Statt Joshua: Fury und Wilder planen Re-Fight - in Wembley?

Deontay Wilder (r.) und Tyson Fury dürften sich im Ring wiedersehen

Tyson Fury küsste nach dem Mega-Kampf seinen linken Boxhandschuh und sprang in die Ringseile, siegessicher reckte der Skandal-Boxer mit einem Jubelschrei beide Fäuste in die Höhe - doch das böse Erwachen folgte schnell. Buhrufe hallten durch das Staples Center in Los Angeles, als nach dem spektakulären WM-Fight im Schwergewicht gegen Titelverteidiger Deontay Wilder das Urteil verkündet wurde (Highlights, ab 23:30 Uhr im TV auf SPORT1).

Das Duell zwischen dem weiter amtierenden WBC-Champion Wilder (33) und Klitschko-Bezwinger Fury (30) endete am Samstagabend in einem kontroversen Unentschieden. Fury hatte seinen Gegner dabei immer wieder provoziert, indem er auf- und abhüpfte und mit den Händen wedelte.

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Der gebürtige Mexikaner Alejandro Rochin entschied 115:111 für Wilder, Robert Tapper aus Kanada sah Fury mit 114:110 vorn. Für das Remis sorgte Phil Edwards aus Großbritannien, der den Kampf mit 113:113 bewertete.

Fury geht zweimal zu Boden

Vor allem die klare Wertung von Rochin sorgte für einige Kritik in den englischen Medien, weil er die ersten vier - ausgeglichenen - Runden jeweils für den Champion wertete. Die beiden anderen Richter sahen in drei der vier Runden Fury vorn. Beide Kämpfer blieben ungeschlagen. Wirklich zufrieden waren mit dem Ergebnis aber beide nicht.

Sowohl Fury als auch Wilder sahen sich als Sieger. "Wir beide sind große Kämpfer und haben unser ganzes Herz gegeben. Aber ich denke, dass ich den Fight durch die beiden Niederschläge gewonnen habe", sagte Wilder, der Fury in den Runden neun und zwölf auf die Bretter geschickt hatte. Der den Großteil des Matches dominierende Fury zweifelte trotz der Niederschläge nicht an seinem Triumph: "Ich bin zwar zweimal zu Boden gegangen, aber ich glaube trotzdem, dass ich gewonnen habe" sagte der "Gypsyking".

Bei den Ringrichtern und Boxern, aber auch Beobachtern gingen die Meinungen auseinander. Ex-Weltmeister George Foreman etwa sah Wilder im Vorteil, Lennox Lewis hingegen empfand Fury als verdienten Sieger.

Fury beweist starke Nehmerqualitäten

An der guten Show hatte indes niemand Zweifel. Fury zeigte eine gute boxerische Leistung, clever wich er dem gefürchteten Puncher Wilder immer wieder aus. Lediglich 17 Prozent der Schläge des US-Amerikaners landeten im Ziel, bei seinem Gegner waren es 26 Prozent. Im zunehmenden Kampfverlauf agierte Fury immer selbstbewusster. Bei seinen Niederschlägen zeigte Fury starke Nehmerqualitäten.

Dass er in Runde zwölf nochmals aufstehen würde, schien im ersten Moment ausgeschlossen. "Heilige Hände" hätten über ihn gewacht, sagte Fury, dessen Gesicht vom Kampf gezeichnet war: "Es war nicht das Ergebnis, das wir wollten. Ich werde deshalb nicht wie ein Baby weinen. Ich habe einen großen Kampfgeist gezeigt."

Und das nicht zum ersten Mal. Aufstehen ist inzwischen eine der großen Stärken des extrovertierten Briten. Die Bilder seiner dunklen Vergangenheit schossen ihm in den Stunden nach dem Kampf in den Kopf. Alkohol- und Drogenexzesse, Depressionen, Dopingsperre, Übergewicht - nachdem er Wladimir Klitschko in Düsseldorf nach Punkten besiegt und vom Thron gestoßen hatte, nahm ein selbst im Profiboxen beispielloser Abstieg seinen Lauf.

Rückkampf gegen Wilder geplant

"Ich habe wie ein Rockstar gelebt, stand kurz vor dem Selbstmord", sagte Fury: "Nicht viele haben an mich geglaubt, aber ich habe mich zurückgekämpft. Ich wollte der Welt zeigen, dass alles möglich ist."

Nach dem Match zeigte sich Fury trotz des verpassten Titelgewinns in bester Laune: In der Pressekonferenz begann er, das Lied "American Pie" zu singen. Dem schlossen sich auch die Journalisten an, letztlich sang der gesamte Raum den Klassiker von Don McLean.

Er wolle nun erst einmal Weihnachten mit seiner Familie genießen und im Januar neue Pläne schmieden. Die wahrscheinlichste Option ist wohl ein Rückkampf gegen Wilder, für den sich beide Kämpfer aussprachen. Von einem Vereinigungskampf für Wilder gegen den Briten Anthony Joshua war zunächst keine Rede.

Wembley, Arsenal - oder Old Trafford?

Für den Kampf kassierte Wilder mindestens vier Millionen US-Dollar Kampfbörse, Fury erhielt drei Millionen. Beide sind jedoch am Profit des Mega-Fights beteiligt und dürften damit weitere Millionen verdienen. Ein Rematch würde die Börse noch einmal deutlich erhöhen.

Geht es nach Fury und seinem Promoter Frank Warren, steigt der Rückkampf in seiner Heimat Großbritannien. "Wir könnten Fußballstadien füllen. Ins Wembley oder nach Arsenal gehen", sagte Warren, ehe ihm Fury ins Wort fiel: "Ins Old Trafford, komm' schon, Frank." Eindruck in den USA hat Fury zweifellos hinterlassen.