Serena Williams' Ausraster: Die Werte des Sports mit Füßen getreten

Eine Karikatur löst eine Rassismus-Debatte aus, die Schiedsrichter drohen Serena Williams mit Boykott. Der Auftritt der US-Amerikanerin im US-Open-Finale wirkt auch Tage später noch nach. Williams spielte das Opfer, dabei verstieß sie mit ihrem Verhalten gegen elementare Werte des Sports.

Serena Williams verlor das Finale der US Open gegen Naomi Osaka.
Serena Williams verlor das Finale der US Open gegen Naomi Osaka.

Eigentlich sollte Naomi Osaka im Mittelpunkt stehen. Die 20-Jährige gewann vergangenen Samstag in New York als erste Japanerin ein Tennis-Grand-Slam-Turnier. Osaka gab auf dem Weg zu ihrem Triumph bei den US Open nur einen einzigen Satz ab und behielt in der aufgeladenen, mitunter feindseligen Atmosphäre während des Endspiels gegen Serena Williams kühlen Kopf.

Doch selbst drei Tage danach bestimmt der Drama-Auftritt von Williams die Schlagzeilen. Die australische Zeitung The Herald Sun veröffentlichte am Montag eine äußerst provokante Karikatur. Sie zeigt die in Rage geratene Williams als übergroßes, heulendes Baby, das auf seinem bereits demolierten Schläger herumspringt. Daneben liegt ein Schnuller.

Osaka als hellhäutige Blondine dargestellt

Naomi Osaka erscheint im Hintergrund als blonde, schlanke Frau mit heller Hautfarbe – weit entfernt von der Realität. Osaka ist dunkelhäutig und trägt dunkles, lockiges Haar. Zudem wirkt die Tochter einer Japanerin und eines Haitianers auf dem Bild sehr klein – in Wirklichkeit ist sie größer als Williams.

Shitstorm für Knight

Mit der Karikatur wollte Autor Mark Knight die Behandlung, die Williams seiner Meinung nach während des Finales erhielt, thematisieren. Dieser Versuch ging allerdings nach hinten los. Auf Twitter wurde der Cartoon mehrere Tausend Mal kommentiert – mit überwiegend stark negativem Feedback.

Bestseller-Autorin J.K. Rowling bezeichnete die Darstellung wie viele andere als rassistisch und sexistisch. “Gut gemacht, eine der größten Sportlerinnen wird auf einen rassistischen und sexistischen Ausdruck und eine zweite großartige Sportlerin als gesichtslose Requisite reduziert”, twitterte die Harry-Potter-Erfinderin.

Becker kritisiert Williams

Knight kann die Attacken nicht nachvollziehen und verteidigte mittlerweile seine Darstellung. “Das ist ein Cartoon über schlechtes Benehmen auf dem Tenniscourt. Es hat nicht im geringsten etwas mit Rassismus zu tun”, sagte Knight in einer australischen Radiosendung. Warum er Osaka so realitätsfremd gezeichnet habe, blendete Knight jedoch aus.

Wie so oft bei karikaturistischen Darstellungen ist auch in diesem Fall die Grenze von Satire diskutabel. Womit Knight Recht hat, ist seine Anspielung auf schlechtes Benehmen. Der Auftritt von Serena Williams ist nicht kompatibel mit den wichtigsten Werten des Sports: Fairness und Respekt vor dem Gegner. Sie bezichtigte Stuhl-Schiedsrichter Ramos mehrfach der Lüge, spielte die Kind-Karte (“Ich habe eine Tochter, ich würde niemals betrügen. Lieber verliere ich”) und ließ sich auch von zwei Supervisorn nicht beruhigen.

“Ich bin immer auf der Seite des Spielers. In einem so nervenaufreibenden Spiel verliert man schon mal die Contenance”, sagte Boris Becker bei Eurosport, “nur leider hat Serena dann ein, zwei Regeln gebrochen. Du kannst den Schiedsrichter vor Millionen von Zuschauern nicht der Lüge bezichtigen. Wenn man jetzt ganz krass nach dem Regelbuch gehen würde, hätte Serena disqualifiziert werden müssen.”

Williams spielt das Opfer

Williams spielte die Opferrolle und hetzte so das Publikum auf. Die Zuschauer, die ohnehin in der Mehrzahl auf ihrer Seite waren, begleiteten das Ende des Spiels mit gellenden Pfiffen und Buhrufen, selbst beim Matchball und noch schlimmer: während der Siegerehrung.

Es spricht für Williams, dass sie die Zuschauer in ihrer Rede aufforderte, Naomi Osaka nicht den schönsten Moment ihres Tennislebens kaputt zu machen. Doch letztlich war sie es, die die aufgeheizte Stimmung durch ihr Verhalten heraufbeschwor und während des Matches auch nichts unternahm, die Atmosphäre wieder zu beruhigen.

Auch auf der Pressekonferenz Stunden nach dem Match konnte sie sich immer noch nicht zurückhalten und warf Schiedsrichter Ramos sexistisches Verhalten vor. Rückendeckung für diese Darstellung erhielt Williams von der WTA (Vereinigung der Profi-Tennisspielerinnen) sowie dem amerikanischen Tennisverband.

Schiedsrichter wollten Serena-Spiele boykottieren

Doch es gibt auch heftigen Gegenwind für Williams. Wie die englische Zeitung The Times berichtet, erwägen die Schiedsrichter einen Boykott von Matches der US-Amerikanerin. Wie ein anonymer Schiedsrichter in dem Artikel beschreibt, fühlen sich die Offiziellen nicht unterstützt vom amerikanischen Tennisverband. Final-Schiedsrichter Ramos sei “den Wölfen zum Fraß vorgeworfen und beschimpft worden”, weil er seinen Job gemacht habe.

Die Referees sollen nun überlegen, Spiele von Williams nicht mehr zu leiten, bis diese sich bei Ramos für ihren Ausraster entschuldigt. Ramos wurde nach dem Match von vielen Ex-Tennisprofis fehlendes Fingerspitzengefühl vorgeworfen, letztlich handelte er aber den Regeln entsprechend und hätte Williams bei strenger Auslegung auch disqualifizieren können.

All das hat Naomi Osaka nicht zu verantworten. Die Japanerin hat sich ihren ersten Grand-Slam-Titel mehr als verdient. Immerhin wird sie in ihrer Heimat als neue Sportheldin verehrt.