Nur noch Durchlauferhitzer: Die Bundesliga verliert ihre Kinder

Hallo Bundesliga-Freunde,

schon spannend: sieben Vereine hätten an diesem Spieltag Tabellenführer werden können - ziemlich ungewöhnlich für den Zeitpunkt. Ende Oktober ist das erste Viertel der Saison schon vorbei.

Es gibt verschiedene Gründe, warum die Liga verrückt spielt. Warum es immer häufiger zur Lotterie wird, wie viele Spiele ausgehen. Warum in Tipprunden die oben stehen, die keine Ahnung haben (oder eben doch??).

Der Aufbau einer Mannschaft wird zusehends mehr zum Projekt für zwölf Monate. Eine wohl überlegte und konkret geplante Kader-Architektur, die eben auch mehrere Spielzeiten dauern darf, ist im Grunde nicht mehr möglich. Zumindest für den ganz großen Teil der Profiklubs in Deutschland und Europa. Ausnahmen sind noch die Branchenriesen, doch selbst der FC Bayern erlebte in diesem Jahr, dass nicht mehr er den Markt regierte, sondern der Markt ihn. Nicht nur für Chelseas Callum Hudson-Odoi, 18, waren sie bereit, an die wirtschaftliche Schmerzgrenze zu gehen - doch bekamen ihn nicht.

Selbst ablösefreie Spieler sind kaum zu haben

Harte Wahrheit: An den meisten Standorten haben die Berateragenturen der Fußballstars das letzte Wort. Sie diktieren Vertragslaufzeiten, Ausstiegsklauseln und Handgelder, die mittlerweile so hoch sind, dass viele Vereine selbst bei ablösefreien Spielern nicht mitbieten können.

Und sobald ein Spieler zündet, heißt, Leistungen über dem Niveau seiner Mannschaft liefert, werden Drähte gelegt und nächste Schritte vorbereitet. An denen im Idealfall alle gut verdienen. Welche Namen für die nächsten Monate tatsächlich zur Verfügung stehen, weiß der Trainer erst, wenn nicht mehr transferiert werden darf.

Nicht wirklich überraschend, aber im Fußballgeschäft zählt in erster und zweiter Linie das Geldverdienen. Daran werden die Geschäftsführer gemessen. Dann kommt der sportliche Erfolg, hart, aber der ist, im Verhältnis, vielerorts fast schon Kür. Nur sportlicher Misserfolg, da liegt der Unterschied, der muss auf jeden Fall verhindert werden. Sonst werden die Kunden sauer.

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Im nächsten Jahr wird die Bundesliga auf Rekordlevel Geld verdienen. Doch dafür wird sie auch viel verlieren, sportlich. Es ist im Grunde entschieden, dass drei der größten Talente, die jemals in unserer höchsten Klasse gespielt haben, in kommenden Mai den Verein wechseln - und die Liga.

BVB hat gleich zwei Probleme

Borussia Dortmund ist gleich doppelt betroffen, zumindest in einem Fall, dem von Jadon Sancho, 19, erwartet sie aber eine historische Einnahme. Die BVB-Verantwortlichen spekulieren offenbar auf 150 Millionen Euro für Englands Supertalent, an dem alle Topvereine der Premier League interessiert sein sollen. Sanchos Berateragentur soll wohl bereits signalisiert worden sein, dass man bezüglich eines Transfers ihres wichtigsten Klienten in 2020 gesprächsbereit sei.

Nicht ganz so gut aus Dortmunder Sicht ist die Lage bei Achraf Hakimi, 20. Der marokkanische Nationalspieler, mittlerweile absoluter Leistungsträger, gehört Real Madrid. Der Leihvertrag endet nach dieser Saison und sowohl Hakimi als auch sein Stammverein haben signalisiert, nach der Zeit in der Zeit in Deutschland wieder zusammenarbeiten zu wollen. Dass Hakimi das Potenzial hat, auch Real zu verstärken, davon sind mittlerweile alle überzeugt.

Havertz wird Leverkusen wohl verlassen

Bleibt Kai Havertz, ebenfalls 20, der als größtes deutsches Mittelfeld-Talent der vergangenen Jahre auch international bereits heiß gehandelt wird. In Leverkusen sind sie relativ sicher, dass Havertz, dem ein Transfer für den nächsten Sommer zugesagt wurde, ins Ausland wechseln wird - obwohl neben den Bayern auch Borussia Dortmund offenbar bei Havertz schon Interesse an einer Verpflichtung hinterlegt hat. Beide Vereine wären bereit, für die sehr vielversprechende Aktie Havertz über 100 Millionen Euro Kaufpreis zu zahlen, wird berichtet.

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Havertz möchte sich, so ist in Leverkusen zu hören, erst spät entscheiden, für wen er zukünftig spielt. Er will genau wissen, welchen Platz er in welcher Mannschaft einnehmen würde, wie sein Verein zukünftig positioniert wäre. Vor allem Spanien hat er im Auge, Real und Barcelona, mehr als die Premier League. Italiens Serie A und die Ligue 1 kommen für ihn nicht in Frage.

So oder so: Die Bundesliga wird neue Supertalente finden, finden müssen. Sie ist mittlerweile der Durchlauferhitzer für große Karrieren, verdient damit aber viel Geld. Und wer das dann wie investiert, ist ja auch spannend. So wie die Bundesliga da vorne.

Tobias Holtkamp, der Autor dieses Textes, war in der Chefredaktion von Sport Bild und Chefredakteur von transfermarkt.de. Heute berät er Sportler und Marken in ihrer inhaltlichen und strategischen Ausrichtung. Für SPORT1 schreibt Holtkamp ab sofort als Chef-Kolumnist die wöchentliche "Bundesliga-Kolumne".