Werbung

"Er sah aus wie der Tod": Schweinsteigers schwerster Moment

In der Amazon-Doku über Bastian Schweinsteiger geht es auch um das "Finale dahoam". Es ist die größte Niederlage für Schweinsteiger bei den Bayern.

Bittere Nacht für Bastian Schweinsteiger: Die Niederlage im Finale Dahoam. (Bild: Reuters)
Bittere Nacht für Bastian Schweinsteiger: Die Niederlage im Finale Dahoam. (Bild: Reuters)

Der 19. Mai 2012 sollte der größte Tag in der Geschichte des FC Bayern und damit auch in der Karriere von Bastian Schweinsteiger werden.

Bei schönstem Frühsommerwetter wollten sich Schweinsteiger und Co. am Abend in der heimischen Allianz-Arena die europäische Krone aufsetzen.

Der Traum vom "Finale dahoam", einst von Uli Hoeneß mit den legendären Worten "Da müssen wir dabei sein" befeuert, war nach einem dramatischen Halbfinale gegen Real Madrid Wirklichkeit geworden.

Mit dem FC Chelsea wartete ein auf dem Papier machbarer Gegner, sodass einige Fans insgeheim bereits von der Siegesfeier danach träumten.

Psychotrick! Niederlechner erklärt Elfer-Fehlschuss

David Luiz kündigte Schweinsteiger Drogba-Tor an

Das Spiel untermauerte diese Erwartungen von Anfang an, es spielten nur die Bayern - angetrieben von einem aufopferungsvoll kämpfenden Schweinsteiger.

Chance um Chance rollte auf das Chelsea-Gehäuse zu, doch der Ball wollte nicht über die Linie. Erst in der 83. Minute erlöste Thomas Müller den Bayern-Anhang als er zum 1:0 einnickte. Freudentaumel auf dem Platz und auf der Tribüne, zumindest bei allen die zum FC Bayern hielten.

Doch dann kam die 88. Minute und die Blues hatten die erste Ecke im Verlauf der Partie. Stürmer Didier Drogba stieg hoch und wuchtete den Ball per Kopf ins Tor. "David Luiz kam in den Strafraum vor der Ecke und sagte: 'And now: Goal!'" erinnerte sich Schweinsteiger in der Amazon-Doku "Schweinsteiger: Memories - Von Anfang bis Legende" an den verhängnisvollen Moment, der die Partie in die Verlängerung brachte.

Dort hatten die Münchner in der dritten Minute per Elfmeter die Chance, erneut in Führung zu gehen. Arjen Robben, der wenige Wochen zuvor gegen Dortmunds Torhüter Roman Weidenfeller bereits einen wichtigen Elfmeter verschossen hatte, trat an.

Sie stachen ins bayerische Herz: David Luiz (oben) und Didier Drogba (r.). (Bild: Reuters)
Sie stachen ins bayerische Herz: David Luiz (oben) und Didier Drogba (r.). (Bild: Reuters)

Elfmeterschießen 2012? "Fast alle verpisst"

Schweinsteiger wollte nicht hinsehen und kauerte vor Torhüter Manuel Neuer. Die Enttäuschung stand ihm ins Gesicht geschrieben, als er sich umdrehte und sah, das Cech den Ball von Robben parieren konnte. So musste das Elfmeterschießen entscheiden.

Bayern-Trainer Jupp Heynckes hatte große Mühe, fünf Elfmeterschützen festzulegen, da einige Spieler sich der Aufgabe nicht gewachsen fühlten. "Es haben sich - auf Deutsch gesagt - fast alle verpisst. Sie sind weggeströmt haben die Hand gehoben und gesagt: 'Ich nicht'", erklärte Bayerns Vorstands-Boss Karl-Heinz Rummenigge in der Schweinsteiger-Dokumentation seine Sicht der Dinge.

Auch Heynckes schildert die Szenerie rückblickend: "Drei Spieler, die eigentlich prädestiniert gewesen wären, wollten nicht. Ich wollte keinen schießen lassen, der nicht wollte. Das hat man mir auch zum Vorwurf gemacht, dass ich keinen bestimmt habe."

Doch Schweinsteiger war als letzter Schütze gesetzt, schließlich hatte er bereits in Madrid den entscheidenden Elfmeter zum Finaleinzug verwandelt.

Nach den Fehlschüssen von Ivica Olic (FC Bayern) und Juan Mata (FC Chelsea) stand es 3:3.

Mit einem Treffer hätte Schweinsteiger den Druck auf Drogba, der bei den Blues den letzten Elfmeter schoss, ins Unendliche wachsen lassen können. Doch Rummenigge, der sich die Partie jährlich in seinem Sommerurlaub auf Sylt anschaut, beobachtete im Nachhinein: "Vor dem Elfmeter hast du gemerkt: So ganz wohl fühlt er sich nicht in seiner Haut."

Lesen Sie auch: Klopp will Meisterschaft mit Bus-Parade und Fans feiern

"Der hat ausgeschaut wie der Tod"

So lief Schweinsteiger vor der Kurve der Bayern-Fans an und schoss. Chelsea-Keeper Petr Cech ahnte die Ecke und lenkte den Ball an den Pfosten. Gleichzeitig hatte sich Schweinsteiger bereits unmittelbar nach seinem Schuss das Trikot über den Kopf gezogen, als ob er bereits ahnte was kommen wird.

"Ich wollte die enttäuschten Gesichter nicht sehen. Du wusstest: Jetzt kannst du es nicht mehr besser machen, es ist vorbei." Drogba verwandelte anschließend seinen Elfmeter und krönte Chelsea damit zum Champions-League-Sieger.

Und Schweinsteiger? "Der hat ausgeschaut... Der war fertig. Der hat ausgeschaut wie der Tod. Ich dachte mir: Alter Schwede, wie willst du sowas verkraften, wenn dir etwas so zu Herzen geht", beschreibt Schweinsteigers guter Freund Felix Neureuther in der Dokumentation sein Eindruck.

Schweinsteiger lag ausgepumpt und fassungslos am Mittelkreis auf dem Boden. Als er wieder stand, ging er ein Stück vom Team weg, fasste sich mit den Hände immer wieder ins Gesicht. Sein Kopf hing herunter.

"Man kann es so sehen, dass dir in so einem Moment 400 Millionen beim Versagen zuschauen. Und damit muss man jetzt fertig werden. Ich hab mich gefragt: 'Kommt er da nochmal raus?'", erklärt Ex-Torhüter Oliver Kahn den Moment des Scheiterns.

FC Bayern "eine Woche wie gelähmt"

Zu diesem Zeitpunkt eine mehr als berechtigte Frage, denn nicht nur Schweinsteiger war am Ende, auch der FC Bayern war am Boden zerstört. "Der ganze Verein war eine Woche wie gelähmt. Transfers, Saisonvorbereitungen, andere Dinge, die getan hätten werden müssen: Eine Woche lang ging hier gar nix", erzählt Hoeneß.

Dann musste Manager Christian Nerlinger gehen und Matthias Sammer kam als Sportvorstand, neuer Antreiber und Mahner. Und auch Schweinsteiger berappelte sich, nachdem zwischenzeitlich auch die EM 2012 mit dem Halbfinal-Aus gegen Italien zur Enttäuschung wurde.

Gemeinsam mit Neuzugang Javi Martínez bildete er im zentralen Mittelfeld ein furchteinflößendes Duo und führte die Münchner zum Triple 2013 – der größte Erfolg in Bayerns Vereinsgeschichte.

Lesen Sie auch: Bayerns Gefahren auf dem Weg zum Torrekord

Gespräche mit Heynckes bauten Schweinsteiger wieder auf

Doch dies war keine Selbstverständlichkeit und gelang nur mit Hilfe von Coach Heynckes. "Man muss wissen, dass Bastian auch ein empfindsamer Mensch, ein sensibler Mensch ist. Da hatte er schwer mit zu tun. Wir haben Gespräche geführt, ich habe ihm gesagt: Man muss so eine Talsohle durchschreiten, das gehört zu einer großen Karriere dazu", schildert Heynckes seine Aufbauhilfe für den zwischenzeitlich am Boden zerstörten Schweinsteiger.

Im Finale 2013 gegen Borussia Dortmund im Londoner Wembley-Stadion merkte man dem Mittelfeldspieler durchaus an, unter welchem Druck er stand. Aber der entscheidende Treffer von Robben, kurz vor Ende der Partie, befreite ihn von der Last auf seinen Schultern.

Rückblickend erklärt Schweinsteiger: "Ich war einfach nur froh, dass wir es geschafft haben, uns zu belohnen. Nach dem Finale in München war es nicht einfach, aber wir haben zueinander gehalten."

Ein Jahr später folgte der WM-Titel mit der deutschen Nationalmannschaft in Brasilien.

Und so kann Schweinsteiger auf eine große Karriere zurückblicken, die am 19. Mai 2012 aber den wohl schmerzhaftesten Moment überhaupt erleben musste.

VIDEO: Flick nach Leverkusen: Der Rückstand tat den Bayern gut