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Skandal, Feuertanz, Kult-Jubel: Die Olympia-Halbzeitbilanz

Skandal, Feuertanz, Kult-Jubel: Die Olympia-Halbzeitbilanz
Skandal, Feuertanz, Kult-Jubel: Die Olympia-Halbzeitbilanz

Der bislang größte deutsche Aufreger in Tokio ist ein Skandal, Gold-Hoffnungen versinken und die Fußballer scheitern früh - nur auf eine Bank ist Verlass.

Mit Problemen ist die deutsche Olympia-Mannschaft nicht alleine, internationale Superstars werden vom Druck zermürbt.

Die Corona-Zahlen bei Athleten, Betreuern und Funktionären steigen, überbordende Stimmung mag nicht aufkommen – ob vor Ort oder vor den Fernsehgeräten. Kult-Momente gibt es trotzdem.

Nach einer Woche Olympia zieht SPORT1 eine Zwischenbilanz.

Der Rassismus-Skandal

“Hol die Kameltreiber, hol die Kameltreiber. Komm.” Mit diesen Worten feuert Patrick Moster, Sportdirektor des Bundes Deutscher Radfahrer (BDR), Nikias Arndt beim Zeitfahren an und meint damit offenbar die vor dem Deutschen gestarteten Azzedine Lagab aus Algerien und Amanuel Ghebreigzabhier aus Eritrea.

Die Rufe werden vom Fernsehen eingefangen und live übertragen.

Erst nach einem Tag, massiver internationaler Kritik und einem unmissverständlichen Signal des IOC zieht der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) Moster am Donnerstag aus Tokio ab.

Der ohnehin ramponierte Ruf von DOSB-Präsident Alfons Hörmann leidet durch das ungenügende Krisen-Management weiter.

Bei den betroffenen Athleten haben sich bislang offenbar weder Moster noch der DOSB persönlich entschuldigt.

Zwei Backpfeifen als Motivation

Irritierend ist die Motivationshilfe für Martyna Trajdos.

Judo-Bundestrainer Claudiu Pusa packt sie vor dem Kampf am Kragen und verpasst ihr zwei schallende Ohrfeigen. Das Video geht viral.

“Das ist eben mein Ritual, was ich mir vor dem Wettkampf ausgesucht habe. Mein Coach macht das, was ich möchte, um mich anzuheizen”, erklärt Trajdos.

Der Weltverband IJF spricht eine “ernste Verwarnung” wegen “schlechten Verhaltens” aus und verweist auf die “erzieherische” Komponente der Sportart.

Wind, Wellen und Krebse

Den schwierigen Bedingungen auf dem Sea Forest Waterway müssen auch die deutschen Ruderer Tribut zollen.

“Eine Welle und dann noch eine Böe” wird Oliver Zeidler im Halbfinale zum Verhängnis. “Niederschmetternd”, zieht er in einem emotionalen ZDF-Interview unter Tränen Bilanz.

Einen “Krebs”, wie es im Ruder-Jargon heißt, fängt sich der Doppel-Vierer der Frauen. Das Quartett liegt klar auf Silber-Kurs, kommt aber kurz vor dem Ziel aus dem Rhythmus und verpasst eine Medaille.

Der Deutschland-Achter, das Paradeboot, muss sich am Freitag mit Silber begnügen.

Erstmals seit Peking 2008 bleiben Deutschlands Ruderer ohne Gold.

Fußballer scheitern früh

Die Fußballer, vor fünf Jahren in Rio noch Silbermedaillengewinner, scheitern schon in der Vorrunde. Auch weil die Liga Trainer Stefan Kuntz und die Mannschaft in Stich lässt, viele Spieler nicht abgestellt werden.

Kuntz fühlt sich leer. Als Trainer der U21 wird er nach einer insgesamt sehr erfolgreichen Ära wohl nicht weitermachen.

Unterschiedlich verläuft Olympia für andere deutsche Mannschaften. Die Handballer verlieren gegen Spanien und Frankreich, überzeugen aber gegen Norwegen und sind noch im Rennen.

Die Basketballer starten mit je einem Sieg und einer Niederlage.

Bei den Hockey-Herren prangerte Bundestrainer Kais al Saadi nach der Pleite gegen Südafrika das “Gestolpere von A bis Z” an. Die Mannschaft reagierte mit einem Sieg gegen die Niederlande.

Noch besser drauf sind die Frauen, wie vier Siege aus vier Spielen unterstreichen.

Dressur bleibt Gold-Bank

Eine Gold-Bank bleibt das Dressurreiten für Deutschland.

Dem Team-Gold folgt die interne Wachablösung. Jessica von Bredow-Werndl entthront Isabell Werth. Beide liefern sich auf ihren Pferden Dalera und Bella Rose ein traumhaftes Duell auf höchstem Niveau. Bredow-Werndl spricht anschließend von einem “Feuertanz”.

Werth verpasst es, mit der erfolgreichsten deutschen Olympionikin Birgit Fischer gleichzuziehen.

Historisch stark trumpfen die Slalom-Kanuten auf. Das gesamte Quartett sticht. Ricarda Funk gewinnt im Eiskanal Gold, auch Hannes Aigner, Sideris Tasiadis und Andrea Herzog holen jeweils eine Medaille.

Gold hat auch Alexander Zverev im Visier nach seinem Halbfinalsieg am Freitag im Gigantenduell gegen Tennis-Dominator Novak Djokovic. (Zverev beendet Djokovics Träume)

Schwimm-Traumpaar Wellbrock/Köhler

Für eine Medaillenflut sorgen die Schwimmer schon lange nicht mehr.

Immerhin beendet Sarah Köhler mit Bronze über 1500 m die DSV-Durststrecke nach 13 Jahren ohne Edelmetall im Becken.

Köhlers Freund Florian Wellbrock liegt über 800 m auf Goldkurs, wird am Ende Vierter – und bekommt einen Rüffel vom Bundestrainer. Wellbrock habe sich nicht an die taktischen Vorgaben gehalten, sagt Bernd Berkhahn.

Zwei Chancen hat Wellbrock noch: über 1500 m und im Freiwasser.

Der Druck zermürbt Biles und Osaka

Der Druck, er zermürbt in Tokio auch internationale Superstars.

Der Auftritt von US-Turnerin Simone Biles wird zum Drama. Aus dem Teamfinale steigt sie aus, erklärt ihren Rückzug später unter Tränen mit dem psychischen Druck.

Sogar vom Weißen Haus in Washington bekommt sie Zuspruch. Ob sie in Tokio nochmal an den Start geht, ist fraglich.

Tennis-Star Naomi Osaka soll Japans Gesicht der Spiele werden. Sie entzündet das olympische Feuer, wenig später scheidet sie früh aus.

Vor Olympia hatte Osaka wegen Depressionen eine zweimonatige Pause eingelegt. In Tokio geht das Spiel mit dem Feuer schief.

Corona und die Stimmung

Die Corona-Zahlen steigen weiter. Mit 27 positiven Fällen im Umfeld der Spiele wird am Freitag ein neuer Tages-Höchstwert registriert. Unter den Fällen sind auch drei Athleten. 27 Sportler haben sich mit dem Coronavirus während der Spiele infiziert.

Leidtragender ist auch Radprofi Simon Geschke. Er verpasst das Straßenrennen nach einem positiven Test, befindet sich seitdem in Quarantäne. Von gefängnisartigen Zuständen ist die Rede.

Wegen der Corona-Pandemie verfolgen einzig beim Straßenradrennen und beim Triathlon die Japaner die Wettkämpfe an der Strecke.

In Deutschland finden viele Entscheidungen wegen der Zeitverschiebung in der Nacht statt.

Große Euphorie kommt deshalb weder vor Ort noch in Deutschland auf.

Schwimm-Trainer geht ab

Bewegende Olympia-Momente gibt es trotzdem.

Zum Schmunzeln ist die Jubel-Ekstase von Australiens Schwimm-Trainer Dean Boxall.

Nach dem Olympiasieg der Australierin Ariarne Titmus über 400 Meter Freistil flippt Boxall völlig aus, stürmt brüllend über den Tribünengang im Tokyo Aquatics Centre, rüttelt an der Absperrung und legt eine Tanzeinlage hin.

“Er ist verrückt geworden”, sagt der englische Kommentar.

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