Russell erklärt Wiederauferstehung

Und plötzlich steht ein Mercedes wieder in Startreihe eins.

George Russell kann im Qualifying zum Großen Preis von Australien über Platz zwei jubeln. Nur zwei Wochen nach der tiefen Krise der ersten zwei Saisonrennen scheinen sie schwarzen Silberpfeile wieder konkurrenzfähig.

„Schon witzig, wie sich die Wahrnehmung verschiebt“, sagt Russell. „Noch vor kurzem hätte ich mir nicht träumen lassen, mein Auto in die erste Startreihe zu stellen, und nun wurmt es mir schon fast ein wenig, dass ich so knapp die Pole von Max verpasst habe.“ Knapp zwei Zehntelsekunden fehlten auf die Bestzeit des Red Bull.

Doch die plötzliche Wiederauferstehung des ehemaligen Dauersieger-Teams kommt auch für den Briten unerwartet: „Ganz ehrlich, auch ich bin überrascht. Ich kann mir das nur durch zwei Gründe erklären. Erstens lernen wir unser Auto immer besser kennen und machen daher auch ohne neue Teile Fortschritte. Und zweitens haben wir es geschafft, die Reifen zum Arbeiten zu bringen.“

Das löse aber nicht das Grundproblem. Noch nicht jedenfalls. Russell: „Wir hatten in diesem Jahr Trainings, da lagen wir um eine Sekunde hinten, jetzt ist es auf einmal nur eine Viertelsekunde, scheinbar aus dem Nichts. Das alles ändert aber nichts daran, dass es dem Wagen weiterhin an Abtrieb mangelt.“

Alonso nicht überrascht von Mercedes-Pace

Und weiter: „Aber wenn eine Leistung so wie heute möglich ist und ich daran denke, welche Verbesserungen alle aufgegleist sind, dann dürfen wir uns alle auf den weiteren Verlauf der Saison freuen.“

Für die Konkurrenz eine logische Entwicklung. „Ich bin nicht über ihre Pace überrascht“, sagt Aston Martin-Star Fernando Alonso als Vierter. „Sie waren schon in Jeddah sehr schnell, hier auch im zweiten Training. Wenn man ihre Kommentare manchmal so liest, könnte man denken, dass ihr Auto es nicht mal in Q3 schafft. Das ist aber sicher nicht dieses Auto.“

Auch Ferrari-Pilot Carlos Sainz betont: „Sie sind viel schneller als die Leute denken, vor allem im Rennen. In Jeddah hatten George und Lewis eine Pace, die sehr ähnlich zu Fernandos war. Sie haben Vollgas gegeben und wir (Ferrari; d. Red.) konnten nicht mit ihnen mithalten. Ihr Auto ist schnell. Natürlich nicht so schnell wie der Red Bull, das ist niemand. Aber gerade wenn sie ihr Qualifying hinkriegen, haben sie eigentlich ein ziemlich starkes Paket.“

Auffällig auch: Alle Mercedes-angetriebenen Autos waren auf dem ultraschnellen Stadtkurs flott unterwegs. In den Top Ten sind allein fünf Rennwagen mit einem Motor aus Brixworth im Heck.

Nur einer scheint nicht ganz zufrieden. Lewis Hamilton verlor auf Rang drei nun schon zum dritten Mal in Folge das Qualifyingduell gegen George Russell. Der siebenmalige Weltmeister klagt: „Es war sehr schwierig, die Reifen hier zum Arbeiten zu bringen.“

Hülkenberg bremst Hamilton aus

In der genaueren Analyse gab er preis: „Zu Beginn meiner zweiten schnellen Runde wurde ich von Nico Hülkenberg aufgehalten, ich fand es verwirrend, was er da vor mir treibt. Das war natürlich nicht die beste Art und Weise, in eine schnelle Runde zu gehen. Aber böse bin ich ihm deswegen nicht. So etwas kann in einer Quali schon mal passieren.“

Während Mercedes‘ Superstar die wiedergefundene Stärke also kaum genießen kann, zeigt sich Russell angriffslustig.

Wir werden voll attackieren“, kündigt er an. „Da ich weiß, dass Max im Grand Prix einen höheren Rhythmus anschlagen kann, ist meine beste Chance der Start. Überholen ist hier nicht so einfach, also könnte ich Verstappen gleich mal ein wenig ärgern, indem ich in Führung gehe.“

Doch auch er weiß vor dem Leistungspotenzial des übermächtigen Niederländers: „Sein Auto hat einen atemberaubende Top-Speed, ich würde ihn wohl auf Dauer nicht halten können, aber ich packe jede Gelegenheit, die sich mir bietet.“