Darum ist Sherrock das vielleicht schwerste WM-Los

Wenn Chris Dobey am Freitag in der dritten Runde der Darts-WM ans Oche tritt, wird er gut daran tun, keinen Gedanken daran zu verschwenden, gegen wen er antritt.

Denn auf den Briten wartet alles andere als ein "normales" Match, "Hollywood" hat das vielleicht schwerste aller Lose gezogen. Und dieses heißt nicht etwa Michael van Gerwen, Gerwyn Price oder Gary Anderson - sondern Fallon Sherrock (Darts-WM: Fallon Sherrock - Chris Dobey, ab 16.15 Uhr im LIVETICKER).

Als erste Frau gewann die Friseurin aus dem britischen Milton Keynes in der ersten Runde gegen Ted Evetts ein Spiel bei einer gemischten Weltmeisterschaft. Auch vor Mensur Suljovic, immerhin die Nummer elf der Welt, machte sie wenige Tage danach in Runde zwei keinen Halt.

Doch wie kommt es, dass die 25-Jährige die bislang von Männern dominierte Sportart derart auf den Kopf stellt?

Voraussetzungen am Dartboard für alle gleich

Eigentlich sind vor dem Dartboard die Voraussetzungen für alle Spieler zunächst einmal gleich, das beweist auch der Blick auf das Teilnehmerfeld bei der diesjährigen WM.

Es gibt durchtrainierte Athleten wie Gerwyn Price, Schwergewichte wie John Henderson, Riesen wie Vincent van der Voort, Oldies wie Paul Lim (65) oder Youngster wie Keane Barry (17) - und doch kann an einem guten Tag praktisch jeder jeden schlagen.

Was den Frauen wie Sherrock oder auch Anastasia Dobromyslova, die beim Grand Slam of Darts 2009 als erste Frau ein TV-Spiel gegen einen Mann gewinnen konnte, dabei aber besonders in die Karten spielt, ist der Faktor Psyche.

"Du stehst definitiv mehr unter Druck. Du willst es unbedingt vermeiden zu verlieren", fasste etwa Mitfavorit Price die besondere Anspannung vor einem Duell Mann gegen Frau zusammen, wohl wissend, dass ihm im Halbfinale ein Duell mit Sherrock drohen könnte.

Suljovic hatte noch vor dem Match gegen die Britin bei SPORT1 erklärt, der Unterschied zwischen Mann und Frau sei "beim Darts nicht groß", es gehe "wirklich nur um Konzentration und Erfahrung", denn schließlich hätten beide "drei Darts in der Hand".

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Frauen haben Fans auf ihrer Seite

Zugleich warnte er aber auch vor einem weiteren Trumpf der Damen, welcher ihm selbst am Ende vermutlich das Genick gebrochen hat: die Unterstützung der Fans.

Denn Suljovic spielte nicht nur gegen Sherrock, sondern auch gegen die über 3.000 frenetischen Zuschauer im Ally Pally, die jeden seiner Fehlwürfe lautstark bejubelten und ihn vor wichtigen Pfeilen gnadenlos auspfiffen.

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"Man darf sich nur auf sein eigenes Spiel fokussieren, nicht auf ihr Spiel, nicht auf die Fans. Wenn mein Spiel läuft, hoffe ich, dass ich keine Probleme habe", sagte "The Gentle" vor seiner Niederlage im SPORT1-Interview.

Welchen Einfluss die Zuschauer auf den Verlauf eines Spiels haben können, bekam zuvor auch schon Evetts in aller Deutlichkeit zu spüren. "Dass das Publikum nicht auf deiner Seite ist, hilft natürlich nicht. Die Pfiffe gehen dir natürlich durch den Kopf. Auch die Buhrufe sind schwer zu ertragen", fasste "Super Ted" seine Gemütslage nach dem Spiel gegen seine Landsfrau im Telegraph zusammen.

Sherrock muss Zahlen über längere Distanz bestätigen

Als Ausrede wollte er das alles aber nicht gelten lassen und auch Sherrock machte er keinen Vorwurf. Stattdessen hob er ihre gute Leistung hervor. "So enttäuscht ich auch bin, ihr kann ich nichts vorwerfen. Sie hat es gut gemacht, große Klasse. Ich stand auf der falschen Seite der Geschichte", fand er anerkennende Worte.

Denn bei allem Gerede über den Faktor Psyche und die Unterstützung der Fans darf der entscheidende Punkt nicht vergessen werden: Die Engländerin spielt schlicht und ergreifend unglaublich gute Darts - schließlich kommen ein Drei-Dart-Average von knapp 91 Punkten und vor allem eine Checkout-Quote von fast 55 Prozent (!) nicht von ungefähr.

Allerdings muss sie diese Zahlen nun erstmals in einem Match im Best-of-Seven-Sets-Modus bestätigen. In den ersten beiden Runden gingen die Spiele, wie auch bei der Damen-WM der BDO, maximal über die Distanz von fünf Sätzen.

Das Los von Chris Dobey könnte dennoch kaum schwieriger sein.