelverteidiger Kansas City Chiefs und den Houston Texans startet die NFL in der Nacht auf Freitag deutscher Zeit in ihre 101. Saison.

Durch die weltweite Corona-Pandemie wird diese naturgemäß in stark veränderter Form ablaufen. So gehen alle beispielsweise alle Teams ohne Preseason-Spiele in ihr erstes reguläres Ligaspiel, auf vollbesetzte Arenen wird man noch länger warten müssen. Die meisten Teams werden ihre ersten Heimspiele ohne Zuschauer austragen.

Chris Thompson spielt seit 2013 in der NFL. Eine Situation wie jetzt, hat der 29-Jahre alte Running Back freilich noch nie erlebt.

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Thompson von Washington nach Jacksonville

Zudem muss er sich nicht nur an die neuen Verhältnisse gewöhnen, sondern auch an ein neues Team. Nach sieben Jahren bei den Washington Redskins (jetzt Washington Football Team), unterschrieb er im Mai einen Einjahresvertrag bei den Jacksonville Jaguars.

Im exklusiven SPORT1-Interview verrät Thompson, wie er den Wechsel bis jetzt erlebt hat. Zudem gibt der Familienvater Einblicke in sein Leben während der Corona-Pandemie, spricht über die Ziele der Jags und das knallharte Geschäft in der NFL.

SPORT1: 2020 ist für alle Menschen ein schwieriges Jahr, da sind Profisportler keine Ausnahme. Wie sind damit umgegangen?

Chris Thompson: Für mich war es noch einmal spezieller, ich bin Ende Dezember Vater geworden. Zum einen ist man da natürlich noch vorsichtiger, andererseits konnte ich in der Quarantäne bei meiner Tochter sein, was sonst so nicht möglich gewesen wäre. Das war natürlich toll, so konnte ich viel mehr Zeit mit ihr verbringen. Jeder musste natürlich individuell trainieren. Es gab jetzt auch nicht so viele Verletzungen in der Vorbereitung, grundsätzlich hat die NFL einen guten Job gemacht, wenn man sieht, dass nur vier positive Tests herausgekommen sind.

SPORT1: Sie haben dazu auch noch das Team gewechselt. Nach guten Jahren in Washington spielen Sie nun für die Jaguars. Haben Sie sich in Jacksonville schon eingelebt?

Thompson: Das ging eigentlich sehr schnell. Die Jungs hier machen es einem wirklich leicht, mit ihnen klarzukommen. Es gibt keine Drama-Queens, hier gibt es auch keine Cliquen. Die Running Backs reden nicht nur mit den Running Backs usw. – alle kommen gut miteinander aus. Ich hab alle sehr schnell kennengelernt, das ging besser als ich gedacht hätte.

SPORT1: Jay Gruden war Ihr Coach in Washington und ist jetzt für die Offense bei den Jags zuständig. Ist das ein Vorteil für Sie?

Thompson: Auf jeden Fall, sehr sogar! Ich kenne sein System und was er sich vorstellt. Damit kann ich auf die Abstimmung mit dem Quarterback und der Offensive Line konzentrieren und muss nicht auch noch ein neues Playbook lernen.

Entlassung von Fournette war "ein echter Schock"

SPORT1: Die Entlassung von Leonard Fournette hat für Schlagzeilen gesorgt. Wie haben Sie davon erfahren? Ist das Ihre Chance?

Thompson: Es war ein echter Schock! Ich hatte ja das Glück, ihn hier in der kurzen Zeit besser kennenzulernen. Er ist ein toller Typ, aber wenn du lange genug in der NFL bist, weißt du, wie gnadenlos brutal das Geschäft ist. Er ist jemand mit dem ich den Rest meines Lebens sprechen werde, ich freue mich darauf, zu sehen, wo er seine Zukunft hat. Er wird Erfolg haben, aber klar, für mich ist es eine große Chance. So ist das eben.

SPORT1: Sie sind als großartiger Passfänger bekannt, hatten aber auch oft Pech mit Verletzungen. Wollen Sie nun zeigen, dass sie auch eine größere Rolle einnehmen können?

Thompson: Definitiv, das ist eins meiner großen Ziele für dieses Jahr. Das Verletzungs-Thema begleitet mich ja seit Ewigkeiten. Deshalb schaue ich jetzt von Tag zu Tag und werde es den Zweiflern beweisen.

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Thompson: "Minshew eine großartige Persönlichkeit"

SPORT1: Gardner Minshew hat die NFL im vergangenen Jahr mit seiner einzigartigen Persönlichkeit im Sturm erobert. Wie haben Sie ihn bisher erlebt?

Thompson: Er ist wirklich so, wie man ihn im TV gesehen hat, eine großartige Persönlichkeit. Er ist jeden Tag auf der Jagd nach wahrer Größe. Er war sogar einer der Hauptgründe, warum ich mich auf Jacksonville gefreut habe. Ich freue mich darauf, ihm zu helfen, noch besser zu werden.

SPORT1: Die Jaguars werden nicht als Playoff-Team gehandelt. Wollen Sie es den Zweiflern erst recht zeigen?

Thompson: So müssen wir es angehen. Das gefällt uns natürlich nicht, aber das müssen wir als Motivation nutzen.

SPORT1: Neben Ihnen, gibt es einen Spieler der Jags, auf den die deutschen Fans besonders achten sollten?

Thompson: Auf jeden Fall Laviska Shenault. Der ist ein richtiges Biest. Er ist ein Rookie, aber ich habe selten einen in dem Alter so gebauten Receiver gesehen. Ich bin sehr gespannt, was er zeigt.

"Wollte eigentlich die ganze Familie mit nach London nehmen"

SPORT1: Sie haben mit den Redskins 2016 in London gespielt und wären mit den Jaguars auch wieder in Europa gewesen, wegen Corona fällt der Trip aus. Sind Sie enttäuscht?

Thompson: Ich hatte mich sehr darauf gefreut, ich wollte eigentlich die ganze Familie mit nach London nehmen. Sie waren alle noch nie da, ich ja nur das eine Mal. Es ist sehr schade, aber ich hoffe, es wird bald wieder möglich sein.

SPORT1: Neben Corona ist Black Lives Matter und der Kampf gegen Rassismus und Polizeibrutalität das große Thema in den USA. In der NBA wurden Playoff-Spiele boykottiert. Haben Sie als Team darüber gesprochen?

Thompson: Oh ja, wir haben darüber gesprochen. Es ist sehr wichtig, Lösungen zu finden. Was können wir tun, um zu helfen, Leute zu überzeugen und unsere Plattform zu nutzen. Das ist unsere Verantwortung als Athleten.

SPORT1: Bei Ihrem früheren Team war es mit Namensänderung und Anschuldigungen der Belästigung von weiblichen Mitarbeitern und Cheerleadern sowie des kompletten Austauschs der Führungsebene eine chaotische Offseason. Wie sehen Sie Ihr altes Team?

Thompson: Meiner Meinung nach, gibt es nichts Besseres, wenn du wirklich etwas verändern willst, als den ganzen Laden umzukrempeln. Das haben sie jetzt gemacht - inklusive des Namens. Das war die richtige Entscheidung, es ist ein kompletter Neuanfang. Ich finde es richtig gut und glaube auch, dass sie es schaffen werden. Ich habe sieben Jahre dort gespielt und wünsche es den Jungs und den extrem loyalen Fans. Ron Rivera ist genau der Richtige, er wird so sehr respektiert. Mit seiner Krebsdiagnose ist es auch noch schwieriger, aber er wird das durchstehen und das Team wieder nach oben bringen.