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Das steckt hinter Freiburgs absurder Stadion-Posse

Bislang rollt im neuen Stadion des SC Freiburg kein einziger Ball, sondern noch der eine oder andere Bagger.

Die Arbeiten am neuen Schmuckkästchen des Sport-Clubs im Stadtteil Wolfswinkel im Freiburger Nordwesten befinden sich trotz Corona-bedingter Verzögerungen in der finalen Phase. Der Umzug in die neue Heimat, die 35.000 Zuschauern Platz bietet, ist zur Rückrunde der neuen Saison geplant. Spielen dürfen die Freiburger dort nach derzeitigem Stand aber nur eingeschränkt.

Wie der Verwaltungsgerichtshof (VGH) Baden-Württemberg am Dienstag entschied, sind Bundesligaspiele am Abend sowie Partien an Sonntagen zwischen 13 und 15 Uhr am neuen Standort nur zulässig, sofern sie nur "unwesentlich" in die Ruhezeiten hineinreichen. Als Ruhezeiten werden täglich der Zeitraum zwischen 20 Uhr und 22 Uhr sowie an Sonntagen die Zeitspanne zwischen 13 Uhr und 15 Uhr deklariert.

Für Begegnungen des DFB-Pokals oder mögliche Europapokalspiele erteilte das Gericht immerhin eine generelle Genehmigung, auch wenn die Partien hauptsächlich zu den Ruhezeiten stattfinden.

Freiburg-Vorstand Leki: "Unverständliche Entscheidung"

"Eine unverständliche Entscheidung, die so nicht zu erwarten war", teilte SC-Finanzvorstand Oliver Leki auf SPORT1-Anfrage mit: "Ich bin zuversichtlich, dass unsere Rechtsauffassung sich im weiteren Verfahren bestätigen wird."

Seit Monaten läuft ein Hauptsacheverfahren in der Angelegenheit vor dem Verwaltungsgericht Freiburg, nachdem im vergangenen Jahr einige Anwohner des nahe gelegenen Stadtteils Mooswald gegen die vom Regierungspräsidium Freiburg (RP) erteilte Baugenehmigung gerichtlichen Eilrechtsschutz beantragt hatten. Der VGH bestätigte zwar die Baugenehmigung, traf nun aber eine neue Entscheidung im vorläufigen Rechtsschutzverfahren zu diesem Eilantrag, der bereits im Oktober 2019 für Wirbel gesorgt hatte.

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Damals beschloss der VGH zunächst, dass das neue Stadion am Flugplatz aus Gründen des Lärmschutzes während üblicher Anstoßzeiten nicht für Fußballspiele genutzt werden darf. Das RP hatte daraufhin erklärt, dass nach Einschätzung der Behörde der Beschluss auf der Berücksichtigung veralteter Lärmschutzwerte beruhe. Entsprechend reichte das RP eine "Anhörungsrüge" ein, und der VGH rollte den Fall neu auf.

Jetzt folgte eine neue Wendung in der Stadion-Posse.

Irritationen um Definition von Bundesligaspielen

In der Begründung des neuen VGH-Beschlusses hieß es nun, dass die Bundesligaspiele während der Ruhezeiten in der Baugenehmigung "wahrscheinlich zu Unrecht als seltene Ereignisse im Sinne der Sportanlagenlärmschutzverordnung eingestuft worden" seien. "Die genehmigten und bei den Bundesligaspielen tatsächlich zu erwartenden Lärmwerte überschritten deshalb voraussichtlich die den Antragstellern zumutbaren Lärmschwellen", teilte der VGH weiter mit.

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Zum Vergleich: In der vergangenen Saison fanden gerade einmal vier der 17 Freiburger Bundesliga-Heimspiele während der oben genannten Ruhezeiten statt, zwei am Freitagabend und je eins am Dienstag und am Mittwoch - Termine, an denen Pokalspiele gemäß obiger Lesart im neuen Stadion übrigens uneingeschränkt möglich wären. Zumindest dürfte der SC gemäß dem neuen Beschluss nun am Samstagabend um 18.30 Uhr Bundesliga-Heimspiele bestreiten, Partien am Freitagabend und am Sonntagmittag um 13.30 Uhr sind im Ligaalltag weiter verboten.

In Freiburg sorgte die Definition der Mannheimer Verwaltungsrichter für Verwunderung.

"Das ist eine völlig unerwartete Entscheidung, die so nicht vorhersehbar war", sagte Freiburgs Baubürgermeister Martin Haag. "Das ist jetzt ein ganz neues Thema, das so weder vom Verwaltungsgericht Freiburg noch vom Verwaltungsgerichtshof in seiner Entscheidung im vergangenen Oktober so aufgegriffen wurde." Man werde den neuen Beschluss "jetzt in aller Ruhe genau prüfen und analysieren".

Regierungspräsidium Freiburg verbreitet Zuversicht

Auch das Regierungspräsidium Freiburg reagierte überrascht auf den neuen Beschluss aus Mannheim. Der VGH weiche "mit seiner Rechtsauffassung überraschend von oberverwaltungsgerichtlichen Entscheidungen anderer Bundesländer ab", hieß es in einer RP-Mitteilung.

Das Regierungspräsidium ist weiterhin der Ansicht, dass "Bundesligaspiele jedenfalls bis 22 Uhr rechtlich zulässig seien". Denn die vom VGH für zulässig erachteten Lärm-Richtwerte könnten im laufenden Betrieb des neuen Freiburger Stadions eingehalten werden, argumentiert das RP. "Wir gehen zudem davon aus, dass eine Lärmmessung, sobald diese möglich ist, unsere Auffassung bestätigen wird."

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Matthias Müller, Leiter des Rechtsamts der Stadt Freiburg, zeigte sich zudem zuversichtlich, "dass es auch auf Grundlage des teilweise sehr formalistischen Beschlusses des VGH Spielräume zur Klärung geben wird". Man gehe davon aus, dass der neue VGH-Beschluss im Hauptsacheverfahren keinen Bestand haben werde.

Ob der Ball dann auch im neuen Freiburger Stadion irgendwann einmal in den späten Abendstunden rollen wird, bleibt abzuwarten.

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