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Das späte NFL-Märchen eines Flüchtlingskinds

Als Lirim Hajrullahu Ende November 2019 im Finale des Grey Cups, sozusagen das kanadische Pendant zum Super Bowl, mit seinen Hamilton Tiger-Cats gegen die Winnipeg Blue Bombers unterlag, ahnte er wohl kaum, kein halbes Jahr später in der NFL aufzuschlagen.

Es kam anders. Am Montag unterschrieb der 29-Jährige Kicker einen Vertrag bei den Los Angeles Rams, wo er fortan gemeinsam mit Austin MacGinnis die Lücke schließen soll, die durch den Abgang von Greg Zuerlein im Kader entstanden ist.

Dessen Fußstapfen wirken riesig. Zur Erinnerung: Acht Jahre hatte "The Leg" für die Franchise gespielt, zunächst noch in St. Louis, nach dem Umzug schließlich ab 2016 in LA. Und auch wenn Zuerlein in der Vorsaison sein statistisch schlechtestes Jahr seit 2015 spielte, nur noch knapp 73 Prozent seiner Field Goals verwandeln konnte - das Erbe, das der 32-Jährige hinterlassen hat, ist groß.

Familie flieht vor Kosovokrieg nach Kanada

Nicht wenige Fans werden sich deshalb verwundert die Augen gerieben haben, als die Rams neben MacGinnis aus der Konkurrenz-Liga XFL nun Hajrullahu als neuen Kicker präsentierten. Was bringt dieser No-Name aus Kanada bloß mit, künftig für ihr Team aufzulaufen?

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Sechs Jahre spielte Hajrullahu nach seiner Zeit bei den Mustangs der Western University of Ontario in der kanadischen Football-Liga CFL. Erst in Winnipeg, dann bei den Toronto Argonauts, schließlich in Hamilton - ohne dass er dabei Interesse im Nachbarland und in der NFL weckte.

Dabei zählt der gebürtige Kosovare, der als Neunjähriger mit seiner Familie vor dem Krieg in seinem Heimatland nach Kanada floh und dort bald mit dem Football anfing, in der CFL seit Jahren zu den Top-Stars und wurde 2016 und 2019 jeweils ins East-All-Star Team berufen.

Mit der Nationalmannschaft nahm er obendrein an der WM 2011 in Österreich teil, wo sich die Auswahl Kanadas erst im Finale gegen Rekordweltmeister USA geschlagen geben musste.

Hajrullahu verwandelt Field Goal zur Meisterschaft

Den größten Moment in seiner bisherigen Laufbahn erlebte Hajrullahu aber im November 2016. Im Endspiel um den Grey Cup im TD Place Stadium in Ottawa waren noch 53 Sekunden auf der Uhr, als Hajrullahu aus 32-Yards zum Field Goal antrat und den Toronto Argonauts mit seinem Treffer zum 27:24 die Meisterschaft bescherte.

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Bemerkenswert: Während seiner CFL-Karriere verwandelte er starke 239 seiner 287 Field-Goal-Versuche (83,3 Prozent), wobei seine Treffsicherheit mit zunehmender Entfernung kurioserweise immer größer wird. So fanden Hajrullahu letzten zehn Versuche aus 50 Yards und mehr allesamt den Weg durch das Gestänge.

Ganz nebenbei agierte der 29-Jährige auch noch jeweils als Punter seiner Mannschaften. Hajrullahu kommt auf durchschnittlich 44,1 Yards pro Punt und eine persönliche Rekordweite von 83 Yards aus seiner Rookie-Saison 2014 bei den Blue Bombers.

Doch trotz dieser beeindruckenden Zahlen trennte sich der Weg von Hajrullahu und den Tiger-Cats im Januar - und der Weg in die NFL tat sich auf.

Rams haben kaum Spielraum für Verstärkungen

Hajrullahus starke Leistungen waren dafür das eine - nicht zuletzt aber auch der klamme Geldbeutel der Rams.

Denn: Die kostspieligen Verträge von Spielern wie Jared Goff und Aaron Donald, mit denen die Rams 2018 eine Dynastie starten wollten, um den Super Bowl zu gewinnen, belasten noch immer das Budget. Hinzu kommen diverse Cap-Strafen, durch die kaum Spielraum für Verstärkungen bleibt.

Zwar könnten die Rams noch einmal einen Kicker draften, aktuell sieht es aber danach aus, als setzten sie tatsächlich auf Hajrullahu.

Nicht auszuschließen, dass der erhoffte Plan aufgeht und der No-Name schon bald tatsächlich zum Shootingstar reift.