Offener Brief an Kai Diekmann

"BILDnotwelcome": Fanprotest gegen BILD-Aktion

Die Fans des FC St. Pauli mit einer klaren Botschaft
Die Fans des FC St. Pauli mit einer klaren Botschaft

BILD-Chef Kai Diekmann unterstellt dem FC St. Pauli, kein Herz für Flüchtlinge zu haben. Ein Fan der Braun-Weißen antwortet ihm in einem persönlichen Brief.

Lieber Kai Diekmann,

zunächst mal ein großes Lob von meiner Seite. Es zeigt ja schließlich Größe, wenn man seine Meinung ändern kann. Ist doch schön, wenn Ihre BILD-Zeitung sich zur Solidarität entschließt, anstatt weiter Öl ins Feuer zu gießen und diejenigen mit Halbwahrheiten und Scheinargumenten zu versorgen, die vergessen haben, was eine menschliche Demokratie ausmacht. Chapeau also dafür. Nun ist es aber leider so, dass ein schneller Aufnäher noch keinen Frühling macht. Und so wichtig es ist, öffentlich klare Zeichen zu setzen, wie zum Beispiel beim Freundschaftsspiel zwischen St. Pauli und dem BVB geschehen, ist das doch keinesfalls ein adäquater Ersatz für eine praktische und langfristige Hilfe. Und eben auch nicht für einen ausgewogenen objektiven Journalismus.

Wenn dann ein Verein sich entschließt, bei dieser - wohlgemerkt freiwillgen - Aktion nicht dabei zu sein, weil es eben noch ein paar andere Prinzipien gibt, als die der schnellen Fähnlein im Wind, dann ist das sein gutes Recht. Da muss man doch nicht gleich so eingeschnappt sein. Dabei haben Sie doch schon bewiesen, dass die Ironie Ihrem Herzen nicht ganz fremd ist, als die "taz" das Wandgemälde... Naja, andere Geschichte. Jedenfalls scheinen Sie sich mit den Mechanismen der Fanszene im Allgemeinen und der des FC St. Pauli im Besonderen nicht besonders gut auszukennen.  

Das Gemeine an Twitter und überhaupt diesem ganzen Neuland ist ja, dass sich ganz schnell eine Eigendynamik entwickelt, die man vielleicht beim schnellen Tippen nicht ganz vorhergesehen hat. Das kann passieren, zwischen Newsroom und Bartpflege. Die Konsequenz ist dann eben der Shitstorm, den Sie sich gerade eingehandelt haben. Und ja längst nicht nur von uns Braun-Weißen. Selbst beim anderen Hamburger Stadtteilverein rümpfen die Supporter die Nase über diese PR-Ausschlachtung eines Themas, das gerade das ganze Land aufwühlt und bewegt und legen ihrem Verein nahe, ohne Aufnäher aufzulaufen. Und mit denen sind wir nun wahrlich nicht immer einer Meinung. Das zeigt zumindest, dass die Fans in Hamburg eben ein paar Meter weitergucken als nur bis zum nächsten Facebooklike. Und zum Glück nicht nur hier, sondern auch in anderen Kurven wird die Aktion als das erkannt, was sie ist: Eine Form des Whitewashings, die Fußballfans eben nicht mehr so einfach mit sich machen lassen.

Auch die IG „Unsere Kurve“ ruft mittlerweile zum Boykott der Aktion auf, nicht zuletzt wegen Ihrer beleidigten Reaktion auf die Ablehnung des FC St. Pauli. Denn einem Verein, der sich schon so lange sozial engagiert und dessen Fanszene nach wie vor zu den aktivsten und engagiertesten im Land zählt, vorzuwerfen, er habe „kein Herz für Flüchtlinge“, ist doch schon reichlich... grabbed out of the air, wie man im Silicon Valley sagt. Unser nagelneuer Geschäftsführer Andreas Rettig hat es seiner Funktion entsprechend sehr diplomatisch ausgedrückt, die Fanszene ist da ein wenig direkter: Wir entscheiden selbst, welche Zeichen wir setzen wollen und vor wessen Karren wir uns spannen lassen. Der BILD-Karren gehört nicht dazu.

Das ist ja das schöne aus dieser Geschichte, auch Sie als alter Medienhase können noch was dazulernen: Dieses verfluchte Internet, es hält in seinem Lauf, weder Ochs noch Diekmann auf. Eigentlich hätte man Ihnen das im Silikon Valley beibringen können. Aber kommen Sie doch ruhig mal vorbei, wenn am Samstag zur besten Anstoßzeit ein Wilkommensfest für die Refugees vor den Hamburger Messehallen veranstaltet wird. Und statt Kameras und Badges gerne was für den Grill mitbringen.

Mit freundlichen Grüßen, Ihr Moritz Piehler*

*Moritz Piehler ist freier Journalist aus Hamburg und steht seit zehn Jahren am MIllerntor in der Nordkurve