Kann Pelé den Ungekrönten überzeugen?

Es sollte sein Turnier werden.

Doch anstatt des Triumphs ist bittere Enttäuschung die brutale Realität für Superstar Neymar und die brasilianische Nationalmannschaft. (NEWS: Alles Wichtige zur WM)

Das mit Tränen überflutete, in den eigenen Händen vergrabene Gesicht, ließ keine Fragen offen, wie es im Inneren der brasilianische Nummer 10 nach dem vergebenen Elfmeter von Innenverteidiger und Teamkollege Marquinhos aussah. Während sich Kroatiens WM-Held Dominik Livakovic ob seiner zwei gehalten Elfmeter feiern ließ, sackte Neymar auf Höhe der Mittellinie zusammen und blieb wie versteinert liegen.

Aus und vorbei der Traum vom Weltmeistertitel. Schon wieder.

Zaubertor ließ ganz Brasilien hoffen

Dabei sah es bis kurz vor Ablauf der Verlängerung ganz nach dem Halbfinaleinzug für die Brasilianer aus.

Bevor die Kroaten drei Minuten vor Schluss den Ausgleich erzielten, hämmerte Neymar das Leder nach wunderschönem Doppelpass mit Lucas Paquetá unter die Latte.

Ein Geniestreich, der die Qualität des 30-Jährigen einmal mehr aufzeigte, das Ausscheiden der Selecao allerdings nicht verhindern konnte.

Nach der Pleite im Elfmeterschießen gegen den Vizeweltmeister heißt es für die Selecao, die bei dieser Weltmeisterschaft fußballerisch weltweites Zungenschnalzen provozierte: Koffer packen. (DATEN: Spielplan und Ergebnisse der WM)

Neymar zieht mit Pelé gleich

Dass Neymar mit seinem 77. Tor im Dress der Nationalmannschaft mit Stürmer-Legende Pelé gleichzog, dürfte nur ein schwacher Trost gewesen sein. Trotz seiner Krankheit ließ es sich der 82-Jährige nicht nehmen seinem Sprössling via Instagram zu gratulieren.

„Mein Rekord wurde vor fast 50 Jahren aufgestellt, und niemand konnte sich ihm bis heute nähern. Du hast es geschafft, Junge“, schrieb Pelé, der vor zehn Tagen laut ärztlichem Bulletin mit einer Atemwegsinfektion in ein Krankenhaus in Sao Paulo eingeliefert worden war.

Für Neymar zieht sich die nicht abreißende Reihe unglücklicher Auftritte wie ein roter Faden durch seine WM-Karriere - angefangen im Jahr 2014.

Nach einem Tritt auf das Steißbein war Neymar im heimischen Maracana-Stadion bei der 1:7-Pleite gegen den späteren Weltmeister Deutschland verletzungsbedingt zum Zugucken verdammt.

Vier Jahre später scheiterte Neymar mit Brasilien in Russland überraschend gegen den Geheimfavoriten aus Belgien. Genau wie in diesem Jahr verabschiedete sich die Selecao bereits im Viertelfinale gegen einen vermeintlich schlagbaren Gegner.

Ob sich Neymar von dem nächsten Rückschlag in Katar noch einmal erholt? Nach dem Spiel sichtlich mitgenommen ließ der Champions-League-Sieger seine Zukunft bei der brasilianischen Nationalmannschaft offen.

Macht Neymar in der Selecao Schluss?

„Es ist ein schlechter Moment, darüber zu sprechen“, sagte er nach dem 2:4 im Elfmeterschießen am Freitagabend: „Ich bin noch zu aufgewühlt. Jetzt davon zu sprechen, dass es mein Ende war, ist ein bisschen voreilig. Aber ich will auch nichts garantieren.“

Inzwischen veröffentlichte Neymar Chats mit seinen Teamkollegen, die auch die Tiefe der Enttäuschung zeigen.

Mangelnde Unterstützung aus der Heimat dürfte jedenfalls kein Grund für Neymar sein, das gelbe Trikot an den Nagel zu hängen: Neben der Beglückwünschung zum Tor-Rekord, ermutigte Pelé seinen Landsmann dazu, von einem frühzeitigen Rücktritt aus der Selecao abzusehen und dem erhofften sechsten WM-Titel bei der Endrunde in vier Jahren nachzujagen.

„Dein Vermächtnis ist noch lange nicht zu Ende. Inspirier uns weiter“, gab der Jahrhundertfußballer dem 30-Jährigen mit auf den Weg.

Auch aus den eigenen Reihen erfährt der zuletzt öffentlich kritisierte Offensivmann vollstes Vertrauen. So eilte sein ehemaliger Mannschaftskollege Dani Alves unmittelbar nach Neymars Zusammenbruch zu ihm und schaffte es letztendlich den niedergeschlagenen Superstar wieder aufzurichten.

Wie sich Neymar in Bezug auf seine weitere Karriere in der Nationalmannschaft entscheidet, bleibt vorerst abzuwarten.

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