Dramatisches Video: Schockwelle von Beirut erfasst Braut

Israa Seblani posierte gerade in einem strahlend weißen Kleid für ihr Hochzeitsvideo, als wenige Kilometer entfernt am Hafen Beiruts eine Lagerhalle explodiert. Die unwirklichen Aufnahmen von dem Moment gehen um Welt.

Israa Seblani hat die Hände in ihre Hüften gelegt, so steht sie da, strahlend, in ihrem wallenden weißen Hochzeitskleid mit langer Schleppe und noch längerem Schleier. Für eine kurze Filmaufnahme von ihrem Hochzeitstag hat sie sich eine malerische Szene ausgesucht: ein kleiner Platz mit Bänken und Bäumen, dahinter ockerfarbene Fassaden mit eingelassenen Spitzbogen-Fenstern – mitten in der libanesischen Hauptstadt Beirut. Am vergangenen Dienstag, dem Tag ihrer Hochzeit.

Überall Scherben, Rauch, Chaos

In dem 27-sekündigen Video, das Seblani der Nachrichtenagentur Reuters zur Verfügung gestellt hat, steht sie ganz still. Dann nähert sich ihr die Kamera, filmt an ihrem Kleid herab, zeigt den Hochzeitsstrauß, der am Boden drapiert ist – und der plötzlich von einer Druckwelle aus dem Bild gerissen wird.

Die Schockwelle riss den Braustrauß davon (Bild: Screenshot/Reuters/Mahmoud Nakib)
Die Schockwelle riss den Braustrauß davon (Bild: Screenshot/Reuters/Mahmoud Nakib)

Ohrenbetäubendes Dröhnen setzt ein, der Mann hinter der Kamera rennt, sucht Schutz an einer nahegelegenen Mauer, irgendwo zersplittert Glas, überall ist Rauch, Sirenen schrillen. Die letzten Sekunden zeigen, wie Seblani in ein nahestehendes Gebäude geführt wird, dann endet das Video.

„Wir können nicht mittendrin aufhören“

Die dramatischen Aufnahmen zeigen die Auswirkungen mehrerer Detonationen in Beirut, die sich am Dienstag, weit entfernt von Seblanis Hochzeit, in der Nähe des Stadthafens ereignet haben. Dabei sind mindestens 135 Menschen ums Leben gekommen und über 5000 weitere verletzt worden. Rund 300.000 Menschen wurden zudem obdachlos, weil die Wucht der Explosionen nicht nur große Teile des Hafens vollständig zerstört, sondern auch noch kilometerweit Stadtgebiete verwüstet hat.

Seblani, die in den USA als Ärztin arbeitet, blieb unverletzt. Sie konnte wenig später sogar bei der Versorgung von Verwundeten mithelfen. Einen Tag später, am Mittwoch, gab sie dann Reuters ein Interview: „Ich habe keine Worte, um auszudrücken, was hier während der Explosion passiert ist. Ich stand in dem Augenblick unter Schock, ich habe mich gefragt, ob ich sterben würde.“

Israa Seblani und ihr Ehemann Ahmad Subeih nach der Explosion am Ort des Foto-Shootings (Bild: Reuters/Yara Abi Nader)
Israa Seblani und ihr Ehemann Ahmad Subeih nach der Explosion am Ort des Foto-Shootings (Bild: Reuters/Yara Abi Nader)

Weiter sagte sie: „Es macht mich so traurig, was die Menschen hier an Leid erfahren müssen, so viele wurden getötet und verletzt. Dazu der immense Schaden, der in Beirut entstanden ist. Ich denke die ganze Zeit: ‚Zum Glück sind wir noch am Leben.‘ Ich danke Gott dafür, dass er uns beschützt hat.“

Wohl auch deshalb haben Seblani und ihr Mann Ahmad Subeih die Hochzeitsfeier durchgezogen. „Mein Mann sagte, wir können nicht mittendrin aufhören. Auch wenn ich nichts davon genießen oder auch nur fühlen konnte, ich bin einfach gelaufen und meine Lippen haben irgendwie gelächelt. Mehr ging nicht“, sagte Seblani.

Noch ist unklar, was genau die Ursache für die Detonationen war

Mittlerweile wartet Subeih, der in Beirut arbeitet, auf ein Visum. Er will mit seiner Frau in die USA reisen. Auch wenn beide ihr Heimatland lieben, nach den Explosionen ist es für sie keine Option, vorerst dort zu bleiben.

Die Ursache der Detonationen ist bisher ungeklärt. Laut dem libanesische Ministerpräsidenten Hassan Diab sei im Hafen eine große Menge Ammoniumnitrat explodiert. Von der Substanz, die auch zur Herstellung von Sprengstoff verwendet werden kann, sollen dort nach einer Beschlagnahmung 2750 Tonnen ohne besondere Vorsichtsmaßnahmen sechs Jahre lang in einem Lagerhaus untergebracht gewesen.

Diab hat zwischenzeitlich den Nationalen Sicherheitsrat zusammengerufen, um die Ursache zu klären und die Verantwortlichen „zur Rechenschaft zu ziehen“, wie er auf Twitter verlauten ließ. 16 Hafen-Mitarbeiter wurden festgenommen. Diab hat außerdem eine dreitägige Staatstrauer ausgerufen.

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