"Provokateur" Rummenigge: Was reitet den Bayern-Boss?

Karl-Heinz Rummenigge teilt in der Sommerpause verbal kräftig aus. Seine Aussagen erreichen in Schärfe und Schlagzahl eine neue Qualität. Was will er damit bezwecken?

Karl-Heinz Rummenigge ist seit 2002 Vorstandschef der FC Bayern München AG
Karl-Heinz Rummenigge ist seit 2002 Vorstandschef der FC Bayern München AG

Am Dienstag hatte Yahoo Sport geschrieben, dass Karl-Heinz Rummenigge den Druck auf Spieler und Trainer des FC Bayern München teils massiv erhöht. Der Titel in der Champions League ist das erklärte Ziel, lieber “früher als später”, wie Rummenigge es formuliert. Zudem erwartet der Vorstandsboss insbesondere von den deutschen WM-Versagern im Bayern-Kader eine Vollgas-Saison und mindestens 30 Bundesligatore von Robert Lewandowski, den er erneut für unverkäuflich erklärte, auch im Falle eines Angebots jenseits der 100-Millionen-Euro-Grenze.

Doch Rummenigge belässt es in diesen heißen Tagen nicht bei klaren Ansagen an die hauseigene Belegschaft. Der Bayern-Boss ist regelrecht on fire, nimmt in zahlreichen Interviews – salopp gesagt – alles und jeden, der irgendetwas mit Profi-Fußball zu tun hat, verbal auseinander.

Der DFB ein Amateurverein, Verbandschef Grindel völlig fehl am Platz, Mesut Özil und dessen Berater Märchenerzähler, die nationale Konkurrenz zu schwach, die ignoranten Verfechter der 50+1-Regel der Tod des deutschen Fußballs. Rummenigge bedient sich derzeit einem großen Reservoir und schießt beinahe täglich Giftpfeile in die Fußball-Welt hinaus.

Rummenigge übernimmt Abteilung Attacke

Rummenigge war in seiner Funktion als Vorstandsboss des FC Bayern noch nie um klare Worte verlegen. Doch die Abteilung Attacke vertrat bislang stets Uli Hoeneß, früher als Manager, später als Präsident. Während Hoeneß’ Zeit im Gefängnis war es bemerkenswert ruhig an der Säbener Straße.

Rummenigges Aussagen im Sommer 2018 haben eine neue Qualität. Es wird in erster Linie drauf gehauen und dabei auch nicht mit pikanten Details gespart. So verriet Rummenigge in der SportBild: “Mesut Özil war nie ein Spieler, mit dem wir uns auch nur zu einem Prozent beschäftigt haben. Nie. Wenn wir in London gespielt haben, hat Uli Hoeneß immer gesagt: ‘Hoffentlich spielt der heute.'”

Was bezweckt Rummenigge damit? Fühlt er sich als Heilsbringer des deutschen Fußballs, der glaubt, mit teils gehässigen und mitunter auch persönlich beleidigenden Attacken von der peinlichen WM-Vorstellung ablenken zu können?

Sorge um den deutschen Fußball

Fakt ist, dass sich Rummenigge seit Jahren um den deutschen Fußball sorgt. Immer wieder prangerte er den geringen Erlös von TV-Geldern in der Bundesliga an und verwies auf die daraus resultierende Chancenlosigkeit der deutschen Klubs in den europäischen Wettbewerben. Zudem forderte er die nationale Konkurrenz immer wieder auf, mehr Risiko zu gehen und mehr in Spieler zu investieren, um international zumindest einigermaßen mithalten zu können.

Das WM-Desaster hat Rummenigge nun dazu bewogen, Schlagzahl und Tonalität zu erhöhen. Der deutsche Fußball müsse endlich aufwachen, so die Botschaft. Es bleiben allerdings berechtigte Zweifel an der Wirksamkeit von Rummenigges Aussagen.

Er ist oberster Funktionär des FC Bayern München, gewiss Deutschlands Aushängeschild im Klubfußball, aber er ist eben “nur” Vereinsvertreter, der vor allem eigene Interessen verfolgt. Marketingtouren in die USA und China, fragwürdige Deals mit dem Flughafen Doha – der FC Bayern lechzt nach neuen Märkten und “vielen Euros”, wie Rummenigge das Geschäftsgebahren der Münchner gerne bezeichnet.

Zukunft: UEFA- oder FIFA-Boss?

Wenn Rummenigge wirklich etwas bewegen will im gesamtdeutschen Fußball, muss er die Seite wechseln. Dann müsste er eine verantwortungsvolle Position im DFB übernehmen. Doch davon ist er weit entfernt.

Aus Rummenigges persönlichem Umfeld ist zu hören, dass er sich eine hohe Funktionärskarriere auch außerhalb des FC Bayern durchaus vorstellen kann. Der DFB sei allerdings eine Nummer zu klein. UEFA- oder gar FIFA-Boss – das würde schon eher in Rummenigges Portfolio passen.

Der 62-Jährige pflegt beste Kontakte im internationalen Fußball. Rummenigge war nach der Gründung der European Club Association (ECA) 2008 neun Jahre deren Chairman, ehe er den Staffelstab weitergab. Die ehemaligen UEFA-Präsidenten Lennart Johansson und Michel Platini bezeichnet Rummenigge als seine “Freunde”, ebenso Real Madrids Präsident Florentino Perez oder Ex-Barca-Boss Joan Laporta.

Ist 2019 Schluss bei Bayern?

1984 verließ Rummenigge den FC Bayern als Spieler, 1992 kehrte er als Vizepräsident unter Boss Franz Beckenbauer zurück. Seit 2002 steht er an der Spitze des Vorstands der FC Bayern München AG. In dieser Zeit stieg der Umsatz der AG von 176 Millionen Euro 2002 auf 640 Millionen Euro 2017.

Rummenigges Vertrag läuft bis 31.12.2019, der Aufsichtsrat würde gerne verlängern. Doch schon bei der letzten Verlängerung 2016 soll Rummenigge im kleinen Kreis gesagt haben, dass er sich für andere Funktionärsaufgaben berufen fühlt.

Er genießt einen sehr guten Ruf im internationalen Fußball und würde offene Türen einrennen, sollte er eine zweite Funktionärskarriere bei UEFA oder FIFA anstreben.

Bis es soweit ist, wird Rummenigge weiterhin in erster Linie die Interessen des FC Bayern vertreten. Dafür ist ihm jedes Mittel Recht. Notfalls auch verbale Gewalt.