Schockierende Enthüllungen einer Gold-Heldin

Schockierende Enthüllungen einer Gold-Heldin
Schockierende Enthüllungen einer Gold-Heldin

Sie gewann zwei Goldmedaillen bei Europameisterschaften. Holte mit den britischen 4x-400-Meter-Staffeln auch Bronze bei der WM 2015 und bei Olympia 2016.

Die britische Leichtathletin Anyika Onuora konnte auf erfolgreiche Zeiten zurückblicken, als sie Ende 2019 ihre Karriere in der Leichtathletik beendete. Aber sie musste auch mit vielen dunklen Schatten kämpfen - mehr, als bis dahin zu ahnen war.

Die 38-Jährige hat in diesem Jahr das Buch „My Hidden Race“ veröffentlicht. In dem teils schockierenden Erfahrungsbericht geht es um ihren wiederkehrenden Kampf mit Rassismus, Missbrauch, Suizidgedanken - und Mechanismen des Leistungssport, die ihr diesen Kampf nicht einfacher machen.

Suizid-Gedanken in jedem Olympia-Jahr

Im doppeldeutig betitelten Buch (“My Hidden Race“ bedeutet “Mein verstecktes Rennen“, aber auch: „Meine verborgene Rasse“) erzählt die ehemalige 400m-Läuferin von zwei sexuellen Übergriffen - eines Physios, sowie eines Mitathleten. Sie behielt dies bis zum Ende ihrer Karriere für sich, hatte das Gefühl, sich an niemanden wenden zu können.

„Ich bekomme nicht die Hilfe und Unterstützung, die ich brauche“, erzählt sie in ihrem Buch: „Leichtathletik ist ein sehr einsamer Sport. Es war alles Geschäft, es war alles Geld. Es ist wie ein Dominoeffekt, man wird einfach hineingeworfen und rausgeschmissen, während sie darauf warten, dass das nächste große Ding durchkommt.“

Der Erwartungsdruck machte der Olympia-Dritten von 2016 zu schaffen. „Es wurde wirklich schlimm, dass ich fast mein Leben verloren hätte“, bekennt sie: „Es gibt ein Muster, und das Muster begann 2012. Jedes olympische Jahr, jeden olympischen Zyklus, versuchte ich, Selbstmord zu begehen.“ Und sie fürchtet, es wäre zum Äußersten gekommen, hätte sie 2019 nicht den Schlussstrich unter ihre Laufbahn gezogen: „Können Sie sich vorstellen, was passiert wäre, wenn ich nach Tokio weitergefahren wäre? Ich wäre jetzt wahrscheinlich tot.“

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Anmerkung der Redaktion: Wenn Sie sich selbst von Depressionen und Suizidgedanken betroffen fühlen, kontaktieren Sie bitte umgehend die Telefonseelsorge (http://www.telefonseelsorge.de). Unter der kostenlosen Hotline 0800-1110111 oder 0800-1110222 erhalten Sie Hilfe von Beratern, die schon in zahlreichen Fällen Auswege aus schwierigen Situationen aufzeigen konnten.

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Angst vor dem Karriere-Aus

Zur damaligen Zeit fühlte sich die Sprinterin nicht wohl damit, an die Öffentlichkeit zu gehen. Ermutigung erfuhr sie jedoch durch die Verurteilung des US-Turntrainers Larry Nasser und die Black-Lives-Matter-Bewegung.

„Die Dinge haben sich geändert. Die Leute können jetzt bestimmte Dinge nicht ignorieren. Man kann nicht die Augen vor Dingen verschließen, die in der Welt passieren, man kann es einfach nicht“, stellt die Britin fest. „Es ist einfacher geworden über diese Themen zu reden, besonders als Frau, als schwarze Frau.“ Trotzdem hielten sich weiterhin viele Athletinnen zurück.

„Es gibt so viele Athleten, die sich nicht äußern, von denen ich weiß, dass sie diese unzähligen Situationen durchgemacht haben oder immer noch durchmachen“, schreibt Onuora: „Viel davon hat mit der Angst zu tun, fallen gelassen zu werden. Der Angst, die Bestätigung zu verlieren. Der Angst, Staatsfeind Nummer eins zu sein. Der Angst, nicht für Teamevents ausgewählt zu werden.“

Das Karriere-Ende sei in dieser Hinsicht eine Befreiung.

Vorurteile und Rassismus

Die erfolgreiche Athletin hatte zudem oft mit Vorurteilen zu kämpfen, im besonderen Bezug darauf, eine dunkelhäutige Britin zu sein.

Onuora fühlte sich oft herabwürdigend behandelt, etwa an Flughäfen: „Nur wenn sie den Scouse-Akzent hören, sieht man, wie sie knallrot werden oder einfach anfangen zu stottern, weil sie sagen: ‚Oh, du bist von hier?‘“

Ihr sei auch stark aufgefallen, wie anders die Reaktionen seien, wenn sie mit ihrer Sporttasche mit der britischen Landesflagge unterwegs gewesen sei: „Können Sie sich die unzähligen Schwarzen oder Asiaten oder Muslime vorstellen, die das durchmachen müssen? Die keinen Status haben, die nicht für ihr Land angetreten sind oder hat keinen GB-Rucksack haben?“

Sich als Vorbild stark machen

Onuora formuliert eine Erwartung, die eigentlich selbstverständlich sein müsste: „Wir sollten in der Lage sein, genauso behandelt zu werden wie alle anderen, unabhängig davon, woher wir kommen, was unser Hintergrund ist und was unser Erbe ist.“

Die Liverpool aufgewachsene Tochter nigerianischer Eltern ist sowohl auf ihre Wurzeln als auch auf ihr Geburtsland stolz: „Seit ich mit 16 Jahren zum ersten Mal dieses GB-Trikot bekam, wusste ich, dass es das war, was ich tun wollte, und es war immer eine große Ehre, Großbritannien zu vertreten.“

Für ihre Entwicklungen seien aber auch Idole wichtig gewesen, von denen sie wusste, dass sie den selben Erfahrungshorizont hatte: „Ich hatte Denise Lewis als Vorbild. Sie bei den Olympischen Spielen in Sydney zu sehen, war alles für mich. Weil sie schwarz war, sie war dunkelhäutig. Sie war einfach alles für mich, als ich aufwuchs.“

Onuora hofft, nun selbst ein Vorbild zu sein, anderen Mut machen zu können - nicht nur wegen ihrer sportlichen Erfolge, sondern auch wegen ihrer Offenheit, die Probleme zu benennen.