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Warum Rüpel Kyrgios trotzdem alle lieben

Warum Rüpel Kyrgios trotzdem alle lieben

Manchmal scheint Nick Kyrgios wohl selbst nicht ganz genau zu wissen, was ihn da reitet: Sowohl sportlich als auch dadurch, was ihn sonst so immer einen Schlagzeilen-Wirbel produzieren lässt.

Da stand der Tennis-Profi einmal mehr mit dem Rücken zur Wand, dieses Mal in der zweiten Runde bei den Australian Open. (Australian Open 2021 von 8. bis 21. Februar im LIVETICKER)

Der exzentrischen Lokalmatador, jenseits des fünften Kontinents eher als Flegel verschrien, hatte im Duell mit dem Franzosen Ugo Humbert beim Stand von 4:5 im vierten Satz bereits zwei Matchbälle gegen sich - um dann doch noch die Wende zum 5:7, 6:4, 3:6, 7:6 (2), 6:4 zu schaffen.

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"Ehrlich gesagt war alles, woran ich dachte, die ganze Scheiße, die ich bewältigen müsste, wenn ich dieses Match verlieren würde", sagte Kyrgios hinterher, noch immer aufgestachelt von den Fans, die ihn in der Heimat so umjubeln.

Derselbe Kyrgios, der oft spaltet und polarisiert, dabei immer wieder für einen Rüpel-Auftritt oder Eklat gut ist, fügte nun hinzu: "Das war einer der verrücktesten Auftriitte von mir."

Was etwas heißen will für jemanden, der auf dem Platz auch schon mal einen Stuhl herumschleudert wie 2019 beim Turnier in Rom.

Kyrgios: Pöbeleien und Schlägerwurf

Dabei hatte der 26-Jährige aus Canberra neben aller Genialität in seinem spielerischen Repertoire auch in Melbourne einmal mehr wieder zig grenzwertige Momente.

Gegen Humbert legte sich Kyrgios mehrfach mit Schiedsrichterin Marijana Veljovic an, um mit ihr beispielsweise über den Netzsensor zu diskutieren ("Schalt' die Maschine aus, sonst spiele ich nicht weiter!"), zertrümmerte abermals einen seiner Schläger.

Wie schon beim Vorbereitungsturniers auf die Australian Open gegen Borna Coric, wobei er sein Racket da auch gleich noch mit einem Wurf über die Zuschauertribüne aus dem Stadion warf.

Wenige Tage zuvor wiederum hatte das Enfant Terrible einen Fehltritt begangen, als er sich mit einem Schiedsrichter angelegt und seinen Schweiß an den Bällen abgewischt hatte.

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"Mad Nick" bepöbelt auch eigene Box

Und auch in Melbourne, beim Erstundenerfolg gegen den Portugiesen Frederico Ferreira Silva, waren Kyrgios die Sicherungen durchgebrannt, woraufhin er gegen die eigene Gefolgschaft pöbelte. (NEWS: Alles zum Tennis)

"Sag deiner Freundin, sie soll aus meiner Box verschwinden", rief der 25-Jährige seinem Bruder Christos zu. Gemeint war dessen Lebensgefährtin Alicia Gowans, selbst Sportlerin und dreimalige WBBF-Weltmeisterin, was für "World Beauty Fitness and Fashion" steht, durch deren Zwischenruf sich "Mad Nick" gestört fühlte.

Symbiose mit den Fans - wie einst Boris Becker

"Diese ganzen Emotionen, die da im Spiel sind, die lasse ich an den Leuten aus, bei denen ich weiß, dass sie immer hinter mir stehen", lautete hinterher die für einen Nicht-Australier leicht bizarr klingende Begründung der Nummer 47 der Weltrangliste. (SERVICE: die ATP-Weltrangliste)

Doch zumindest von seinen Landsleuten nimmt Kyrgios all die Theatralik aus Flüchen, Obszönitäten, Drohungen, Punktabzügen für unsportliches Verhalten und Ausrastern niemand wirklich krumm.

Im Gegenteil: Sie lieben ihn dafür, es ist wie ein Gütesiegel: Wo Kyrgios draufsteht, ist eben auch Kyrgios drin - Entertainment und großes Tennis inklusive, wenn sich der Local Hero aus seinen emotionalen Tälern zurückkämpft.

Es ist ein bisschen wie einst bei Boris Becker und den deutschen Tennis-Fans - eine Herzensangelegenheit und Symbiose, die nur das von ihm faszinierte Heim-Publikum und den Bad Boy selbst, gesegnet zudem mit schauspielerischem Talent und sozialem Engagement, betrifft. (SERVICE: der ATP-Turnierkalender)

Und für die Berichterstattung der Medien ist Kyrgios eh ein gefundenes Fressen, ohne ihn wäre deutlich weniger los. Ein Typ eben, mit dem man sich gern identifizieren mag, fernab von roboterartiger Beherrschtheit und glattgezogener Rhetorik.

Dauerfehde mit Novak Djokovic

Das preist die Verbalduelle auch mit den Stars der Szene mit ein, gerade was die Dauerfehde zwischen Kyrgios und Novak Djokovic betrifft. Der hatte kürzlich erst erklärt, den Australier zwar als Spieler zu respektieren, jedoch nicht für dessen Aktionen abseits des Platzes.

"Er ist ein sehr komischer Typ", konterte Kyrgios und meinte, von dem Weltranglisten-Ersten eh keine Ratschläge annehmen zu wollen. "Ich habe während der Pandemie Essen für hilfsbedürftige Menschen ausgeliefert. Ich habe sehr auf mein Verhalten geachtet. Ich wollte den Virus nicht verbreiten."

Überhaupt Corona: Wegen der Pandemie hatte sich Kyrgios selbst ein Sabbatical auferlegt und vor den Australian Open sein letztes Match vor ziemlich genau einem Jahr absolviert. Ganz anders Djokovic, der mit Adria Tour und Co. mehrfach für Aufsehen sorgte.

So stichelte Kygrios im Januar unter in einem Post, der den Djoker während seiner Quaratäne in Adelaide in einem Bus ohne Maske zeigte und kommentiert, der Serbe sei ein Egoist.

Auf Egoist Kyrgios dagegen freut sich die australische Nation schon jetzt wieder - wenn er nun im heißen Duell mit Dominic Thiem (Fr., 9 Uhr) die womöglich nächste Show abliefert.