So ist die neue Serie über Michael Jordan

Es ist schwer, überhaupt noch einen Superlativ für Michael Jordan zu finden: Die französische Zeitung L’Equipe nannte ihn "größer als der Papst", das amerikanische Network ESPN wählte ihn zum "Sportler des Jahrhunderts" und seine Gegner verglichen ihn mit dem Allmächtigen selbst.

Er hat seine eigene Modelinie, es gibt nach ihm benannte Turnschuhe, im Film "Space Jam" besiegt er Aliens und heute gehört er zu den 2000 reichsten Menschen des Planeten.

Michael Jordan ist längst mehr als der beste Basketball-Spieler aller Zeiten. Er ist nicht nur Sportler, sondern Unternehmer, Marke, Ikone.

Wie schön ist es da, wenn eine Serie ganz den Basketballer Michael Jordan in den Mittelpunkt rückt. Und dazu die Geschichte seiner Chicago Bulls, die er für immer veränderte. Genau das macht die ESPN-Sportdokumentation "The Last Dance", die in Deutschland ab dem 20. April bei Netflix zu sehen ist. Und ohnehin gibt es ja kaum eine andere Person, bei der es sportlich so viel zu erzählen gäbe.

Tiefer als die BVB-Doku

Die Serie beginnt sozusagen im Schlussviertel, der "Crunch Time": Das ist die Saison 1997/98, also Jordans letztes Jahr bei den Chicago Bulls. Er hat den Klub zu dieser Zeit bereits zu fünf Meisterschaften geführt und steht nun vor dem zweiten "Three-Peat" (drei aufeinanderfolgende Titeln) in sieben Jahren.

Die Bulls haben zwar noch ihr legendäres Dreigestirn Jordan, Scottie Pippen und Dennis Rodman, das auch in eigenen Kapiteln glamourös eingeführt wird. Allerdings steht die Mannschaft am Ende der großen Ära und hat mit Problemen zu kämpfen: Trainer-Legende Phil Jackson wurde fast vom Hof verjagt, der langjährige Teamplayer Pippen will nicht mehr auflaufen und fordert einen Trade und Manager Jerry Krause hat sich quasi mit allen Beteiligten verkracht - auch mit seinem Superstar. Es brodelt in Chicago.

Die Doku zeigt diese Schwierigkeiten schonungslos offen und mit außergewöhnlichem Hintergrundmaterial. Das ist möglich, weil ausgerechnet in dieser Saison, die der krönende Abschluss werden sollte und - Vorsicht Spoiler! - es auch wird, ein Kamerateam den Bulls auf Schritt und Tritt folgte.

Die Bilder und Interviews sind jetzt gut 20 Jahre später erstmals zu sehen und perfekt aufbereitet. Damit unterscheidet sich "The Last Dance" glücklicherweise von den jüngsten "Insider-Dokus" im Fußball (Manchester City, Juventus Turin, Borussia Dortmund), die vergleichsweise weichgespült und oberflächlich daherkommen und - auch wegen ihrer Gegenwärtigkeit - meist als schlechtere Werbeclips enden.

Jordan immer im Mittelpunkt

Hier ganz anders: Experten sprechen in Bezug auf den kleingewachsenen Krause vom "little man complex", Pippen schimpft über seinen komplett unterbezahlten Vertrag, Jordan schlendert in Franzosenmütze über die Champs Élysée und zieht mit hängender Zunge zum Korb. Wo sollte der Ball anders landen als im Ring?

Die Szenen vor und hinter den Kulissen sind schnell hintereinander geschnitten und gut ausgewogen. Ob auf dem Court, in der Kabine oder im Wohnzimmer - immer im Mittelpunkt: Jordan. In Rückblicken wird zudem die ganze glorreiche Karriere von "His Airness" erzählt. Wie er 1984 an Position drei in die NBA gedraftet wurde, wie er die Bulls von einem Haufen koksender und kiffender Chaoten zum besten Team aller Zeiten machte; wie er zwischenzeitlich mit Verletzungen kämpfte, sein Karriereende riskierte, zum Baseball wechselte und noch stärker zurückkehrte.

Aber vorsichtshalber wird auch klargestellt: "Wir waren kein Ein-Mann-Team."

Obama wegen Jordan Bulls-Fan

Mit mehr als 100 Personen hat ESPN neben dem Originalmaterial für die Dokumentation in den vergangenen Jahren gesprochen, allen voran mit Jordan selbst, der aus seinem weißen Wohnzimmersessel zurückblickt. Daneben kommen Magic Johnson, Larry Bird oder Pippen zu Wort. Jordans Brüder sagen bewegende Sätze wie: "Wir wussten nicht, dass wir arm waren." Und Ex-US-Präsident Barack Obama berichtet darüber, wie er wegen Jordan zum Bulls-Fan wurde.

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Auch Themen wie Rassismus, soziale Ungleichheit und Glücksspiel werden angeschnitten. Ein Blick auf gesellschaftliche Themen ist für hintergründige US-Sportdokus im Serienformat wie "O.J. Made in America", "All Or Nothing", "Last Chance U" oder "Cheer" (alle unbedingt empfehlenswert) unerlässlich.

Ausnahmslos alles wird aber stets überschattet von Jordans unbändigem Siegeswillen und gnadenlosem Leistungsgedanken. Anders könnte man diese Geschichte nicht erzählen, anders würde sie nicht Michael Jordan charakterisieren. In Sachen Basketball kannte dieser Mann kein Pardon. So dass er vor der Ausstrahlung der Serie schon befürchtet: "Ihr werdet denken, dass ich ein schrecklicher Typ bin!"

Völlig falsch gedacht! Ihr werdet Michael Jordan noch mehr lieben - gerade wegen dieser Serie!

Am Montag erscheinen die ersten beiden Folgen "The Last Dance" auf Netflix. Danach können Sie sich jede Woche zwei weitere Folgen der zehnteiligen Dokumentation anschauen.