Der Russenknall zum Auftakt: Jetzt ist es eine WM

SPORT1-Chefreporter Florian Plettenberg war live beim Auftaktspiel dabei

Mit dem Ball aus dem All gabs den ersten Russenknall – und für SPORT1 war ich dabei, als Russland Geschichte geschrieben hat.

Denn ein 5:0 zum Auftakt einer WM gab es seit dem ersten offiziellen Eröffnungsspiel 1966 noch nie - schon gar nicht mit einem Spielball, der zuvor mit drei Kosmonauten auf einem Kurztrip im Weltall war.

Habe ich so ein deutliches Ergebnis erwartet? Nein.

Habe ich so eine Stimmung im Stadion erwartet? Auch nicht.

Zum Einen, weil die überalterte Russen-Mannschaft seit zuletzt sieben Spielen sieglos war und selbst Präsident Wladimir Putin feststellte, dass sein Land seit geraumer Zeit keinen guten Fußball spiele.

Zum anderen, weil ich seit meiner Ankunft in Russland am vergangenen Montag noch kein wirkliches WM-Fieber in und um Moskau erlebt habe. Die Stimmung war bislang eher nicht vorhanden bis miserabel.

Vatutinki: Einöde, keine Fahnen, kein Gesang

Vielleicht mag diese Wahrnehmung aber auch daran liegen, dass wir uns durch die Berichterstattung über die deutsche Nationalmannschaft überwiegend in Vatutinki aufhalten.

35 Kilometer vor den Toren Moskaus hielt die WM-Euphorie im eigenen Land bislang keinen Einzug.

Dort herrscht Einöde, es wehen keine Fahnen an den zahlreichen Autos der überfüllten Straßen, es gibt dort keinen Gesang, keine Fanscharen.

Umso erstaunter war ich, als ich am Donnerstag die Stimmung im mit 78.011 befüllten Luschniki-Stadion erlebt habe.

Hauptverantwortlich war dafür jedoch nicht Stargast Robbie Williams, der auf der Eröffnungsfeier seine Evergreens zum Besten gab. Es waren die russischen Anhänger, die ihr Team sprichwörtlich nach vorne peitschten.

Gänsehaut bei der Nationalhymne

Als die Nationalhyme der "Sbornaja" vor Anpfiff erklang, hatte ich erstmals Gänsehaut und das Gefühl: Jetzt ist es eine WM. Jetzt haben die Russen verstanden, dass sie als Gastgeber der Türöffner sind und sie den Stimmungs-Kurs mitbestimmen, den hunderttausende angereiste Fans und die Millionen Zuschauer vor den Bildschirmen mit annehmen werden.

Um mich herum sangen tausende stolze Russen ihre Hymne mit, selbst die jungen Volunteers verließen ihre Posten und stimmten erfreut mit ein. Der Jubel, die Freude und der Stolz währten aber nicht nur vorübergehend, sie hielten fast das gesamte Spiel an.

Dann der Anpfiff, die frühe Führung, die erste Laola-Welle durchs Stadion - mindestens fünf weitere sollten folgen.

Es schien, als glaubten die Russen selbst nicht, dass ihre Mannschaft noch vier Tore nachlegen könnte, obwohl sich sogar Leistungsträger Dsagojew bereits nach 24 Minuten schwer verletzte.

Die Fans euphorisierten sich einfach selbst und ließen sich von der Tor-Gala ihrer Elf anstecken. Auch mexikanische und peruanische Fans neben mir wurden von den fünf Russen-Knallern in WM-Euphorie versetzt und feierten mit den Gastgebern. Sie sangen mit, machten Selfies und zelebrierten den WM-Auftakt.

Dennoch: keine Ekstase nach dem Spiel

Wer jedoch nach Abpfiff einen Ausnahmezustand rund um das Luschniki-Stadion erwartete, wurde enttäuscht. Klar, die russischen Fans waren glücklich und hatten dieses Ergebnis selbst nicht erwartet - von einer Ekstase jedoch waren sie noch weit entfernt.

Es gab Gesänge, es herrschte eine gute, friedliche Stimmung aber man hatte nicht das Gefühl, dass der Gastgeber die Saudis mit 5:0 aus dem Stadion geschossen hatte.

Vielmehr war eine Erleichterung darüber zu spüren, die erste WM-Hürde erfolgreich genommen zu haben. Zahlreiche Fans bestätigten genau diese Erleichterung in unser SPORT1-Mikro.