Die sieben Baustellen des kriselnden FC Bayern

Zumindest das nackte Ergebnis stimmte beim FC Bayern am Dienstagabend.

Nach zuletzt zwei Partien ohne Sieg gewannen die Münchner bei Olympiakos Piräus mit 3:2. Doch auch dieser Sieg konnte nicht darüber hinwegtäuschen, dass es im Gebälk der Bayern knarzt und rumort. Trainer Niko Kovac gerät zunehmend unter Druck.

SPORT1 zeigt die aktuellen Baustellen beim FC Bayern.

- Passspiel

Gegen Piräus gab es im Bayern-Spiel sage und schreibe 612 Pässe – ein starker Wert. Auch die Genauigkeit von 88 Prozent kann sich durchaus sehen lassen. Dennoch konnten die Münchner nicht dauerhaft Druck auf die griechische Defensive ausüben, wie es beispielsweise zu Zeiten von Pep Guardiola durchaus üblich war.

Stattdessen waren auch einige Alibi-Pässe und sogar verhängnisvolle Fehlpässe im Spiel des Kovac-Teams zu sehen, was auch Kapitän Manuel Neuer auffiel.

"Der Pass muss auch eine Message haben. Deshalb kann man nicht einfach einen Pass spielen, nur damit man einen Pass gespielt hat", so die deutliche Ansage des 33-Jährigen an seine Teamkollegen. Sportdirektor Hasan Salihamidzic deutete Konzentrationsmängel im Team an: "Es ist seit einigen Spielen so, dass wir es nicht über 90 Minuten bringen können. Ich kann es mir auch nicht erklären."

- Zweikampfverhalten

Lediglich 47 Zweikämpfe konnten das Kovac-Team gegen Piräus gewinnen, phasenweise kamen die Spieler nicht einmal richtig in die Duelle mit den Gegenspielern und wurden anschließend schwindlig gespielt. Oftmals konnte nur durch ein Foulspiel das drohende Unheil abgewendet werden. Ganze 14 leistete sich der FC Bayern davon im Spielverlauf, während Außenseiter Olympiakos lediglich neun Mal einen Gegner illegal stoppte.

Kapitän Neuer sprach Klartext: "Das zusammen Verteidigen passt momentan nicht. Das gilt für alle Mannschaftsteile, dass die Automatismen und die Balance nicht ganz stimmen."

Er forderte: "Wir Spieler müssen uns an die eigene Nase fassen und den unbedingten Willen haben, jeden Zweikampf zu gewinnen und versuchen, mal wieder zu Null zu spielen."

- Spielerischer Rückschritt

"Wir müssen besser spielen, verteidigen und mehr zusammenspielen. Mehr Kontrolle über das Spiel haben. Es muss einiges besser werden", erklärte Salihamidzic nach dem knappen Sieg in Piräus. Den Verantwortlichen ist nicht entgangen, dass sich die Mannschaft aktuell in einem Loch befindet und dadurch auch spielerisch nicht an die überzeugenden Leistungen des Saisonstarts mit dem Höhepunkt des 7:2-Sieges bei den Tottenham Hotspur anknüpfen kann.

Trainer Kovac bemängelte kürzlich bei seinem Team zumindest defensive Schwächen. Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge wurde auf dem Bankett deutlicher: "Ich glaube nicht, dass die Leistung, die wir heute Abend gebracht haben, uns am Ende des Tages in diesem Jahr große Erfolge bescheren wird, wenn wir nicht langsam die Kurve kriegen."

Vor dem Duell mit Aufsteiger Union Berlin mahnte Rummenigge: "Ich möchte jeden dazu aufrufen, dass wir mit höchster Konzentration, aber auch Motivation am Samstag auf den Platz zu gehen, damit wir die drei Punkte holen." Zuletzt blieben die Bayern in zwei Bundesliga-Spielen in Folge ohne Sieg.

- Dauerthema Thomas Müller

Nach zuletzt sechs Bankplätzen durfte Müller gegen Piräus wieder von Beginn an ran – sogar gemeinsam mit seinem Rivalen Philippe Coutinho. Er zeigte dabei eine ordentliche Leistung (SPORT1-Note: 3) und bereitete sogar zwei Bayern-Tore vor. Eine starke Antwort, nachdem er zuletzt hauptsächlich durch Schweigen auffiel.

Nach der Partie äußerte er nur einen Wunsch: "Langsam könnte die ganze Diskussion mal zu Ende gehen. Wir müssen schauen, dass wir unsere Spiele gewinnen." Der Wirbel um seine Person ist auch an Müller nicht spurlos vorbeigegangen. Salihamidzic reagierte genervt auf die Frage nach Müller: "Thomas ist ein wichtiger Spieler. Jetzt jedes Mal darauf herumzuhacken, ist zu viel."

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Die Teamkollegen stützten Müller. "Er ist ein totaler Bestandteil unserer Mannschaft", meinte Torhüter Neuer. David Alaba fügte hinzu: "Wir wissen immer, was wir an Thomas haben." Für Ex-Profi Dietmar Hamann könnten sich die Diskussionen um Müller bald erübrigen. Bei Sky kritisierte er die Leistung von Coutinho und sagte: "Dann haben wir bald keine Müller- sondern eine Coutinho-Diskussion."

- Chancenwertung

Der positive Aspekt des Erfolgs bei Piräus war die Chancenwertung. Im Unterschied zu den vorangegangenen Partien gegen Augsburg und Hoffenheim passte dieses Mal das Verhältnis zwischen Chancen und Ertrag.

Zuvor hatte Bayern in den vorangegangenen beiden Bundesliga-Duellen jeweils mehrere Hochkaräter vergeben. In der Schlussphase bestraften sowohl Augsburg, als auch Hoffenheim diese Nachlässigkeit der Bayern.

"Wir spielen mir ein bisschen zu sorglos", kritisierte Rummenigge auf dem Bankett, sah aber auch, dass die Chancenverwertung in Piräus "gut" war. Ein Aufwärtstrend, der aus Bayern-Sicht gerne anhalten darf.

- Verletzungssorgen

Lucas Hernández (Innenbandverletzung) und Niklas Süle (Kreuzbandriss) – die beiden Stamm-Innenverteidiger fehlen den Münchnern längerfristig. Darüber hinaus plagen sich verschiedene Spieler immer wieder mit kleineren Blessuren herum. So musste Javi Martínez als Vorsichtsmaßnahme in Piräus ebenfalls ausgewechselt werden.

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Der verhältnismäßig dünne Bayern-Kader wird bereits früh in der Saison auf die Probe gestellt - auch wenn Alaba erklärte: "Wir haben aber den Kader, das zu kompensieren. Wir wollen keine Ausreden suchen."

Ein löblicher Ansatz - allerdings stellt sich Bayerns Abwehr ohne Süle und Hernández praktisch von selbst auf. Lediglich Jérôme Boateng und Benjamin Pavard verbleiben als gestandene Innenverteidiger - der angeschlagene Martinez ist ohnehin im Mittelfeld besser aufgehoben.

Sollte es zu weiteren langfristigen Ausfällen kommen, würde die Debatte um die Breite des Münchner Kaders erst recht aufflammen.

- Abhängigkeit von Lewandowski

Robert Lewandowski trifft aktuell wie im Schlaf. 18 Tore in 13 Spielen ist seine bombastische Quote, auch gegen Piräus gelang ihm ein Doppelpack, der Bayern auf Siegeskurs brachte. Man mag sich aus Bayern-Sicht nicht ausmalen, was ohne den Polen in dieser Saison passiert wäre. Ein gleichwertiger Ersatz, geschweige denn einen richtigen Backup gibt es für den 31-Jährigen nicht.

Glücklicherweise ist der Pole kaum verletzt und kommt auch ohne größere Ruhepausen aus. Dennoch ist die Abhängigkeit des Kovac-Teams von Lewandowski frappierend und könnte sich im Saisonverlauf noch rächen. Aktuell hofft man einfach, dass Lewandowskis Lauf niemals enden mag.

- Fazit

Gleich sieben Brennpunkte belasten aktuell die Mannschaft des FC Bayern und sorgen für ein angespanntes Klima rund um den deutschen Rekordmeister. Auch Trainer Kovac steht unter Druck, kann aber sicherlich nicht alle Punkte im Alleingang verbessern. Auch die Mannschaft muss ihren Teil leisten. Sportdirektor Salihamdzic schilderte sein Fazit der bisherigen Spielzeit: "Wir stehen gut da, aber wir müssen besser spielen."