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Schwedens Biathlon-Trainer liebäugelt mit Bayern-Job

Schwedens Biathlon-Trainer liebäugelt mit Bayern-Job

Die schwedischen Biathlon-Stars sind in diesem Winter in Topform. Bei den Damen sind die Schwestern Hanna und Elvira Öberg unter den besten vier Athleten im Gesamtweltcup, bei den Herren mischen Sebastian Samuelsson und Martin Ponsiluoma die Konkurrenz in den Top Ten des Gesamtklassements auf. (Weltcupstände im Biathlon)

Architekt dieses erstaunlichen Erfolgs ist ein Deutscher.

Johannes Lukas ist seit 2015 im schwedischen Skiverband tätig und hat 2019 Wolfgang Pichler als Cheftrainer beerbt. (Biathlon: Alle Weltcup-Ergebnisse)

Dabei hatte der 27-Jährige andere Pläne. Schon vor sechs Jahren musste er seine eigene Athleten-Laufbahn beenden.

Im Interview bei SPORT1 erklärt Lukas sein Erfolgsrezept und spricht über seinen ungewöhnlichen Karriereweg.

SPORT1: Sie sind seit 2015 beim schwedischen Team. Wie steht's um die Sprache bisher? Wie gut können Sie sich schon auf Schwedisch verständigen?

Johannes Lukas: Sehr gut aktuell. Am Anfang war ich ein bisschen faul, weil ich dachte, ich werde nur ein Jahr oder so dort bleiben. Ich habe dann die Sprache nicht gelernt. Aber dann, als ich das Angebot bekommen habe, Cheftrainer zu werden, habe ich gedacht, gut dann muss ich jetzt aber auch die Sprache lernen. Und dann habe ich sie auch wirklich innerhalb von einem Jahr gelernt. Mittlerweile mache ich alles auf Schwedisch, das ganze Coaching, alle Interviews.

SPORT1: Wie verbringen Sie in Schweden die Freizeit? Wie schaut Ihr Leben da so aus?

Lukas: Ich habe tatsächlich dieses Jahr angefangen, Fußball zu spielen in der vierten oder fünften Liga. Das war ganz cool. Ich habe einen Assistenten von mir gefragt, ob man nicht irgendwo mal zum Spaß Fußball spielen kann, denn ich habe in München schon früher Fußball gespielt. Er hat gesagt, ja er kennt da jemanden, der kann mich vielleicht mal mitnehmen. Da habe ich vier Mal die Woche am Abend mittrainiert. Ich habe die Spiele natürlich nicht mitgemacht, weil ich keinen Pass habe. Aber das war richtig cool.

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SPORT1: Der Biathlon hat ein eigenes Corona-Konzept. Können Sie kurz zusammenfassen, wie man sich das vorstellen kann und wie sehr Sie das beeinflusst?

Lukas: Es ist im Endeffekt so: Du musst dich negativ testen lassen und dann wirst du innerhalb von 24 Stunden wieder getestet und dann jeden vierten, fünften Tag geht das so. Wir haben verschiedene Gruppen gebildet: Athleten und Trainer sind die sogenannte rote Gruppe, Medien sind die gelbe Gruppe. Die haben untereinander keinen Kontakt. Das ist, finde ich, sehr gut geregelt. Pressekonferenzen und sowas sind digital. Das haben sie (IBU, Biathlon-Weltverband, Anm. d. Red.) sehr gut gemacht. Wir haben in unserem Team die Regeln noch deutlich verschärft. Wir haben praktisch in unserem eigenen Team noch mal Gruppen gebildet. Wir haben das Männerteam, was eine Gruppe ist, das Frauenteam, was eine Gruppe ist, die Wachser sind eine Gruppe und die Trainer sind eine Gruppe. Jeder hat entweder einen eigenen Essenssaal oder eigene Essenszeiten. Das heißt, ich habe kein einziges Mal mit irgendwem zusammen am gleichen Tisch gesessen. Wir haben alle Meetings nur online gehabt, um so einfach diesen physischen Kontakt zu reduzieren. Wir haben nur draußen beim Training Kontakt. Ansonsten habe ich die Athleten nie gesehen. Diese Maßnahmen haben wir wegen der Erfahrungen der schwedischen Skifahrer umgesetzt. Die waren beim Weltcup in Finnland und wurden komplett in Quarantäne gesetzt, weil einer positiv war. Das war das Szenario, was du auf gar keinen Fall haben willst. Deswegen haben wir das System so umgestellt. Selbst wenn ich positiv gewesen wäre, hätte ich keinen Einfluss auf deren Leben gehabt, weil sie einfach keinen physischen Kontakt mit mir gehabt hätten.

Lukas: "Bin stolz, aber entspannt"

SPORT1: Jetzt haben Sie ja eine ziemlich bedeutende Rolle, nicht nur im schwedischen Biathlon, sondern auch im ganzen Welt-Zirkus. Macht Sie das irgendwie auch stolz?

Lukas: Logisch macht mich stolz. Ich bin da aber ganz entspannt. In den letzten Wochen hat man schon gemerkt, dass das Medieninteresse steigt, aber ich mache das nach wie vor, weil das mein Hobby ist und weil es mir einfach Spaß macht. Ansonsten macht es nicht viel mit mir. Ich bin natürlich stolz über die Erfolge und dass die Arbeit funktioniert und es ist so ein Gefühl von Dankbarkeit, weil ich enorm viel Aufwand betreibe. Die Reisetage, die Zeit und Energie.

SPORT1: Ich habe in Ihrer Instagram-Story gesehen, dass Sie noch ab und zu die Langlaufski anschnallen.

Lukas: Ja, ich helfe nach wie vor beim Skitest mit. Das habe ich vom ersten Tag an gemacht und mache es bis jetzt. Da hat auch die Chefrolle nichts dran verändert. Ich will einfach, dass das ganze Team so gut wie möglich funktioniert und wenn die Wachser Hilfe brauchen, helfe ich ihnen. Ich bin jeden Tag 30 bis 40 km gelaufen und habe die Ski getestet. Das ist halt auch ein Teil des Ganzen. Dann haben wir bessere Ski und laufen schneller und bekommen bessere Ergebnisse.

SPORT1: Und Sie machen ein bisschen Sport.

Lukas:(lacht) Genau.

SPORT1: Gibt es Dinge, die Ihnen besonders schwerfallen, was ist am kompliziertesten und schwersten für Sie?

Lukas: Ab und zu denke ich, die Reiserei ist auf Dauer schon das anstrengendste. Das Privatleben in München mit Freunden und Familie zu kombinieren und dann auch abzuschalten. Das ist halt ein 365-Tage-Job. Es gibt keinen Sonntag oder Samstag. Es kann sein, dass wir am Sonntag Intervalltraining haben und dass die Athleten am Sonntagabend um 21 oder 22 Uhr anrufen. Das dann mit privatem Leben zu kombinieren, ist der kritischste Punkt.

Lukas: "Nicht die witzigsten Einheiten gemacht"

SPORT1: Was macht Schweden in dieser Saison so erfolgreich?

Lukas: Das ist eine sehr gute Frage, die schwer zu beantworten ist. Aber ich würde sagen, das ist das Ergebnis von langjähriger guter Arbeit. Wir haben uns jedes Jahr ein bisschen gesteigert. Wir haben dieses Jahr noch mal mehr trainiert als sonst. Wir haben den Fokus auf Erholungstage gelegt. Das Training hat eine sehr hohe Qualität. Wir haben auch vielleicht jetzt nicht die witzigsten Einheiten gemacht, aber dafür eben mit sehr hoher Qualität. Zum Beispiel sind wir eben nicht nur draußen durch die Gegend gelaufen, sondern auf dem Laufband dann zwei Stunden bergauf gelaufen, was natürlich nicht super schön ist, aber vielleicht deutlich effektiver, als wenn man zwei Stunden draußen in der Ebene läuft. Und wir sind alle bis jetzt - toi toi toi - gesund geblieben. Das ist, denke ich, in dieser Saison mit das Wichtigste. Das wir so ein Saisonstart hingelegt haben, ist wichtig. Es ist der beste Start in zehn Jahren mit 15 Podestplätzen und wir sind in einen Flow reingekommen, das Selbstvertrauen ist da und dann bist du am Schießstand gut. Wir haben gute Ski. Wir haben eine gute Laufform. Das ist dann so. Es ist wichtig, dass du gut reinkommst und das haben wir gehabt. Wir hatten einen perfekten Start und jetzt fühlt es sich an, als wenn du auf so einer Welle surfst.

SPORT1: Jetzt haben Sie eine etwas spezielle Situation mit dem Öberg-Schwesternpaar. Ist es für Sie etwas Besonderes oder sind das zwei Athletinnen wie alle anderen auch?

Lukas: Für mich sind sie natürlich wie alle anderen auch. Aber ich sehe natürlich die Entwicklung von Elvira und ich habe im Sommer gesehen, dass die sich super entwickelt und ich habe auch das Gespräch mit beiden schon ziemlich früh gesucht. Ich habe beide mehr oder weniger vorbereitet darauf, dass die sich jetzt vor der Saison absprechen, weil ich einfach glaube, dass nicht mehr nur noch die Hanna vorne sein wird. Es werden beide sein. Du musst dich darauf vorbereiten, weil es gibt auch genügend Beispiele, dass dieses Schwestern- oder Brüdermodell nicht funktioniert und dass einer daran kaputt geht. Das wollte ich auf gar keinen Fall. Ich wollte, dass beide sich vorher absprechen, wie sie das Hantieren, auch vielleicht mit den Eltern zusammen.

Lukas: "Olympia eine Herausforderung für Cheftrainer"

SPORT1: Fallen Ihnen als jungem Trainer die Ansprachen sowohl zu den Athleten als auch zu Funktionieren etc. schwer?

Lukas: Mit Athleten fiel es mir nie schwer, muss ich ehrlich sagen. Ich weiß nicht, ob es an der schwedischen Mentalität liegt, aber da wurde nie gefragt: 'Wer bist du eigentlich?' oder 'Warum sagst du mir das?' Ich habe immer einen guten Draht mit ihnen und habe immer versucht, sie besser zu machen. Ich denke, das schätzen die Athleten auch und dann ist es völlig egal, wie alt der Trainer ist. Du musst natürlich eine gewisse Respektsituation einhalten und darfst nicht zu freundschaftlich sein. Du musst vielleicht mal ein bisschen auf den Putz hauen, sage ich mal. Aber das habe ich, denke ich, zur rechten Zeit gemacht. Da ist der Respekt von beiden Seiten da. Wenn es dann auf Verbandsebene um sowas geht, dann bin ich eigentlich auch sehr schnell reingekommen, weil es einfach sein musste. Wenn du Cheftrainer bist, musst du Sachen bestimmen. Du musst sagen, der und der ist im Trainerteam, den und den Physio will ich haben und die und die Trainingslager will ich haben. Wenn du da zögerst, dann wird's nix. Das lief eigentlich auch ziemlich gut von Anfang an.

SPORT1: Haben Sie irgendwelche großen Ziele, die Sie im Biathlon noch erreichen möchten? Beispielsweise deutscher Nationaltrainer werden?

Lukas: Auf meinem näheren Zukunftsplan stehen erstmal nächsten Winter die Olympischen Spiele. Das wird nochmal eine neue Herausforderung als Cheftrainer. Und dann steht noch die Wahl zum Trainer des Jahres an in Schweden. Da bin ich auch nominiert. Das ist jetzt der erste Schritt, danach Olympia und bis dahin geht auch mein Vertrag bei den Schweden und dann schauen wir einfach mal weiter. Recht viel länger habe ich definitiv noch nicht geplant. (Weltcup-Kalender im Biathlon)

Lukas: "Wäre gerne Bayern-Coach"

SPORT1: Aber deutscher Trainer zu werden ist jetzt auf keinen Fall ausgeschlossen, oder?

Lukas: Nein, mit 27 musst du offen sein für andere Sachen. Ich kann mir natürlich vorstellen, irgendwann mal für ein anderes Land zu arbeiten. Ob es jetzt Deutschland ist oder wer auch immer. Aber Stand jetzt fühle ich mich sehr wohl in Schweden. Ich habe ein super Team und noch keinerlei Gedanken daran verschwendet, was nach der Olympiade kommt.

SPORT1: Sie spielen ja auch selber Fußball und haben zum Beispiel noch bei 1860 gearbeitet. Ist so etwas vielleicht auch noch eine Option, zurück in den Fußball zu gehen?

Lukas: Ja, ich meine das ist auch ein Teil von. Also mit 27, wer weiß, vielleicht habe ich in zehn Jahren keinen Spaß mehr im Biathlon. Das ist alles möglich. Ich bin noch so jung, das muss man sich alles offenlassen. Und ja, ich kann mir auf jeden Fall vorstellen, dass man sich gerade eben mit dem Fußball immer wieder austauscht. Vielleicht die ein oder andere Sache übernimmt, vielleicht aber auch die ein oder andere Sachen mit reinbringen kann.

SPORT1: Es gibt jetzt für also nicht das Traumszenario, als Fußball-Trainer beim FC Bayern zu beginnen? (Alle Biathlon-Rennen im LIVETICKER)

Lukas: Mei, Cheftrainer beim FC Bayern wäre ich schon gerne, aber einen konkreten Plan gibt es nicht.