Spirituosen-Startup Tastillery meldet sich insolvent – ist der Gin-Hype vorbei?

Die Cousins Andreas und Waldemar Wegelin wollten mit Spirituosen-Probiersets und eigenen Rum-Kreationen den Markt erobern. Nun hat ihr Startup Tastillery Insolvenz angemeldet. - Copyright: Tastillery
Die Cousins Andreas und Waldemar Wegelin wollten mit Spirituosen-Probiersets und eigenen Rum-Kreationen den Markt erobern. Nun hat ihr Startup Tastillery Insolvenz angemeldet. - Copyright: Tastillery

Die Lust auf Gin, Whisky und anderes Hochprozentiges war in den Coronajahren groß. 2021 steigerte die Branche laut dem Bundesverband der Deutschen Spirituosen-Industrie und -Importeure ihren Umsatz hierzulande auf rund 2,3 Milliarden Euro  – und der Markt soll weiterwachsen. Auf dem Trend, hochwertige Drinks mit und ohne Alkohol herzustellen, bauen daher zahlreiche Startups auf. In der TV-Show „Die Höhle der Löwen“ versuchten etwa die Gin-Startups Laori und Le Gillard sowie die Spirituosen-Plattform Tastillery, ein Investment zu bekommen.

Das Hamburger Startup Tastillery, das 2017 fast einen 100.000 Euro-Deal mit Dagmar Wöhrl einging, könnte bald allerdings auf dem Trockenen sitzen. Denn die Gründer Andreas und Waldemar Wegelin, die kuratierte Spirituosen-Probiersets online verkaufen und inzwischen auch eigene alkoholische Kreationen anbieten, haben vor wenigen Tagen Insolvenz angemeldet.

„Wir haben alles getan, um dies zu vermeiden“

„Wir haben alles getan, um dies zu vermeiden“, schreibt Waldemar Wegelin in einem Beitrag beim Karriere-Netzwerk Linkedin. „Am Ende waren es kurzfristig gescheiterte Investoren-Gespräche, die das Aus bedeuteten. Auch eine groß angelegte Crowdinvestment-Kampagne stand in den Startlöchern. Leider nicht rechtzeitig“, heißt es in dem Post weiter. Vor zwei Monaten war von der Krise noch keine Spur. Stattdessen gab Wegelin auf der Plattform den Launch von zwei neuen Produkten bekannt: Ein Gin-Parfüm und der eigens entwickelte Whiskey namens „Cosmic Casks No. 2 Grapeverse“.

Auf die genauen Gründe, die hinter der Zahlungsunfähigkeit stecken, geht der Gründer nicht ein. Für weitere Nachfragen von Gründerszene war das Unternehmen bislang nicht erreichbar. Die nächsten Schritte deutet Wegelin in seinem Linkedin-Post an: Nun gehe es darum, „unter Hochdruck“ das Unternehmen zu sanieren und geeignete Investoren oder Käufer für Tastillery zu finden. Zum Insolvenzverwalter wurde Peter-Alexander Borchardt von der renommierten Hamburger Insolvenz- und Restrukturierungskanzlei Reimer Rechtsanwälte bestellt.

Unklar, ob es Kündigungen geben wird

Die Chancen dafür, dass Tastillery einen Käufer findet, schätzt Borchardt gut ein. Das bestätigt Henning Kölsch, der den Insolvenzverwalter in diesem Fall unterstützt, im Gespräch mit Gründerszene. Ihm zufolge gebe es bereits diverse Interessenten, die sich eine Übernahme der Firma vorstellen könnten. „Wir haben Teaser an potenzielle Käufer bereits verschickt.“ Ob von den 22 Mitarbeitern alle Stellen erhalten bleiben können, sei zum jetzigen Zeitpunkt noch unklar. „Wir arbeiten aber daran“, betont Kölsch. Zu den Sanierungsmaßnahmen, die im Unternehmen jetzt anstehen, will sich der Anwalt nicht äußern. Auch Details zu den Gründen für die Insolvenz hält Kölsch unter Verschluss. In den nächsten Tagen solle eine offizielle Erklärung der Firma an die Presse folgen.

Der Onlineshop, über den Kunden sonst Gin-Probierpakete mit Namen wie „Exotic Exploration“ und „Springtime Picnic“ bestellen konnten, ist zurzeit down. Ein Banner deutet darauf hin, dass der Shop aktuell „überarbeitet“ werde. Kölsch zufolge sei geplant, dass der Onlineshop jedoch bald wieder online geht und der Betrieb zunächst normal weitergeführt werde.

Mit den Tasting-Sets verschiedener Rum-, Gin- und Whiskeysorten traten die beiden Cousins Andreas und Waldemar Wegelin mit Tastillery, 2016 gegründet, ursprünglich in der Gründershow "Die Höhle der Löwen" an. Sie wollen im Spirituosen-Markt Inspiration, Beratung und Zugang zu ausgesuchten Produkten bieten. Die Idee: Kunden kommen durch die Probe-Pakete auf den Geschmack und bestellen große Flaschen über das Startup nach.

Inzwischen bieten die Gründer, deren Väter Winzer sind, auch Lifestyle-Weine, etwa von Joko Winterscheidts Marke „III Freunde“ sowie alkoholfreien Wein und Sekt der Berliner Startups Kolonne Null und Undone an. Zu jedem Getränk erklärt das Startup in kurzen Absätzen die Geschichte, den Geschmack und gibt Zubereitungstipps. Zur eigenen Produktpalette der Hamburger gehören Liköre in den Sorten Tiramisu und Caramel Cookie, ein mit Passionsfrucht aromatisierter Rum sowie Popcorn Rum.

Dagmar Wöhrl bot Tastillery 100.000 Euro-Deal – Gründer wollten unabhängig bleiben

Bei ihrem TV-Auftritt im Jahr 2017 bot die DHDL-Investorin Dagmar Wöhrl dem Hamburger Startup damals 100.000 Euro für 20 Prozent der Anteile. Die beiden Gründer schlugen zunächst ein, entschieden sich im Nachgang allerdings doch gegen das Investment. Im Interview mit Gründerszene erklärte Waldemar Wegelin damals: „Die Chemie hat gestimmt. Wir haben uns dann aber dazu entschieden, eigenständig zu bleiben und uns weiterhin aus eigener Kraft zu finanzieren.“ Auszüge aus dem Handelsregister legen nahe, dass sich daran bis heute nichts geändert zu haben scheint.

Ob es mit Dagmar Wöhrl anders gelaufen wäre? Eine Frage, die sich die beiden Gründer heute vielleicht nochmal stellen. „Persönlich ist es die schwierigste Zeit in meinem gesamten Unternehmerdasein“, schreibt Wegelin auf Linkedin. Tastillery sei für ihn ein „extrem emotionales Thema“. Mit seinem Team habe er in den vergangenen sieben Jahren über 20 Millionen Euro Umsatz erwirtschaften können. Den Mut hat der Gründer noch nicht verloren: „Nun heißt es nochmal alles geben und versuchen, das Ruder herumzureißen.“