Vom RTL-Sternchen zum WM-Helden

In der Kabine der US-Handballer flossen Tränen über den Moment, denen ihn nun niemand mehr nehmen kann.

Seit 1964 hatte sich die sonst so erfolgsverwöhnte Sportnation an einem Sieg bei einer Endrunde versucht. Doch alle Partien bei ihren sechs WM-Teilnahmen gingen verloren - bis Freitag. Im 26. Anlauf bannte der Handball-Zwerg mit dem 28:27 (12:12) gegen Marokko in Jönköping endlich seinen Fluch. (NEWS: Alles zur Handball-WM)

Das Märchen schrieb eine bunte Truppe aus Amateurspielern, viele von ihnen aktuell oder früher in Deutschland aktiv. Unter ihnen sind Ty Reed, früher Football-Quarterback am College und in der zweiten Mannschaft der SG Flensburg-Handewitt. Oder auch Drew Donlin, im Hauptberuf Raumfahrtoffizier bei der US Space Force, ehemals bei Bayer Dormagen - wo bis heute auch die deutsch-amerikanischen Brüder Ian und Patrick Hüter aktiv sind.

„Alle lagen sich in den Armen, es war hochemotional. Wir haben Geschichte geschrieben, das ist ganz groß“, berichtete Gary Hines - der bunteste Vogel von allen.

Gregory Hines war bei „Ninja Warrior“ und „Take me out“

Der 38 Jahre alte Rechtshänder geht bei der SG Langenfeld auf Torejagd - in Liga vier. Seit vielen Jahren pendelt er durch Deutschlands untere Spielklassen, war 2009/10 Top-Torjäger der Regionalliga Bayern für die DJK Waldbüttelbrunn in Unterfranken, spielte später auch für die HSC Bad Neustadt in Unterfranken und den HSV Solingen-Gräfrath.

Trotzdem kennen ihn Menschen in ganz Deutschland - als mehrmaligen Kandidaten der RTL-Show Ninja Warrior mit Frank Buschmann. Auch als Kandidat bei der Dating-Show „Take me out“ mit Ralf Schmitz und der amerikanischen Ninja-Warrior-Variante stand das extrovertierte Muskelpaket schon vor der TV-Kamera.

Nun ist er Teil eines Handball-Märchens, das umso schöner ist, weil „Team USA“ vor zwei Jahren noch Mittelpunkt eines großen Dramas war.

Rückraumspieler Hines war dabei, als die USA 2021 nach 20 Jahren ihr lang ersehntes WM-Comeback feiern wollten. Vor dem Abflug nach Ägypten musste der Verband wegen zu vieler Coronafälle aber die Teilnahme absagen. „Fast alle waren infiziert“, erinnert sich Hines. Allein die Reise nach Schweden war für das Team daher schon ein emotionaler Höhepunkt.

Wegen der vielen Connections nach Deutschland freuen sich auch hierzulande viele in der Handball-Szene mit - unter anderem auch DHB-Kapitän Johannes Golla.

Auch DHB-Kapitän Golla freut sich mit

„Es freut mich für jeden einzelnen dort“, sagte Golla am Samstag auf SPORT1-Nachfrage. Er hat persönliche Bande zu Ian Hüter, mit dem er einst im deutschen Juniorenbereich gemeinsame Lehrgänge hatte - und auch zu Nicolas Robinson, mit dessen Bruder er in der Vereinsjugend gespielt hatte.

Das amerikanische Märchen ist womöglich auch noch nicht zu Ende. Durch den Erfolg gegen die Nordafrikaner besitzt der Außenseiter, der wegen der Olympischen Sommerspiele 2028 in Los Angeles sein Ticket für die beiden kommenden Weltmeisterschaften per Wildcard bereits sicher hat, nun gute Chancen auf den Einzug in die Hauptrunde. Drei Teams pro Vorrundengruppe kommen weiter.

Selbst bei Niederlagen gegen die favorisierten weiteren Vorrundengegner Kroatien und Ägypten dürfte es reichen. Doch Hines glaubt sogar an weitere Siege. „Die nächsten zwei Spiele werden noch härter“, sagte der Nationalspieler vor dem Duell mit dem kroatischen Stars um Domagoj Duvnjak am Sonntag (20.30 Uhr): „Das wird ein Fight - von der ersten Minute bis zur letzten Minute. Wir glauben, dass wir eine Chance haben, das Spiel zu gewinnen.“

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Mit Sportinformationsdienst (SID)