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Olympische Skandale: Spaniens dreister Betrug bei den Paralympischen Spielen in Sydney

Das spanische Basketballteam feiert den erschwindelten Sieg bei den Paralympischen Spielen in Sydney (Bild: AP Photo/Rick Rycroft)
Das spanische Basketballteam feiert den erschwindelten Sieg bei den Paralympischen Spielen in Sydney (Bild: AP Photo/Rick Rycroft)

Wenige Wochen nach dem spanischen Sieg im paralympischen Basketballturnier für geistig Behinderte enthüllte ein Undercover-Journalist das Undenkbare: 10 der 12 Goldmedaillengewinner waren gar nicht beeinträchtigt!

Die lange Geschichte der modernen Olympischen Spiele kann auf unterschiedlichste Betrugsskandale zurückblicken. Die Paralympischen Spiele aber, die seit 1960 für Sportler mit verschiedenen Behinderungen stattfinden, verzeichneten ebenfalls Betrugsversuche. Der berüchtigtste und abstoßendste Fall dieser Art fand bei den Spielen in Sydney im Jahr 2000 statt.

Neben dem traditionellen Rollstuhl-Basketball fand bei den Paralympics des Jahres 2000 auch ein Basketballturnier für Spieler mit geistiger Behinderung statt. Der Website Cap à citer zufolge hatte das Paralympische Komitee eine Schwelle von 70 für den Intelligenzquotienten festgelegt, unterhalb derer die Spieler als geistig behindert galten und damit teilnehmen durften.

Eine scheinbar beeindruckende Leistung

Das erste Paralympische Basketballturnier der Männer für Spieler mit geistiger Behinderung fand im Oktober 2000 in Sydney statt und war gekennzeichnet von der scheinbar herausragenden Leistung des spanischen Teams. Die Mannschaft gewann alle ihre Spiele mit mindestens 15 Punkten Vorsprung und verblüffte sämtliche Beobachter. Selbst die favorisierten Russen wurden im Finale mit 87:63 deutlich geschlagen.

"Sie haben alle anderen vom Platz gefegt", erinnert sich Bradley Lee, ein Spieler des australischen Paralympics-Teams, laut ABC News. "Ich hatte einen Verdacht, habe aber nichts gesagt. Ihre Mannschaft war völlig anderes als die anderen. Wir hatten das Gefühl, dass etwas nicht in Ordnung war, konnten es aber nicht wirklich erklären." Das Geheimnis wurde einige Wochen später schließlich enthüllt.

Die Wahrheit kommt ans Licht

Am Tag nach dem Sieg ehrte Marca, eine der wichtigen täglichen Sportzeitungen Spaniens, die Paralympics-Gewinner mit einem Foto, auf dem sie ihre Goldmedaillen tragen. Nach Erscheinen des Fotos erhielt die Redaktion Briefe von Lesern, die einige der Athleten erkannt hatten – und schrieben dass diese Spieler keineswegs behindert seien!

Im November 2000 kam schließlich alles ans Licht. Carlos Ribagorda, einer der Spieler des siegreichen Teams von Sydney, offenbarte, dass er tatsächlich Journalist für die Finanzzeitung Capital war und das Team 1999 infiltriert hatte. Auch er hatte keine geistige Behinderung.

Eine Blutdruckmessung als medizinische Untersuchung

Aber es kam noch schlimmer: Der Journalist bestätigte bei diesem Anlass, das insgesamt zehn der zwölf Spieler der spanischen Mannschaft die geistige Behinderung nur vorgespielt hätten, um am Wettbewerb teilnehmen zu können. Seiner Aussage zufolge wurde dieser schamlose Betrug durch schwere Mängel bei den medizinischen Untersuchungen möglich. Die Huffington Post gab Ribagordas Aussage wieder, dass "seine einzige medizinische Untersuchung eine Messung des Blutdrucks nach sechs Liegestützen war".

Die meisten der spanischen Spieler gaben für die paralympischen Wettkämpfe nur vor, eine geistige Behinderung zu haben. Diese Farce führte zu einigen seltsamen Momenten. "In der zweiten Hälfte unseres ersten Spiels haben wir völlig problemlos 30 Punkte gemacht", sagte Ribagorda laut Huffington Post. "Der Trainer hat uns dann halb im Spaß und halb im Ernst gesagt, es ein wenig ruhiger angehen zu lassen, damit es nicht so offensichtlich wird."

10 von 12 Goldmedaillengewinnern hatten einen IQ über 70

Ribagorda aber ging in seinen Vorwürfen noch weiter. Er sagte, dass mindestens fünf weitere Sportler der spanischen Delegation, wie auch eine Reihe von Sportlern aus anderen Ländern, die an den Paralympischen Spielen in Sydney teilnahmen, tatsächlich "keine körperliche oder geistige Behinderung gehabt hätten". Diese Enthüllungen konnten so nicht stehen bleiben und das spanische Paralympische Komitee eröffnete zügig eine Untersuchung. Diese kam zu klaren Resultaten: Zehn der zwölf Goldmedaillengewinner hatten einen Intelligenzquotienten von mehr als 70.

Im Ergebnis wurden die Goldmedaillen zurückgegeben und die Verantwortlichen des Skandals zur Verantwortung gezogen. 2013 wurde letztlich das Urteil gesprochen: Von 19 Beklagten wurden 18 freigesprochen. Fernando Martin Vicente, seinerzeit Präsident des Spanischen Sportverbandes für geistig Behinderte (Feddi), wurde wegen "Betrugs und Lügen" zu einer Geldbuße von 5400 € verurteilt und musste zudem die 142.355 € öffentlicher Gelder zurückzahlen, die die spanische Regierung den paralympischen Sportlern für die Spiele in Sydney gezahlt hatte.

Geistig Behinderte 12 Jahre lang von Paralympischen Spielen ausgeschlossen

Der Feddi-Verbandspräsident übernahm zwar die Verantwortung für den Betrug, beharrte aber im Lauf des Verfahrens darauf, dass er nur eine Lücke der Bestimmungen ausgenutzt habe: "Es ist schwer festzustellen, ob jemand betrügt. Vorzugeben, dass man von geringer Intelligenz ist, ist einfach." Das Internationale Paralympische Komitee (IPC) sah dies offenbar ähnlich und schloss Sportler mit geistiger Behinderung schlicht und ergreifend von der Teilnahme an den Spielen aus!

Diese Entscheidung war für Sportler, die tatsächlich eine geistige Behinderung haben, natürlich niederschmetternd. "Viele unserer besten Athleten haben mich angerufen und gesagt: 'Ich habe nicht betrogen, ich verstehe das nicht'", erklärte Robyn Smith von Sports Inclusion Australia laut ABC News. "Es war herzzerreißend, sie wurden von Vorbildern zu Ausgestoßenen."

Letztlich dauerte es bis zu den Paralympischen Spielen 2012 in London, bis das IPC davon überzeugt war, dass die Methoden zur Feststellung geistiger Behinderung sich weiterentwickelt hatten und es diese Athleten wieder zuließ.

Rodolphe Desseauve