Werbung

Online-Supermarkt MyEnso will Dorfläden wieder erfolgreich machen

anine Kraft leitet die MyEnso-Filiale in Wörlitz, in die Kunden rund um die Uhr einkaufen können. - Copyright: Steffen Höhne
anine Kraft leitet die MyEnso-Filiale in Wörlitz, in die Kunden rund um die Uhr einkaufen können. - Copyright: Steffen Höhne

Spreewälder Gurken, Zörbiger Marmelade  und Döbelner Würstchen – an einer schwarzen Kreidetafel stehen verschiedene Produkte, die der neu eröffnete Mini-Supermarkt „Tante Enso“ in Wörlitz (Sachsen-Anhalt) noch ins Sortiment aufnehmen soll. „Die Wunschtafel ist ein wichtiger Teil unseres Konzepts“, sagt Filialleiterin Janine Kraft. „Denn die Kunden sollen mitbestimmen, wie das Sortiment aussieht.“ Schließlich seien sie auch Miteigentümer – zumindest teilweise.

Das 200 Quadratmeter große Geschäft führt mehr als 2.700 Produkte, auch eine Gemüse- und Getränkeabteilung sind integriert. Dennoch handelt es sich nicht um einen gewöhnlichen Markt. Das Bremer Startup MyEnso hat den Laden in einem Genossenschaftsmodell zusammen mit den Bürgern des 1.500-Einwohner-Ortes eröffnet. MyEnso-Gründer Thorsten Bausch will in den kommenden Jahren „in ganz Deutschland bis zu 700 solche Tante-Enso-Läden eröffnen“.

Keine Konkurrenz zu Lidl und Aldi

Bausch sieht die Mini-Supermärkte aber nicht als Konkurrenz zu Lidl, Aldi, Edeka oder Rewe. Anders als die jungen Lieferdienste Gorillas, Flink oder Flaschenpost dringt MyEnso nicht ins Revier der großen Einzelhändler ein, sondern geht laut Bausch dahin, wo diese sich zurückgezogen haben.

MyEnso wurde 2018 in Bremen als Online-Supermarkt gegründet. Nach einer gescheiterten Crowdfunding-Kampagne zum Start gewannen Bausch und Mitgründer Norbert Hegmann größere Investoren und Banken, um einen Lebensmittel-Spezialisten aufzubauen. Mit mehr als 20.000 Produkten führt der Online-Shop zwar ein Vollsortiment, besonders gefragt sind jedoch Produkte, die bei Allergien und Unverträglichkeiten helfen. Im Online-Shop können Kunden über Filter unkompliziert Waren kaufen, die vegan, bio und frei von Gluten, Laktose oder Fruktose sind.  Zudem führt MyEnso viele „foodpioniere“, wie das Unternehmen sie nennt. Das sind kleine Manufakturen, die in den Regalen der großen Supermärkte oft noch keinen Platz haben.

Bürger finanzieren Aufbau des Markts mit

Ausgeliefert wird über Logistiker wie DHL – im Bremer Raum mit eigenen Kurierfahrzeugen. Laut Bausch haben sich im Online-Supermarkt bisher 100.000 Kunden registriert. Das Geschäft sei inzwischen kostendeckend.

Bei umfangreichen Marktanalysen stellten die Gründer zudem fest, dass es in ländlichen Regionen Deutschlands immer mehr weiße Flecken beim Einkauf gibt. „Die großen Einzelhändler konzentrieren sich auf Märkte mit mehr als 800 Quadratmeter Fläche, die funktionieren aber nicht in Orten mit weniger als 3.000 Einwohnern“, erläutert Bausch. Die Statistik belegt das: Im Jahr 2010 gab es in Deutschland noch rund 41.000 Verkaufsstellen im Lebensmitteleinzelhandel, im Jahr 2022 waren es nur noch knapp 34.000.

Norbert Hegmann (links) und Thorsten Bausch haben MyEnso im Jahr 2018 gegründet. - Copyright: MyEnse
Norbert Hegmann (links) und Thorsten Bausch haben MyEnso im Jahr 2018 gegründet. - Copyright: MyEnse

Diese Lücke will MyEnso zusammen mit den Dorfgemeinschaften wieder schließen. Neben dem Internethandel wird somit ein zweites geschäftliches Standbein aufgebaut.  Das Konzept: Kommunen können sich um einen Tante-Enso-Laden bewerben. Die Auflagen: Mindestens 1.000 Einwohner, der nächste Supermarkt muss mindestens sechs Kilometer entfernt sein und 300 Bürger müssen in einem Genossenschaftsmodell mindestens je 100 Euro investieren. So kommt von der Kommune ein Startkapital von 30.000 Euro zusammen. „Uns liegen bereits 900 Anfragen von Kommunen aus ganz Deutschland vor“, so Bausch.

„Die Logistik zur Versorgung der Märkte ist aufwändig“

Handelsexperte Erik Maier von der Handelshochschule Leipzig (HHL) sieht durchaus Bedarf an solchen Einzelhandelsgeschäften in ländlichen Regionen. „Die meisten Kommunen wollen eine Grundversorgung bei sich und sind daher auch bereit, beispielsweise Immobilien kostengünstig zur Verfügung zu stellen“, sagt Maier. Es gebe bei solchen Modellen jedoch einige Hürden: So sei der Kapitalbedarf hoch, der auch langfristig in den Märkten gebunden ist. „Die Logistik zur Versorgung der Märkte ist aufwändig“, so Maier. Zudem würden Personalkosten nicht unerheblich zu Buche schlagen. „Wenn die meisten Kunden dort nur Ergänzungskäufe vornehmen, den Wocheneinkauf aber weiter im nächstgelegenen Supermarkt tätigen, dann könnte das problematisch werden“, so der HHL-Wissenschaftler.

Wie MyEnso mit diesen Herausforderungen umgeht, zeigt der Mini-Supermarkt in Wörlitz exemplarisch. Die Kunden können 24 Stunden an sieben Tage die Woche einkaufen. „Dafür haben unsere Stammkunden eine Tante-Enso-Karte“, so Filialleiterin Kraft. Die Waren würden nach dem Einkauf selbst gescannt und bezahlt. Um Diebstahl vorzubeugen, gibt es eine Video-Überwachung und tägliche Inventuren bei besonders hochpreisigen Produkten. Nur vier Teilzeitkräfte führen das Geschäft, das wochentags auch für einige Stunden mit Personal geöffnet hat.

„Nach unserem Businessplan sind wir ab 45 Märkten in den schwarzen Zahlen“

Nach Angaben von MyEnso-Chef Bausch gibt es aktuelle deutschlandweit 20 Tante-Enso-Märkte, monatlich würden aktuell zwei neue eröffnet. Zur Belieferung arbeitet MyEnso mit Großhändlern und Logistikern zusammen. Bausch will das Expansionstempo noch erhöhen. „Nach unserem Businessplan sind wir ab 45 Märkten in den schwarzen Zahlen“, sagt er. Dafür müsse man in Vorleistung gehen, 15 Millionen Euro sollen investiert werden. Nach Bauschs Worten befindet sich MyEnso „momentan in Gesprächen mit Investoren“.

Um hohe Umsätze in den Filialen zu erzielen, sind diese auch mit dem Online-Supermarkt von MyEnso verknüpft. „Die Kunden können in der Filiale oder zu Hause ihre Einkäufe bestellen, und dann vor Ort abholen“, sagt der Unternehmer. Die Verbindung eines kleinen Marktes mit der Vielfalt des Online-Supermarktes soll Einkäufe in klassischen Supermärkten oder Discountern nicht mehr nötig machen. Geht das Konzept auf, dann haben Edeka, Rewe & Co. doch einen neuen Wettbewerber.