Rauswurf droht: Warum Naomi Osaka dennoch die Presse boykottiert

Auf Französisch nennt man so etwas "lancer un pavé dans la mare", einen Pflasterstein in die Schlammpfütze werfen. Genau das hat Tennis-Superstar und Vorzeigespielerin Naomi Osaka beim French Open in Paris gewagt, also quasi dem heiligen Gral der Tenniswelt. Und es spritzt gewaltig.

Die Nummer 2 der Weltrangliste verkündete vor Beginn des Turniers auf Instagram, sie werde nicht mehr an den Presseterminen teilnehmen. Sie wolle damit auf die mentalen Anstrengungen hinweisen, denen die Tennisprofis in ihren vielen Pressekonferenzen ausgesetzt seien.

Organisatoren drohen mit Turnier-Ausschluss

Ein Affront, der zunächst zu einer Geldstrafe von 15.000 US-Dollar führte, wie der französische Tennisverband FFT mitteilte. Sollte die viermalige Grand-Slam-Turnier-Siegerin weiterhin die Medien boykottieren, drohen weitere, deutlich härtere Sanktionen. Auch ein Ausschluss von den French Open und eine Sperre bei folgenden Grand Slams wurden ausdrücklich nicht ausgeschlossen. Der Präsident des Tennisverbands Gilles Moretton sprach von einem "monumentalen Fehler".

Naomi Osakas Reaktion? Sie hoffe, dass das Bußgeld einer Wohltätigkeitsorganisation für psychische Gesundheit zugutekommen werde.

"Mach Presse oder du wirst bestraft"

In ihrem Statement auf Instagram erklärte die 23-Jährige, sie habe schon viele Interviews von Sportlern gesehen, die nach einer Niederlage im Presseraum zusammenbrachen.

"Wir sitzen oft da und bekommen Fragen gestellt, die uns schon mehrfach gestellt wurden, oder Fragen, die Zweifel in uns wecken, und ich werde mich einfach nicht Leuten aussetzen, die an mir zweifeln."

Der Verzicht auf Pressetermine sei nichts Persönliches gegen Journalisten, so Osaka. Zu den meisten von ihnen habe sie ein freundschaftliches Verhältnis.

"Aber wenn die Organisatoren denken, dass sie einfach weiter sagen können, 'mach Presse oder du wirst bestraft' und weiterhin die mentale Gesundheit der Athleten ignorieren, die das Herzstück ihrer Zusammenarbeit sind, dann muss ich einfach lachen."

Pressearbeit ist "Teil des Jobs"

Nicht unbedingt zum Lachen ist der Tenniswelt nach Osakas Presseverweigerung zumute. Ohne die Medien "wären wir wahrscheinlich nicht die Sportler, die wir heute sind", sagte Paris-Rekordchampion Rafael Nadal im Vorfeld des Turniers. Die Weltranglistenerste Ashleigh Barty betonte, für sie sei die Pressearbeit "Teil des Jobs".

Tennis-As Venus Williams hingegen lobte Osakas Post auf Instagram und kommentierte: "Mädchen, mach es. Es ist dein Leben!"

Unterstützende Kommentare zuhauf gab es vom Rest der Welt auf Instagram, unter anderem von der amerikanischen Golferin Michelle Wie West, der Künstlerin Nicki Minaj und der Dichterin Amanda Gorman.

Die Presse reagiert verständlicherweise mit gemischten Gefühlen auf Naomis Osakas Pflasterstein in der Schlammpfütze.

Mit einem geschätzten Jahreseinkommen von 37 Millionen Dollar könne sich die bestbezahlte Sportlerin der Welt Eskapaden leisten, schreibt das australische Nachrichtenportal PedestrianTV. Ob sich das weniger bekannte Athleten herausnehmen könnten, sei fraglich.

Naomi ist nicht die Erste

Im Tennis sind Topstars dazu verpflichtet, nach jedem Spiel zur Pressekonferenz zu erscheinen. Anders als im Fußball, wo sich Superstars wie Lionel Messi oder Cristiano Ronaldo auch einmal wortlos davon schleichen können, wenn ihnen nicht nach reden zumute ist, müssen Osaka, Nadal und Co. zu den Medienrunden erscheinen - sonst gibt es eine Geldstrafe.

So ziemlich jeder Top-Profi hat eine solche Geldbuße auch schon mal in Kauf genommen, wenn er nach einer bitteren Niederlage keine Lust auf die Fragerunde hatte.

Als Novak Djokovic im vergangenen Jahr bei den US Open disqualifiziert wurde, weil er eine Linienrichterin ohne Absicht mit einem Ball abgeschossen hatte, rauschte er sofort davon. Die 7500 Dollar Strafe nahm er ohne mit der Wimper zu zucken hin.