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Wie Sancho eine Nation spaltet

Wie Sancho eine Nation spaltet
Wie Sancho eine Nation spaltet

Dieser Deal war zäh wie Kaugummi.

Bereits 2020 war Manchester United hinter Jadon Sancho her, am Donnerstag wurde es dann endlich verkündet: Der BVB und die Red Devils sind sich einig, der Wechsel steht kurz bevor. Dabei wurde auch die Transfersumme von 85 Millionen Euro bestätigt, von der SPORT1 zuvor bereits berichtet hatte.

Während sich Dortmund-Boss Hans-Joachim Watzke traurig über den Abgang des 21-Jährigen zeigte, brachen im roten Teil Manchesters Jubelstürme aus. Sancho, einst von United-Rivale Manchester City nach Dortmund gekommen, läuft künftig im Old Trafford auf. Er soll ein neuer Leuchtturm der ohnehin schon hochkarätig besetzten Offensive des englischen Vizemeisters werden.

United-Legenden freuen sich auf Sancho

United-Legende Rio Ferdinand hieß Sancho via Twitter willkommen, Michael Owen, früher ebenfalls für den englischen Rekordmeister am Ball, nannte ihn einen "Top-Spieler". Auch England-Legende Gary Lineker lobte den Deal: "Sie bekommen einen verdammt guten Spieler. Viel besser, als sie wahrscheinlich vermuten."

Auch die Ablöse zeigt, wie historisch dieser Deal ist. Sancho wird der drittteuerste Premier-League-Spieler der Geschichte. Nur für Paul Pogba (105 Millionen Euro, Quelle: transfermarkt.de) und Harry Maguire (87 Millionen) zahlte ein englischer Klub - in beiden Fällen ManUnited - mehr Geld. Inklusive Bonuszahlungen könnte Sancho sogar zum bis dato teuersten englischen Spieler aufsteigen.

Der EM Doppelpass mit Jürgen Kohler, Stefan Effenberg und Mario Basler am Sonntag ab 11 Uhr LIVE im TV auf SPORT1

Ein echter Coup für die Premier League? Das sehen in England längst nicht alle so. In den englischen Medien wurde der Deal zwar durchaus als Erfolg bewertet, aber die ganz großen Jubelstürme gab es kaum. Der Fokus liegt - naturgemäß - auf der EM-Performance der Three Lions. (Alles Wichtige zur Fußball-EM 2021)

Fans teilweise skeptisch

Und auch längst nicht alle United-Fans sind von den Qualitäten Sanchos überzeugt. "Er wird auf jeden Fall ein Flop", schrieb ein User. Ein anderer Kommentar lautete: "Ich befürchte, dass er in der Premier League keine Leistung bringen wird. Er war durchschnittlich, als er für England gespielt hat, aber stark in einer durchschnittlichen Liga." Weitere User hätten lieber die Verpflichtung von Declan Rice und Erling Haaland gesehen.

Die öffentliche Meinung zu Sancho geht auf der Insel weit auseinander. Dass er Talent hat, bestreitet kaum jemand. England-Legende Tony Woodcock sagte kürzlich im SPORT1-Interview: "Jeder weiß, dass Sancho ein toller Spieler ist. Aber es gibt viele tolle Spieler bei den Three Lions."

Als weiteres Beispiel dient Nationaltrainer Gareth Southgate. Er ließ Sancho bei der EM 2021 bisher ganze sechs Minuten spielen. Auch beim 2:0 gegen Deutschland blieb er außen vor.

Sancho bei Southgate außen vor

Nun könnte man argumentieren, der Erfolg gebe dem 50-Jährigen Recht. Das ist aber nur die halbe Wahrheit. Bis auf Raheem Sterling konnte kein Akteur der hochgelobten englischen Offensive nachhaltig überzeugen. Zwei magere englische Tore in der Gruppenphase, dazu zwei weitere gegen Deutschland - es hätte für Southgate also allen Grund gegeben, Sancho mehr als sechs Minuten Einsatzzeit zu geben.

Für die TV-Experten unter den ehemaligen englischen Fußballern war die Sache klar. Sie forderten Southgate auf, Sancho zu bringen. "Ich verstehe das wirklich nicht. Im ersten Spiel saß er nicht mal auf der Bank, im zweiten kam er nicht aufs Feld. Du hast so ein großes Talent da rumsitzen", sagte Ferdinand nach dem mageren 0:0 gegen Schottland und forderte: "Lass diese Jungs einfach von der Kette, denn wir sehen gerade wie das steife alte England aus."

Ex-Nationalspieler Ian Wright pflichtete ihm bei: "Du hast jemanden wie Sancho auf der Bank, 16 Tore und 20 Assists in der letzten Saison - und er wird noch nicht einmal eingewechselt."

Doch im entscheidenden Gruppenspiel gegen Tschechien setzte der Trainer lieber auf Bukayo Saka, brachte Sancho erst kurz vor Schluss. Der Teenager des FC Arsenal zeigte zwar gute Ansätze, spielte aber vorher noch keine wirkliche Rolle bei den Three Lions. Der 19-Jährige verfügt bisher über die Erfahrung von 59 Premier-League-Spielen (6 Tore), Champions League spielte er noch gar nicht. Und doch setzte Southgate auch gegen Deutschland auf Saka.

Dem gegenüber stehen die 89 Scorerpunkte Sanchos in 104 Bundesliga-Spielen. In 21 Partien in der Königsklasse gelangen ihm dazu fünf Treffer und sechs Assists. In der Rückrunde der vergangenen Bundesliga-Saison zeigte der gebürtige Londoner ansteigende Form und war mitverantwortlich dafür, dass die Schwarzgelben doch noch die Champions-League-Qualifikation schafften.

Bundesliga in England nicht genug wertgeschätzt?

Als Southgate während der Gruppenphase gefragt wurde, weshalb Sancho bei ihm keine Rolle spiele, erklärte er nur, er habe "einige explosive Spieler" zur Verfügung und dass "viele von ihnen junge Spieler sind, die noch nie ein Turnier gespielt haben. Jadon gehört dazu."

Hat Southgate das wahre Potenzial Sanchos einfach noch nicht erkannt?

Der Ex-Nationalspieler machte in der Vergangenheit keinen Hehl daraus, dass er von der Bundesliga nicht allzu viel hält. "Die Top-Teams sind sicherlich eine Herausforderung für die englischen Mannschaften in der Champions League. Aber ich glaube nicht, dass das Niveau in Deutschland ganz so hoch ist, weil die Finanzen nicht ganz so hoch sind", sagte er vor einiger Zeit.

Mit dieser Meinung steht der Nationaltrainer auf der Insel nicht allein da. "Sanchos Leistungen in Dortmund sind in England immer noch nicht bei der breiten Masse angekommen", erklärte der Journalist und Premier-League-Experte Raphael Honigstein vor einigen Wochen im EM Doppelpass.

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Er ergänzte: "Der Druck aus der Masse auf Southgate ist nicht so präsent, weil Sancho in der Nationalelf bisher nicht so brilliert hat." Das dürfte ein weiteres Argument für die geringen Einsatzzeiten bei der EM sein.

"Southgate orientiert sich anders als Joachim Löw an den Leistungen bei den Länderspielen, da musst du dir nach altem Muster deinen Platz erkämpfen", erklärte der ehemalige England-Legionär Steffen Freund im EM Doppelpass auf SPORT1. Und im Trikot der Three Lions konnte Sancho in seinen 20 Einsätzen bisher nicht nachhaltig überzeugen.

Grealish beliebter als Sancho

Auch in der Beliebtheitsskala der Three Lions steht Sancho nicht ganz oben. Liebling der Fans ist da schon eher dessen Konkurrent Jake Grealish, der Kapitän von Aston Villa, einem englischen Mittelklasse-Klub. Die Nichtberücksichtigung des 25-Jährigen zum Auftakt gegen Kroatien wurde kritischer hinterfragt als die von Sancho. Grealish wurde gegen Deutschland im Gegensatz zu Sancho eingewechselt und war mit der Vorlage zum 2:0 maßgeblich am Erfolg beteiligt.

Im EM-Viertelfinale am Samstag gegen die Ukraine könnte Sancho allerdings in der Startelf stehen, das spekulieren zumindest englische Medien. Saka fällt offenbar aus. (EM-Viertelfinale: Ukraine - England am Samstag ab 21 Uhr im LIVETICKER)

Die Wahrnehmung auf der Insel dürfte Sancho in seinem Wunsch, zu United zu wechseln, nur noch bestärkt haben. Bringt er ähnliche Leistungen wie beim BVB, kann er auch die englischen Fans endgültig von seinen Qualitäten überzeugen.

Und auch für Southgate dürfte dann kaum ein Weg an ihm vorbeiführen. Vielleicht auch schon nach einer starken Performance gegen die Ukraine.

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