Sexistischer Kommentator: Das Ding mit dem braunen Strich in der Hose

Sexistischer Kommentator: Das Ding mit dem braunen Strich in der Hose

Der Fernseh-Eklat gegen die Geländereiterin Julia Krajewski bei den Olympischen Spielen sagt vor allem eines: Gegen Frauen kann man immer. Noch.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Der ARD-Kommentator Carsten Sostmeier ist für seine launigen Sprüche bekannt, und nun hat er mitten ins Schwarze getroffen, obwohl er es braun nannte. Kleine Farbenblindheit kann ja vorkommen, selbst in den besten Familien.

Sostmeier jedenfalls ist einer, der wohl immer kann. Da war diese Frau, Julia Krajewski, deren Pferd sich beim Vielseitigkeits-Geländeritt dreimal verweigerte. „Schlimmer geht's fast nimmer - fehlt nur noch, dass sie ausscheidet“, rief er beim zweiten Fehler ins Mikro. Die Reiterin habe den „Chicken Way“ im Gelände gewählt, „den der Angsthasen, der blassen Nasen“. Und sein Kommentar: Die Sportlerin habe „schon einen braunen Strich in der Hose, wenn sie losreitet“.

Der Hippologe in Diensten der ARD weiß Bescheid, Krajewski muss einfach zu feige für diese Herausforderung gewesen sein. Hätte er auf dem Gaul gesessen, ja dann hätte er aber diesem gezeigt, wo der Pfeffer wächst. Dass es Tage gibt, an denen ein Pferd einfach nicht das macht, wozu es getrimmt wurde – geschenkt. Interessiert einen Gaucho wie Sostmeier nicht.

Eine einfache Frage drängt sich auf: Hätte Sostmeier einen ähnlichen Spruch über einem Mann losgelassen? Natürlich hätte er nicht. Der Kollege vom Sport hat sich für die ganz billige Nummer entschieden und spielte die Klaviatur der alten Klischees von der Frau. Heißt: schwach, feige und besser am Herd oder sonstwo aufgehoben. So lächerlich die Pseudokraftworte des Journalisten sind, so alltäglich betten sie sich ein.

Die Silbermedaille für Krajewski und ihre Kollegin dürfte Genugtuung nach den schweren Beleidigungen gewesen sein. (AP Photo/John Locher)
Die Silbermedaille für Krajewski und ihre Kollegin dürfte Genugtuung nach den schweren Beleidigungen gewesen sein. (AP Photo/John Locher)

Da war doch was

Die Zahlen in Deutschland sind einfach: Jede dritte Frau erlebt psychische und/oder sexuelle Gewalt, und mehr als die Hälfte aller Frauen sind von sexueller Belästigung betroffen. Krajewski kann jetzt auch, öffentlich-rechtlich dokumentiert, ihr Kreuz an der entsprechenden Stelle machen.

Erinnern wir uns noch an Claudia Neumann und ihre Dreistigkeit, während der Fußball-EM ein Spiel zu kommentieren? Genau, es ging nicht um „Feldreportage“, wo den Spielern am Ende belanglose Fragen in den Mund gelegt werden, sondern um aktuelle Spielanalyse. Eine Männerdomäne. Für Frauen kaum erfassbar, vor allem, seit die Zeiten vorbei sind, in denen Dinosaurier wie Heribert Faßbender in 90 Minuten kaum mehr als die Namen der Spieler am Ball aufsagten. Heute wird ab und zu auch mal ein Spruch eingestreut, ein echter Sostmeier zum Beispiel.

Das Internet jedenfalls spielte verrückt, als Neumann sich anschickte ein Spiel zu moderieren. Kübelweise Hass, das übliche eben. Nur beispielgebend sei hier „@Flori85“ zitiert, der meinte: „Warum moderiert #Claudia Neumann nicht lieber Dressurreiten, da kann sie nicht viel falsch machen.“

Unterhosenlesen à la carte

Tja, nun weiß Flori, wie leicht man auch beim Moderieren von Reitsportarten in Fettnäpfchen treten kann. Bei Neumann jedenfalls ging es von Beginn an nicht darum, ob sie ihren Job gut macht, sondern um die Anmaßung. Und Sostmeier, zweifellos ein Experte im Reitsport, interessierte sich offensichtlich auch nicht mehr für die Leistung Krajewskis an sich, sondern für ihre Unterhose.

Der Kollege bedauert ja jetzt alles. Er benutzt den berühmten Kniff mit dem „wenn“: „Es liegt mir fern, Sportler zu beleidigen", sagte Sostmeier auf Anfrage: „Wenn das so angekommen sein sollte, dann kann ich mich dafür nur aus tiefstem Herzen entschuldigen.“ Wenn, dann.

Nur folgt aus dem „dann“ kaum etwas. Natürlich wurde Sostmeiers Sprücheklopferei als Fauxpas kommentiert, es gab viel Gegenrede. Aber konsequent dazwischen gegrätscht wurde nicht. Woanders ist man da rigoroser. In Italien zum Beispiel trieb es ein Kollege ebenfalls zu bunt, er hat olympische Sportlerinnen als „cicciotelle“ beschrieben, als „Dickchen“. Man warf ihn dafür raus. Das ist übertrieben. Aber einen ähnlichen Aufschrei hätte man sich in Deutschland schon gewünscht.

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