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Warum PSG Bayerns Angstgegner ist

Dass Endspiele auf neutralem Platz stattfinden, hat nicht nur seine Richtigkeit, sondern vielleicht auch sein Gutes. Aus Sicht des FC Bayern zumindest, denn dessen Bilanz gegen PSG hat so ihre Tücken.

Sowohl seine erste Heimspielniederlage als auch die erste Auswärtspleite in der Champions League verdankt der deutsche Rekordmeister den Franzosen. Das geschah in der Spielzeit 1994/95, als die Münchner erstmals an der zwei Jahre zuvor gegründeten Königsklasse teilnehmen durften.

Zur Premiere am 14. September 1994 mussten die Bayern zu Paris Saint-Germain und unterlagen mit 0:2. Seitdem ist die Bilanz gegen den Finalgegner von Samstag negativ. Aktuell stehen drei Bayern-Siegen fünf Niederlagen gegenüber, Unentschieden gab es nie und in Paris setzte es immer Pleiten für den FCB.

Bevor es am Sonntag im Finale der Champions League zum erneuten Aufeinandertreffen der beiden europäischen Schwergewichte kommt, gibt SPORT1 einen Rückblick auf die vergangene Duelle. (Champions League, Finale: Paris Saint-Germain - FC Bayern München, ab 21.00 Uhr im SPORT1-Liveticker)

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1994/95: Niederlagen für Trapattoni, aber späte Hilfe von PSG

Unter ihrem neuen Trainer Giovanni Trapattoni waren die Bayern holprig in die Saison gestartet, in Vestenbergsgreuth aus dem Pokal geflogen und beim SC Freiburg in der Liga 1:5 unter die Räder gekommen.

Erste Zweifel am Jugendwahn des "Misters", der auf die Talente Christian Nerlinger, Christian Ziege und Mehmet Scholl setzte, kamen auf. Trapattoni rief Paris zur Feuerprobe für seine Talente aus: "Hier können sie beweisen, ob sie auf dieser Ebene mithalten können."

Das interessierte auch den Bundestrainer. Berti Vogts war eigens in den Prinzenpark gekommen zur Beobachtung der Shootingstars im Bayern-Dress, die ihm medial schon in die Mannschaft gesungen wurden.

"Ich will sehen, wie sie sich international in einem Auswärtsspiel verhalten", erklärte der DFB-Coach vorher - und reiste enttäuscht wieder ab. Denn das Trio ging mit den Etablierten unter. Scholl schied verletzt aus, Nerlinger und Ziege bekamen schlechte Noten. Die Aufgabe war noch zu groß für sie.

PSG, damals noch kein Starensemble, ging durch den namhaftesten Spieler George Weah nach einer Ecke in Führung (41.), Bravo machte nach einem weiteren Standard den Sack zu (82.).

Mit Arsène Wenger saß noch ein hochdekorierter Trainer auf der Tribüne. Damals bei Monaco, hatte er gerade ein Bayern-Angebot abgelehnt, wollte sich aber die Mannschaft, die er nie trainieren durfte, wenigstens mal ansehen. Sein Fazit: "Die jungen Münchner Spieler verfügen für solche Spiele noch nicht über die nötige Reife. Paris St. Germain hatte mehr Power. Es war kein großes Spiel."

Auch vom Rückspiel sagte das niemand. Die von Luis Fernandes trainierten Gäste waren zwar schon qualifiziert für das Viertelfinale und schonten drei Stammkräfte, aber als Weah doch noch rein durfte, wurde er erneut zum Bayern-Schreck. Der Joker stach (79.), Bayern verlor vor 46.000 im Olympiastadion 0:1 und stand knapp vor dem Aus.

"Das war Fußballkunst gegen Arbeit", bemerkte der kicker, der "einen Klassenunterschied" zwischen dem deutschen und dem französischen Meister feststellen musste. Dass die Bayern es noch bis ins Halbfinale schafften, verdankten sie auch PSG, das Spartak Moskau 4:1 wegfegte. So waren die Erinnerungen an die ersten Begegnungen mit PSG von zwiespältiger Natur.

1997/98: Bayern feiert Kantersieg, aber Pleite in der Festung Paris

Drei Jahre später sah man sich in der Gruppenphase wieder. Auf der Bayern-Bank saß erneut Trapattoni, aber es war schon seine zweite Amtszeit nach einem Sabbatical 1995/96.

PSG war immer noch kein Starensemble, keiner aus dem Team von Trainer Ricardo Gomes verdiente sich das Prädikat Weltklasse. Bayerns Verteidiger Markus Babbel, schon 1994 dabei, prophezeite vor dem Hinspiel am 22. Oktober in München: "Das wird ein Riesenspiel, weil die Franzosen mitspielen und wir die Räume kriegen." Da sprach offenbar schon der spätere Trainer aus ihm, denn so kam es.

Am Ende leuchtete ein 5:1 von der Anzeigetafel des Olympiastadions – bis heute das torreichste Spiel und das höchste Ergebnis dieses Duells. Giovane Elber begann und beschloss den Torreigen (4., 73.), Carsten Jancker war ebenfalls ein Doppelschlag vergönnt (20., 47.) und gleich nach Simones Ehrentreffer (48.) schlug Abwehrchef Thomas Helmer zu (50.). Das Chancenverhältnis lautete 10:3 zugunsten der Münchner, die 45.000 Zuschauer wurden bestens unterhalten.

Mit frischer Zuversicht flogen die Bayern nach Paris, wo sie am 5. November mit einem 1:3 indes wieder ernüchtert wurden. Trapattoni hatte auf Enfant terrible Mario Basler verzichtet, der zuvor im Münchner Derby gegen Löwen-Trainer Werner Lorant tätlich geworden war. Er sollte einen Denkzettel bekommen. "Mario braucht die Show, aber manchmal übertreibt er ein bisschen", erklärte Präsident Franz Beckenbauer.

In Paris hätten die Bayern ihren Mario, der erst nach 71 Minuten kam und gleich eine Chance hatte, gebraucht. In einer offenen Partie gewann die Elf, die ihre Chancen besser nutzte.

PSG bekam dabei Münchner Schützenhilfe, denn beim Stand von 1:1 unterlief Michael Tarnat ein Eigentor (72.), kurz darauf entschied Joker Leroy die Partie (75.). Vor der Pause hatten Gava (18.) und Babbel (29.) getroffen. Die Niederlage verzögerte Bayerns Einzug ins Viertelfinale, verhindern konnte sie sie nicht. Aber Paris blieb eine uneinnehmbare Festung.

2000/01: "Krümeltor" und Salihamidzic Treffer

Das schien sich am 26. September 2000 zu ändern, als 42.009 Zuschauer bis in die vierte Minute der Nachspielzeit vergeblich auf Tore warteten. Der erste Münchner Punkt im Prinzenpark war zum Greifen nahe.

PSG hatte eine fast völlig neue Mannschaft, von 1997 gab es nur drei "Überlebende". Aber einer von ihnen hatte das Zeug zum Bayern-Schreck: wie drei Jahre zuvor stach Joker Leroy, diesmal in allerletzter Sekunde. Sein "Krümeltor" (Manager Uli Hoeneß) schickte die Bayern zum dritten Mal in Paris auf die Verliererstraße.

Diesmal hatten sie es weniger denn je verdient, "wir hätten nur die hundertprozentigen Chancen nutzen müssen", moserte Hoeneß in Richtung Carsten Jancker und Scholl, dem er vorwarf, er habe unbedingt "ein Kunsttor schießen" wollen. Vize-Präsident Rummenigge bedauerte den "Betriebsunfall" und Trainer Ottmar Hitzfeld sah "in den kommenden Wochen sehr viel Druck" auf die Bayern zukommen.

Torwart Oliver Kahn, der überragende Mann des Abends, ließ schon in Paris Druck ab und schimpfte über Mitspieler, denen die Niederlage nichts ausmache. Jedenfalls nicht so viel wie ihm. Wer gemeinsam verliere, möge auch gemeinsam sauer sein. Für das Rückspiel machte er sich trotzdem keine Sorgen, "schließlich ist Paris in der Abwehr verwundbar." Er prophezeite einen 2:0 oder 3:1-Sieg.

Das Rückspiel fiel in eine der größten Krisen des deutschen Fußballs, die Bayern steckten mittendrin. Uli Hoeneß hatte die "Daum-Affäre" ins Rollen gebracht. Eine Schlammschlacht tobte zwischen Leverkusen und München und den jeweiligen Anhängern.

Hoeneß hatte Daum zwar keinen Kokain-Konsum unterstellt, aber für den Fall dass dem so wäre, seine Eignung als Bundestrainer angezweifelt. Daum veranlasste eine Haarprobe und die sollte ihn zwei Tage nach dem Rückspiel der Bayern gegen Paris zu Fall bringen. Noch war es nicht so weit und Hoeneß stand wegen vermeintlich unberechtigter Vorwürfe gegen den Trainer des Titelkonkurrenten am Pranger.

Das ließ die Elf nicht unberührt, gerade hatte sie bei Aufsteiger Cottbus 0:1 verloren. Hitzfeld war alarmiert, verkürzte die Freizeit vor dem Spiel um einen halben Tag und sezierte per Video das Hinspiel von Paris in aller Ausführlichkeit. Außerdem baute er auf drei Positionen um, nahm unter anderem den heutigen Sportdirektor Hasan Salihamidzic in die Elf.

Das lohnte sich schon nach drei Minuten, als "Brazzo" Scholls Vorlage zum 1:0 eindrückte. 33.000 im halbleeren Olympia-Stadion mussten bis zuletzt um den Sieg zittern, den schließlich Joker Paulo Sergio sicherte. Dann war Schluss und Kahn plötzlich ein Prophet!

Dass diese Bayern sogar die Champions League gewinnen würden, ahnte aber auch er nicht im turbulenten Herbst 2000.

2017/18: Ancelottis letzter Arbeitstag

17 Jahre gingen sich die Klubs aus dem Weg und als sie sich in der Gruppenphase wiedersahen, war vieles anders. Beide waren mittlerweile Serienmeister in ihren Ländern, Bayern hatte fünf Titel in Folge angesammelt, PSG nach vier eine Kunstpause eingelegt.

Dennoch waren die Pariser Frankreichs Übermannschaft, mittlerweile waren die Katari eingestiegen und der Präsident hieß Nasser Al-Khelafi. Rummenigge sagte: "Es ist ein Aufeinandertreffen der Kulturen. Auf der einen Seite ein neureicher Verein – und wir, der altreiche. Druck hat vor allem PSG. Wer so viel Geld in die Hand nimmt, muss die Champions League gewinnen."

Es wimmelte vor Stars im Kader, Neymar und Kylian Mbappé waren die jüngsten Erwerbungen. Auch Bayern hatte natürlich seine Superstars, doch Trainer Carlo Ancelotti wollte sie aus irgendeinem bis heute mysteriösen Grund am 27. September verstecken.

Arjen Robben, Franck Ribéry und Mats Hummels saßen auf der Bank, Jérôme Boateng gar auf der Tribüne. Lieber versuchte er es in der Innenverteidigung mit Javi Martínez und Jungspund Niklas Süle. Oliver Kahn, nunmehr ZDF-Experte, gab wieder den Propheten: "Wenn das schiefgeht, gibt’s richtig Theater."

Es ging so schief wie lange nicht, Dani Alves ließ das ausverkaufte Stadion schon nach zwei Minuten erbeben und Cavani erhöhte nach 31 auf 2:0. Zur zweiten Häfte brachte Ancelotti beinahe trotzig Sebastian Rudy und Kingsley Coman, so als wäre internationale Erfahrung ein Makel. Die Folge? "

Das Prestige-Spiel" (Rummenigge) nahm ein böses Ende, Neymars 3:0 (63.) war der endgültige Genickschuss. Dass die Bayern 62,5 Prozent Ballbesitz und 18:1 (!) Ecken hatten, dokumentierte nur ihre Hilflosigkeit an diesem schwarzen Tag.

Der nächste war zugleich auch der letzte des Carlo Ancelotti als Bayern-Coach. Der Italiener war der erste FCB-Trainer, der während des Oktoberfests entlassen wurde. Hoeneß bemühte keineswegs die hohe Diplomatie, als er die Tat begründete: "Du kannst als Trainer nicht deine prominentesten Spieler als Gegner haben. Ich habe in meinem Leben einen Spruch kennengelernt: Der Feind in deinem Bett ist der gefährlichste. Deswegen mussten wir handeln."

Und sie handelten richtig, indem sie den ewigen Retter zurückholten: Jupp Heynckes kam zum vierten Mal an die Säbener Straße und durfte im Rückspiel die Reputation der Bayern wieder herstellen.

Er kam nicht auf die Idee, ausgerechnet den Franzosen Ribery draußen zu lassen, beförderte ihn vielmehr in Manuel Neuers Abwesenheit zum Kapitän.

Das erste Duell in der Allianz Arena ging an jenem 5. Dezember 2017 tatsächlich an die Münchner (3:1) und ein Mann stand im Fokus, der bisher nur in der Einkaufsliste einen Spitzenplatz hatte: Corretin Tolisso, bis dahin mit 41,5 Millionen Euro teuerster Transfer der Bundesligageschichte, deutete an, dass er sein Geld doch wert sein könnte. Gegen seine Landsleute erzielte er gleich zwei Tore, das 2:0 per Kopf (37.) und das entscheidende 3:1 (69.) mit rechts.

Die anderen Treffer markierten die Torjäger vom Dienst: Robert Lewandoski zum 1:0 (9.), Mbappé zum 2:1 (50.). Damit stellte der Franzose einen Rekord auf, keiner war bei seinem zehnten Champions League-Tor jünger (18 Jahre, elf Monate, 15 Tage).

Für den Scheich auf dem Präsidentenstuhl kein Trost: "Wir sind hierhergekommen um zu gewinnen. Aber wir haben nicht unser Niveau, unsere Qualität gezeigt. Wir müssen uns steigern, wenn wir weit kommen wollen." Über das Viertelfinale kam die Millionentruppe aber nicht mehr hinaus - bis jetzt. Nur einer steht dem großen Traum von PSG noch entgegen - die Bayern.