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Scherbenhaufen Deutscher Fußball-Bund

Der historischen WM-Schmach folgt eine bislang weitgehend verheerende Aufarbeitung seitens der Verantwortlichen. Das Chaos beim mächtigen DFB ist hausgemacht und lässt nur eine Schlussfolgerung zu: Persönliche Konsequenzen sind alternativlos.

Ein Kommentar von Yahoo Sport-Redakteur Tommy Gaber

Die Verantwortlichen für das DFB-Desaster: Präsident Grindel, Bundestrainer Löw, Manager Bierhoff
Die Verantwortlichen für das DFB-Desaster: Präsident Grindel, Bundestrainer Löw, Manager Bierhoff

Oliver Bierhoff konnte einem schon fast leidtun. Sein Auftritt im ZDF war ein krampfhaft alberner Versuch, den Schaden zu reparieren, den der Manager der deutschen Nationalmannschaft durch seine Aussage, man hätte überlegen müssen, ob man bei der WM sportlich auf Mesut Özil verzichtet, selbst verursacht hatte.

Er sei missverstanden, das Gesagte fehlinterpretiert worden, sagte Bierhoff und gab der Medienabteilung des DFB gleich noch eine mit, indem er anmerkte, dass die brisante Passage bei der Autorisierung seines Welt-Interviews niemandem aufgefallen sei. Was Bierhoff auch immer mit seiner eigenen Richtigstellung bezwecken wollte, war unerheblich. Der Schaden, den er mit der Bloßstellung eines einzelnen Spielers anrichtete, war da schon nicht mehr reparabel.

Grindel setzt noch einen drauf

Und als hätte der DFB in der Causa Mesut Özil nicht ohnehin auf allen Ebenen jämmerlich versagt, setzte Ober-Boss Reinhard Grindel der Angelegenheit in einem kicker-Interview die Krone auf.

“Es stimmt, dass sich Mesut bisher nicht geäußert hat. Das hat viele Fans enttäuscht, weil sie Fragen haben und eine Antwort erwarten. Diese Antwort erwarten sie zu Recht. Deshalb ist für mich völlig klar, dass sich Mesut, wenn er aus dem Urlaub zurückkehrt, auch in seinem eigenen Interesse öffentlich äußern sollte”, sagte Grindel.

Moment! Hatte der DFB das Thema nicht schon längst für beendet erklärt? Hatte DFB-Mediendirektor Uli Voigt Özils Abwesenheit beim Medientag eine Woche vor WM-Start nicht damit begründet, dass “alles gesagt” sei? Und hatte Bierhoff sich nicht mit den ARD-Moderatoren Bommes und Hitzlsperger angelegt, weil die seiner Meinung nach übertrieben auf dem Thema völlig rumgeritten seien?

Bierhoff und Grindel wollen eigene Haut retten

Fast zwei Monate (!) nach Auftauchen der berüchtigten Fotos von Özil und Ilkay Gündogan mit Türkeis Machthaber Recep Tayyip Erdoğan kommt die DFB-Spitze plötzlich um die Ecke und verlangt von Özil, sich (endlich) zu erklären. Das tut die deutsche Öffentlichkeit berechtigterweise bereits seit dem 14. Mai, dem Erscheinungsdatum der Fotos.

Bierhoff und Grindel setzen Özil massiv unter Druck: Entweder Du redest, oder Du bist raus! Diese schäbige Strategie lässt vermuten, dass beide nur ihre eigene Haut retten wollen in der von Anfang an desolat gehandhabten Debatte.

Die Mächtigen beim DFB wollten die Causa Özil/Erdogan aussitzen. Diese Taktik fällt Bierhoff und Grindel jetzt vor die Füße. Beide nehmen sogar die Demontage eines verdienten Nationalspielers in Kauf, um von eigenen Versäumnissen abzulenken. Damit handeln beide ihrer hohen Ämter beim DFB unwürdig. Das lässt nur eine Schlussfolgerung zu: Bierhoff und Grindel müssen personelle Konsequenzen ziehen und zurücktreten.

Grindel: “Es muss personelle Entscheidungen geben”

Özils Rücktritt alternativlos. Es sei denn …

Özil diente dem DFB nicht nur in 92 Länderspielen, sondern auch als Integrationsbotschafter. Er hat mit den Erdogan-Fotos einen Fehler begangen, den er offenbar nicht einsehen will. Ihn deshalb aber öffentlich an den Pranger zu stellen, ist die denkbar schlechteste Option.

Özils Rücktritt aus der Nationalmannschaft ist in dieser Gemengelage alternativlos. Es sei denn, diejenigen, die ihn zum Abschuss freigeben, nehmen selbst ihren Hut. Das wäre die für die Zukunft des Deutschen Fußball-Bundes und der deutschen Nationalmannschaft denkbar beste Option.