Werbung

Der Bessermacher - auch bei Bayern?

BVB-Keeper Gregor Kobel kam aus dem Schwärmen nicht mehr raus. (NEWS: Fix! Bayern hat Tapalovic-Nachfolger)

„Er arbeitet super. Mir hat‘s überragend geholfen. Er ist ein wichtiger Faktor, dass ich heute in der Bundesliga spielen kann“, sagte der 25-Jährige am Mittwochabend nach dem 2:1-Pokal-Sieg gegen Bochum über Bayerns neuen Torwarttrainer Michael Rechner.

Der 42-Jährige sei einer derjenigen, „die mich nach Deutschland geholt haben, dem ich viel zu verdanken habe“, erklärte Kobel bei Sky weiter.

Nach dem Torwart-Knall um den freigestellten Toni Tapalovic hatte der FC Bayern jenen Rechner am Mittwoch offiziell als neuen Torwarttrainer bekannt gegeben.

Der gebürtige Badener wechselt von der TSG Hoffenheim nach München und soll nach SPORT1-Informationen der Wunschkandidat des Rekordmeisters gewesen sein.

Rechner ist ein ehemaliger Weggefährte von Bayern-Trainer Julian Nagelsmann, arbeitete mit ihm bereits bei den Kraichgauern zusammen.

Er war seit 2008 „Koordinator Torwartspiel“ bei Hoffenheim, seit 2015 für die Torhüter des Profi-Teams verantwortlich und unter Nationalcoach Stefan Kuntz auch Torwarttrainer der türkischen Nationalmannschaft. (NEWS: Neuer teilt nach Tapalovic-Aus gegen Bayern aus)

Doch was zeichnet den profilierten Torwart-Experten aus? Woher kommt er und warum hat sich Bayern für ihn entschieden? SPORT1 geht auf Spurensuche.

Nagelsmann und Rechner schon in Hoffenheim

Rechner stand früher selbst für die U23 des Hamburger SV, Waldhof Mannheim, Sachsen Leipzig und den VfR Mannheim im Tor, absolvierte sieben Zweitliga-, drei DFB-Pokal- sowie rund 100 Regionalligaspiele und beendete 2004 seine Profi-Karriere. (NEWS: Alle aktuellen Infos zur Bundesliga)

Danach schloss Rechner ein Studium der Sportwissenschaften in Heidelberg mit seiner Magisterarbeit „Das Anforderungsprofil und die moderne Trainingsmethodik des Fußballtorwarts“ ab, kickte noch bei kleineren Klubs, ehe er sich ab 2008 bei der TSG Hoffenheim einen Namen als Torwart-Experte machte.

In dieser Zeit lernten sich Nagelsmann, Rechner, aber auch BVB-Keeper Kobel, der inzwischen beim Rekordmeister gehandelt wird, kennen und schätzen. (DATEN: Spielplan der Bundesliga)

„Michael hat mich mit 16 aus Zürich nach Hoffenheim geholt“, verriet Kobel jüngst in der Sport Bild und erklärte die besondere Beziehung zu Ex-Coach und Förderer Rechner: „Er hat dann auch ein bisschen auf mich aufgepasst, als ich ohne Familie in Deutschland war.“

  • „Die Bayern-Woche“, der SPORT1 Podcast zum FCB: Alle Infos rund um den FC Bayern München – immer freitags bei SPORT1, auf meinsportpodcast.de, bei Spotify, Apple Podcasts und überall, wo es Podcasts gibt

2016 kam der Schweizer nach Sinsheim und traf schon bei den A-Junioren auf den heutigen Bayern-Cheftrainer. Unter Nagelsmann absolvierte Kobel insgesamt 21 Spiele von der U19-Bundesliga über DFB-Pokal und Europa League. Beim 3:1 gegen Hannover stand er einmal für die TSG in der Bundesliga zwischen den Pfosten.

Bayerns Torwarttrainer formte Kobel

Nach Nagelsmann ist also nun mit Rechner der nächste Kobel-Kenner bei den Bayern. Und ein Mann, den der BVB-Keeper schätzt. „Als Torwarttrainer ist er einer der besten in Deutschland und hat großen Anteil daran, dass ich es bis zu einem der größten Bundesliga-Klubs geschafft habe“, erzählte Kobel.

Nach Leihgeschäften in Augsburg und Stuttgart verkaufte die TSG schließlich Kobel 2020 für 7,2 Millionen Euro an den VfB. Nur ein Jahr später legte Borussia Dortmund für den Schweizer Nationalkeeper das Doppelte hin. (NEWS: Matthäus sieht Kobel vor Bayern-Wechsel)

Mit seinen starken Leistungen im Ruhrpott soll der 25-Jährige mittlerweile auch die Bayern auf den Plan gerufen haben, doch davon will er aktuell nichts wissen. „Ganz ehrlich: Ich beschäftige mich nicht mit irgendwelchen Gerüchten“, betonte Dortmunds Schlussmann: „Wir haben in dieser Saison eine riesengroße Chance, etwas zu gewinnen.“

Wie es mit Kobel (Vertrag bis 2026) und Neuer (Vertrag bis 2024) in Zukunft weitergeht, ist noch offen. Immerhin schwärmte Bayerns neuer Torwarttrainer vom verletzten Neuer stets in höchsten Tönen. (KOMMENTAR: Neuer und Bayern müssen sich trennen)

„Manuel Neuer ist der beste Torwart der Welt“, sagte Rechner bereits im März 2021. „Für mich ist er das aber nicht, weil er so ein geniales Aufbauspiel hat. Er ist der Beste, weil er in den wichtigen Spielen für seine Mannschaft sehr wichtige Bälle hält. Neuer ist ein kompletter Torwart, der sehr wenige Fehler macht. Deshalb ist er so gut.“

Rechner-Deal auch Vertrauensvotum für Nagelsmann

Allerdings fühlte sich der Welttorhüter schon in der vergangenen Saison von Bayerns Chefcoach ein wenig links liegen gelassen und in seiner Autorität geschwächt – in erster Linie aber nicht wegen des hervorragenden Verhältnisses zwischen Nagelsmann und Joshua Kimmich, sondern vielmehr wegen der geschwundenen Macht von Tapalovic. (NEWS: Neuer-Knall: Diese Rolle spielt Kimmich)

Der kürzlich entlassene Torwarttrainer hatte im neuen Trainerteam von Anfang an weniger Einfluss und Mitspracherecht als unter Vorgänger Hansi Flick. Nach SPORT1-Informationen reifte in Nagelsmann schon wenige Monate nach seiner Ankunft der Gedanke, einen neuen Torwarttrainer zu verpflichten – spätestens zum Auftakt in seine zweite Saison als Bayern-Coach.

Doch das wollte Neuer, mit dem die Verantwortlichen damals einen neuen Vertrag aushandelten, nicht. Der Weltmeister von 2014 ließ Salihamidzic und Co. frühzeitig wissen, dass er seinen Vertrag nur bis 2024 verlängern werde, wenn auch Tapalovic bleiben dürfe. Mit Kimmich hatte der Bruch zwischen Nagelsmann und Neuer also wenig zu tun. (NEWS: Fans empört über Neuer-Interview)

Nicht von der Hand zu weisen ist aber, dass die Verpflichtung von Rechner ein weiteres Vertrauensvotum für Nagelsmann ist! Der Bayern-Coach schätzt vor allem das innovative Torwarttraining des 42-Jährigen und hat nun einen weiteren Vertrauten an seiner Seite.

Begonnen hat alles 2008, als Rechner ein unbeschriebenes Blatt Papier nahm, um bei der Europameisterschaft jede Torhüter-Aktion zu bewerten. Bis zu 30 Techniken notierte er sich, unter anderem „Flanke gefaustet“, die in fünf Schwerpunktbereiche eingeteilt wurden: Spieleröffnung, Grundtechnik, Abdruck, Eins-gegen-Eins sowie Flanken und Mitspielen. (NEWS: Nicht Neuer - der heimliche Bayern-Boss)

Was Bayern am neuen Torwarttrainer schätzt

Damals fiel dem heutigen Bayern-Coach schon auf, dass über 70 Prozent der Aktionen eines Keepers auf die Spieleröffnung entfielen, aber dabei nur ein einziger Fehler zu einem Gegentor führt! Die meisten Gegentreffer dagegen verteilten sich zu knapp zwei Dritteln auf die Bereiche „Eins-gegen-Eins“ und „Abdruck“. (NEWS: Das sagt Müller zur Neuer-Debatte)

Aufgrund dieser Erkenntnisse legte er nach der Endrunde den Trainingsschwerpunkt bei allen Hoffenheim-Torhütern auf die letztgenannten Bereiche. So wurden der deutsche Nationaltorwart Oliver Baumann, Kobel oder auch Kölns heutige Nummer eins Marvin Schwäbe, wenn sie ins obere Eck hechteten, im Kraichgau oft an Gummibänder gebunden, um sich besser vom Boden abdrücken zu können.

„Wenn ich das Seil wegnehme, tritt der psychologische Effekt ein: Sie fühlen sich beim Fliegen wie ein Vogel“, erklärte Rechner einst. Zudem wendet er gerne eine dunkle Brille beim Flankentraining an, um die Wahrnehmung zu verbessern, aber auch Schläger, Paddel und Seile kommen bei ihm in speziellen Übungsformen zum Einsatz. (NEWS: Neuer schießt gegen Medien)

Gegenstände, die man eher in einem Outdoor-Geschäft verortet als auf dem Rasen, werden bei seinem Torwarttraining genutzt. Zudem gehören Kopfrechenaufgaben vor einem Schuss des Torwarttrainers zur Normalität.

Deshalb gilt er mitunter als einer der innovativsten Torwart-Trainer.

Die gängigen Daten der Dienstleister wie „abgewehrte Torschüsse in Prozent“ oder „vereitelte Großchancen“ dagegen lassen seiner Meinung nach umfassende Rückschlüsse indes kaum zu. Kein Wunder also, dass Rechner mitgeholfen hat, eine eigene App namens „Goalkeeping Development“ zur Torwart-Ausbildung beim DFB zu entwickeln. (DATEN: Ergebnisse der Bundesliga)

Rechner schwärmt von Bayern-Torwart

Durch seine umfassende Datenbank könnte der 42-Jährige auch ein überraschendes Torwart-Ranking aus der Bundesliga öffentlich machen, doch daran verschwendet er keinen Gedanken - nur so viel verriet er vor Jahren schon.

„Wenn Neuer bei rund 50 Pflichtspielen in einer Saison 50 Gegentore bekommt, gehen davon zwei oder drei auf seine Fehler zurück. Eine Fehlerquote unter fünf Prozent ist ein Top-Wert“, sagte er und erklärte, dass in der Bundesliga fünf bis zehn Prozent normal seien. Was darüber hinausgehe, wäre für einen Profi-Torwart kritisch. (Exklusiv: Sepp Maier verteidigt Manuel Neuer)

Die häufigsten Fehlerursachen sind im Stellungsspiel, in der Grundstellung („Auftaktsprung nach vorne“) und bei den Entscheidungen („rausgehen oder drinbleiben“) zu finden, „der sichtbare technische Fehler passiert relativ selten“.

Neuer ist für den Mosbacher DAS Nonplusultra auf der Torhüterposition, aber auch von Chelsea-Legende Petr Cech, Gigi Buffon und Edwin van der Saar, der schon in den Neunzigern ein Spiel sehr gut antizipieren konnte und sehr gut „mitgespielt“ hatte, hält Rechner viel.

Zudem hospitierte Rechner auch bei anderen Torwart-Trainern wie Rüdiger Vollborn in Leverkusen, Eberhard Trautner in Stuttgart und Patrick Foletti bei der Schweizer Nationalmannschaft, um sein Torwart-Training zu perfektionieren. Dieses beruht auf vier Säulen: Technik, Taktik, Athletik und Psyche. (KOLUMNE: Neuer-Interview war kein Fehler)

Und die psychische Belastung ist beim FC Bayern am höchsten - insbesondere bei den Torhütern. (DATEN: Die Tabelle der Bundesliga)

Rechner, der Bessermacher - auch für Bayern?