Ein stark belasteter Fabelrekord gerät ins Wanken

Elaine Thompson-Herah schaute ungläubig auf die Anzeigentafel, die anderen fielen ihr schon um den Hals, aber Jamaikas Sprint-Superstar konnte es erst gar nicht fassen. 10,54 Sekunden über 100 m, nur einen Wimpernschlag langsamer als die sagenumwobene Florence Griffith-Joyner.

Eine Wahnsinns-Zeit, irgendwann hielt Thompson-Herah schockiert ihre Fäuste vor den Mund, dann schrie sie alles heraus: “Wohoo! Woohoooo!”

10,54 Sekunden, nur fünf Hundertstelsekunden fehlten zum Weltrekord von Flo-Jo - Thompson-Herah ließ es bei ihrem ersten Auftritt nach dem Olympia-Triumph gleich wieder richtig krachen.

Und dann kündigte die 29-Jährige nach ihrer Machtdemonstration beim Diamond-League-Meeting in Eugene/USA am Samstag an, dass die Uralt-Bestmarke aus der Hochzeit des Anabolika-Dopings bald fallen könnte. (Alles Wichtige zur Leichtathletik)

Thompson-Herah: “Mission zu erfüllen”

“Ich denke, der Rekord ist in Reichweite, weil ich 10,5 gelaufen bin und noch so viel mehr in mir habe”, sagte Thompson-Herah, die in Tokio drei Mal Gold gewonnen hatte, nach der zweitbesten Zeit der Geschichte: “Ich möchte mich nicht ablenken lassen - die Feierlichkeiten beginnen im Oktober und November, aber jetzt habe ich noch eine Mission zu erfüllen.”

Vor nun schon 33 Jahren war Griffith-Joyner 10,49 Sekunden gerannt, ein Fabelweltrekord, der auf alle Zeiten unantastbar schien. Thompson-Herah, die in Tokio nach ebenfalls ganz starken 10,61 Sekunden wie vor fünf Jahren in Rio das Sprint-Double geholt hatte, schickt sich nun an, die Geschichte umzuschreiben.

Schon am Ort der Weltmeisterschaften von 2022, wo sie erneut ihren Landsfrauen Shelly-Ann Fraser-Pryce (10,73) und Shericka Jackson (10,76) sowie der US-Amerikanerin Sha’Carri Richardson (11,14) nach deren Marihuana-Sperre keine Chance ließ, wäre mehr möglich gewesen, wenn der Wind etwas stärker gepustet hätte als die gemessenen 0,9 m/s.

Zweifel an Sauberkeit von Weltrekord von Griffith-Joyner

Als “erstaunlich” empfand Thompson-Herah ihre Leistung und auch so mancher Dopingfahnder dürfte gestaunt haben. Schließlich gilt die Zeit von Griffith-Joyner, die 1998 im Alter von nur 38 Jahren starb, als - nun ja - stark belastet.

Und wenn Thompson-Herah, die als Spätzünderin bereits 2015 eine Leistungsexplosion hingelegt hat, nun nur unwesentlich langsamer ist, wirft dies natürlich Fragen auf.

Zumal das Anti-Doping-System in der jüngeren Vergangenheit wegen Corona lange brach lag.

Hinzu kommt, dass die neuen hochtechnologischen Schuhe von Thompson-Herah und Co. nicht erst seit den Olympischen Spielen in Japan für Diskussionen sorgen. Manche Experten fordern sogar ein Verbot der sogenannten “Wunderschuhe.

Schuhe als Faktor bei Weltrekord-Mission

Die Jamaikanerin trägt etwa das Modell “Air Zoom Maxfly” von Nike, das durch ein kleines Luftpolster unter dem vorderen Bereich des Fußes sowie Spikes aus elastischem Material dafür sorgt, dass die Abstoßenergie deutlich erhöht wird.

Kritiker sprechen von “technologischem Doping”.

Doch die Jagd nach dem Flo-Jo-Weltrekord geht weiter, schon am Donnerstag hat Thompson-Herah in Lausanne die nächste Chance.

Es sei ihr “Job”, eine “Generation zu inspirieren”, sagte sie über ihre Mission: “Ich muss den Job erledigen.”

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Mit Sport-Informations-Dienst (SID)