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Der Niedergang eines Traditionsvereins

Der Niedergang eines Traditionsvereins

Es war der 18. August 2002, als im DSF-Doppelpass, heute der CHECK24 Doppelpass bei SPORT1, ein gewisser Robert Wieschemann folgenden legendären Satz sagte: "Wir haben ein Defizit an Durchblick - wir alle".

Ein unvergessener TV-Auftritt eines FCK-Verantwortlichen. Der damalige Aufsichtsratsvorsitzende des 1. FC Kaiserslautern verhaspelte sich und wirkte völlig planlos. Die aktuelle Situation ähnelt sehr der damaligen - kein sportlicher Erfolg, Intrigen und Machtspiele in der Chefetage und häufige Trainerwechsel.

Über 18 Jahre später ist alles viel schlimmer: Marco Antwerpen, der am Mittwoch beim beim FCK offiziell als neuer Trainer vorgestellt wurde, übernimmt in der Pfalz nicht weniger als ein Himmelfahrtskommando, auch wenn er dies im SPORT1-Interview bestreitet.

Nach der 0:1-Heimniederlage gegen den SV Wehen Wiesbaden am zurückliegenden Spieltag taumelt der FCK geradewegs in Richtung Regionalliga Südwest. Es ist die größte sportliche Krise in der Vereinsgeschichte. (SERVICE: Alle Spiele und Ergebnisse der 3. Liga)

Die Roten Teufel belegen vor dem Südwest-Kracher bei Waldhof Mannheim am Samstag (ab 14 Uhr im LIVETICKER) nach 23 Spielen Platz 16, der noch zum Klassenerhalt reichen würde. (3. Liga: SV Waldhof Mannheim - 1. FC Kaiserslautern, Samstag 14 Uhr im LIVETICKER)

Doch der Blick auf das Tableau ist trügerisch, denn der 1. FC Magdeburg und der VfB Lübeck haben hinter dem FCK ein Spiel weniger. (SERVICE: Tabelle der 3. Liga)

Merk dominiert - Sportdirektor Notzon demontiert

FCK-Chef Markus Merk sagte nach dem desaströsen Auftritt gegen Wehen-Wiesbaden mit nur einer Torchance in 90 Minuten das, was man in so einer Situation sagt.

"Es war eine schwere Entscheidung. Wir alle hätten es diesem tollen Menschen gewünscht, dass er es schafft", betonte der Beiratsvorsitzende und Aufsichtsratssprecher des 1. FC Kaiserslautern nach der Entlassung von Trainer Jeff Saibene. Es war der zweite Rauswurf in dieser Saison.

"Ein 'Weiter so' darf es nicht geben", sagte Merk schon Ende September vor der Entlassung von Boris Schommers zu SPORT1. Zwei Spiele waren da erst gespielt, beide wurden verloren. Nun lag man mit Saibene erneut falsch.

Zudem sprach Merk am vergangenen Sonntag im SWR-Fernsehen von Geschlossenheit. SPORT1 weiß allerdings, dass es hinter den Kulissen drunter und drüber geht. Eine gemeinsame Kommunikation findet nicht statt, Merk tritt zunehmend als Allein-Unterhalter und Allein-Entscheider auf.

Sportdirektor Boris Notzon, der am Deadline-Day die beiden Defensivspieler Felix Götze und Marvin Senger zum FCK holte, bei der Trainersuche hatte er kein Mitspracherecht. Bei der Vorstellung von Antwerpen saß Merk auf dem Podium. Neben ihm Fritz Fuchs, sein Kollege aus dem Aufsichtsrat.

"Boris Notzon ist in den Entscheidungsprozess um den Cheftrainer nicht involviert", verkündete Merk schon am Sonntag. Die Entscheidung werde stattdessen vom Beirat und Geschäftsführer Soeren Oliver Voigt gemeinsam getroffen - damit wurde Notzon weiter demontiert!

Probleme in Kaiserslautern längst nicht gelöst

Saibene ist weg, doch wie Merks irritierende Aussagen zur Trainersuche zeigen, sind die Probleme längst nicht gelöst. Antwerpen erwartet eine schwere Aufgabe.

Das 0:1 gegen Wiesbaden war das vierte Heimspiel in Folge, in dem kein eigenes Tor gelang. Das gab es bei den Pfälzern in einer Klubgeschichte mit 1000 Heimspielen zuvor noch nie. Die einstige Festung Betzenberg ist nur noch eine Hüpfburg, hieß es treffend in der ARD-Sportschau.

Lautern-Legende Fritz Walter wäre am 31. Oktober des vergangenen Jahres 100 Jahre alt geworden - er würde seinen Verein nicht wieder erkennen.

"Der FCK ist mehr als ein Verein, er ist für viele Familie", sagte FCK-Legende und 1954er Weltmeister Horst Eckel zu SPORT1. "Auf dem Platz war immer Kampf unsere Stärken, damit haben wir viele Gegner besiegt. Seine Ziele erreicht man mit viel Ehrgeiz, Teamgeist und Kampf. Mit der richtigen Einstellung kann man alles schaffen."

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Was läuft da mit Lautern und Ponomarev?

Der FCK ist seit Jahren ein Pulverfass, doch nun droht es zu explodieren. Die Kritik an Alleinunterhalter Merk wächst. Gerüchte um einen Einstieg von Uerdingens Investor Mikhail Ponomarev, der beim KFC aussteigt, halten sich nach SPORT1-Informationen weiter. Fragen dazu bleiben unbeantwortet.

Eine einheitliche Linie gibt es schon lange nicht mehr, in der Chefetage geht es seit langem nur noch um verletzte Eitelkeiten und Macht. Beobachter sagen, es mache den Eindruck, dass jeder seinen eigenen Kopf retten und bestmöglich dastehen will. Und vieles wird schöngeredet.

"Natürlich ist aktuelle Situation sehr gefährlich, der Verein ist akut abstiegsgefährdet", sagt der frühere FCK-Meisterspieler Andreas Buck SPORT1. Finanziell habe der Niedergang schon zu seiner Zeit angefangen, "als man im Höhenflug die Weichen jedoch falsch gestellt und in einer kleinen Form von Größenwahn mit Geld um sich geworfen hat. Die Folge war eine sehr hohe Fluktuation von Spielern und Trainern, ohne dass der Verein selbst einen Plan hatte. So ging es Schritt für Schritt nach unten."

FCK wollte um Aufstieg mitspielen

Vor dieser Spielzeit gab man das Ziel aus um den Aufstieg mitspielen zu wollen, doch das war aus heutiger Sicht genauso realitätsfremd wie die Annahme, man habe einen konkurrenzfähigen Kader. Immer wieder sprachen die Verantwortlichen davon, dass genug Qualität vorhanden sei. Doch genau die fehlt, wie zuletzt gegen Wiesbaden zu sehen.

Um das Grundübel zu untersuchen, muss man weit zurückgehen. Deutscher Meister 1991, fünf Jahre später Abstieg in die 2. Liga und zwei Jahre später als erster Aufsteiger Deutscher Meister - einmalig im deutschen Fußball. Genauso spektakulär ist aber die emotionale Achterbahnfahrt, die den Klub und seine Anhänger in den vergangenen neun Jahren von der ersten bis in die Abstiegszone der dritten Liga führte.

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WM-Stadion der Anfang vom Ende

Der Gewinn der Meisterschaft 1998 war kurioserweise der Anfang vom Ende. Der Verein baute für die WM 2006 das alte Stadion um, doch finanziell rutschte man immer mehr in die roten Zahlen.

In der Klubführung und im Aufsichtsrat fehlte in der Vergangenheit die große Fußballkompetenz - dies zieht sich bis zum heutige Zeitpunkt durch. Und im Scouting-Bereich, gerade für einen kleineren Klub eminent wichtig, gab es seit Jahren keine klare Linie.

Bei manchen Spielen saßen vier verschiedene Personen auf der Tribüne, um Spieler zu beobachten. Zuletzt wurde Ex-FCK-Profi Olaf Marschall zum Chefscout ernannt.

Andere ehemalige Spieler wie Axel Roos oder Hans-Werner Moser, die helfen wollten, bekamen nicht einmal einen Gesprächstermin oder wurden abgewiesen. Auch Steven Dooley, der Bruder des 1991er Meister-Teufels Tom Dooley, der zuletzt als Vorstandsmitglied zurücktrat, wollte nach SPORT1-Informationen ein Gespräch mit dem Vorstand - doch dazu kam es nie.

Dass nun mit dem neuen Trainer die Wende zum Besseren erfolgt, ist die große Hoffnung rund um den Betzenberg. Dazu müsste zumindest Marco Antwerpen den Durchblick behalten.