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Stevens: "Da sieht man, was für ein Mensch Bentaleb ist"

Stevens: "Da sieht man, was für ein Mensch Bentaleb ist"
Stevens: "Da sieht man, was für ein Mensch Bentaleb ist"

Mark van Bommel übernimmt zur kommenden Saison als neuer Cheftrainer den VfL Wolfsburg.

Es ist in dieser Funktion die erste Station für den 44-jährigen Niederländer. Sein Landsmann Huub Stevens begann 1996 mit 43 Jahren in Deutschland als Trainer bei Schalke 04.

Auch deshalb spricht der "Knorrer aus Kerkrade" nun gerne über van Bommel. Weniger erfreut dagegen war Stevens, bis Ende Juni noch im Aufsichtsrat von S04, über Aussagen des Ex-Schalkers Nabil Bentaleb, der bei SPORT1 mit den Königsblauen abgerechnet hat.

Im SPORT1-Interview spricht Stevens über van Bommel, seine Schalker und rechnet mit Bentaleb ab.

SPORT1: Herr Stevens, Mark van Bommel ist ab der neuen Saison neuer Cheftrainer vom VfL Wolfsburg. Was sagen Sie dazu? (Spielplan und Ergebnisse der Bundesliga)

Huub Stevens: Ich finde das toll, hoffe, dass Mark durch sein Engagement bei der PSV Eindhoven viel gelernt hat. Da war er 2017/2018 U19-Trainer und anschließend einige Monate Co-Trainer von Australien. Dann wurde er Cheftrainer bei der PSV und das war schon eine Hausnummer. Er war aber nicht so erfolgreich. Ich glaube jedoch, dass er aus dieser Stadion gelernt hat, um das in Wolfsburg umzusetzen. Mark ist ein absoluter Gewinner, aber als Trainer musst du auch mal anders denken.

SPORT1: Kam der Schritt als Cheftrainer bei der PSV zu früh?

Stevens: Wenn dich dein Verein, bei dem du deine Karriere beendet hast, fragt, ob du Chefcoach werden willst, dann musst du das machen. Ich habe das damals auch gemacht, als ich vom Hamburger SV zurück nach Hause ging, weil meine Frau krank war. Da wurde ich von der PSV gefragt, ob ich das machen möchte. Und ich habe als Profi von 1975 bis 1986 für diesen Verein gespielt. Für mich war es damals ebenfalls schwierig, Nein zu sagen. So war es wohl auch bei Mark. Nur eines hat gefehlt.

SPORT1: Nämlich?

Stevens: Die Unterstützung von seinem Schwiegervater (Bert van Marwijk, d. Red.). Das hat nicht funktioniert. Er war erst dabei, hat dann aber in den Vereinigten Arabischen Emiraten angefangen. Er hat also Mark nicht die Unterstützung geben können, die er als junger Trainer gebraucht hätte. Das war natürlich schwierig für Mark. Am Ende waren die Ergebnisse nicht mehr gut und es war in Eindhoven vorbei. Aber er hat sicher daraus gelernt. Wenn du als Trainer entlassen wirst, lernst du immer dazu. Jeder gute Coach muss auch mal entlassen worden sein.

SPORT1: Was würden Sie van Bommel raten?

Stevens: Das ist nicht einfach. Man darf nicht vergessen, dass die Wolfsburger eine sehr gute Saison mit Oliver Glasner gespielt haben. Er hat einen super Job gemacht. Das zu toppen, wird für Mark nicht einfach. Ich weiß nicht, welche Spieler er nach Wolfsburg holen kann. Er muss eine gute Balance in die Truppe kriegen. Die Verantwortliche wissen schon, was beim VfL passieren muss und ich denke, dass Mark darauf auch hören wird. Er darf nicht übermotiviert an die Sache rangehen.

Stevens: "Mark ist ein Winner-Typ"

SPORT1: Er hat mit Jörg Schmadtke einen starken Geschäftsführer als Chef, mit dem es nicht immer leicht ist. Bruno Labbadia kann davon ein Lied singen. Auch Glasner rasselte mal mit Schmadtke zusammen.

Stevens: Ich kenne Jörg und ich denke, er hat sich ganz bewusst für Mark entschieden. Mark ist ein Winner-Typ. Das war er schon als Spieler. Auch Schmadtke ist so gestrickt. Beide müssen die Kräfte bündeln, um im Team erfolgreich zu sein. Vielleicht hat es ein junger Trainer wie Mark leichter mit Schmadtke. Jeder muss seine Arbeit machen können und sie müssen auch bei unterschiedlichen Meinungen einen Konsens finden. Mark und Schmadtke sind beides starke Persönlichkeiten.

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SPORT1: Wolfsburg als erste Trainerstation in der Bundesliga kann auch gefährlich sein.

Stevens: Sicher. Es wird nicht einfach für Mark. Die Fußstapfen von Glasner sind nicht gerade klein. Doch was Mark Mut machen kann: Glasner kannte vor zwei Jahren in Deutschland auch keiner. Wolfsburg war dessen erste Station in Deutschland. Aber es ist gut, dass Mark mit Schmadtke einen erfahren Mann an seiner Seite hat. Er muss sich nur helfen lassen. Mark ist in der Bundesliga noch ein unerfahrener Trainer.

SPORT1: In seinem Trainerteam sind Kevin Hofland und Michael Frontzeck. Vor allem Letzteren hatten nicht viele auf der Rechnung.

Stevens: Frontzeck kennt natürlich die Bundesliga. Und Kevin hat in Wolfsburg gespielt. Das kann ein gutes Trainerteam werden. Frontzeck hat die Erfahrung, die er auf Mark übertragen kann. Es wird sicher auch mal unruhig sein, darauf muss sich Mark einstellen. Aber als Trainerteam musst du nach außen die gleiche Meinung vertreten.

Schalke-Abstieg "hat richtig weh getan"

SPORT1: In der Geschichte der Bundesliga gab es 19 niederländische Trainer wie van Gaal, Sie, Joncker, van Marwijk, Jol. Haben Sie das gewusst?

Stevens: Das zeigt, dass in den Niederlanden gute Arbeit abgeliefert wird. Um die Trainerlizenz zu bekommen, musst du viel arbeiten. Die Ausbildung ist sehr hochklassig. Wenn du viele Jahre als Profi erfolgreich warst, bekommst du leichter eine Chance, in der Jugend als Trainer anzufangen. Viele Länder können da noch etwas von den Niederländern lernen. Bei mir war es damals eine Überraschung, dass Rudi Assauer mich zu Schalke holte. Bei Schmadtke finde ich es nicht überraschend, dass er Mark holt, der als Spieler beim FC Bayern schon viele Jahre in der Bundesliga war.

SPORT1: Kommen wir zu Ihrem Herzensverein Schalke 04. Haben Sie den Abstieg schon verarbeitet?

Stevens: Nein. Das geht gar nicht. Der Abstieg hat richtig weh getan. Wir Königsblauen erholen uns erst ganz langsam davon. Ich bin mit ganzem Herzen Schalker, bin noch im Aufsichtsrat und werde erst im Juli ganz aufhören. Ich hoffe, bis dahin eine gute Basis hinzubekommen mit den Leuten, die neu in der Verantwortung stehen. Ich werde dann Abstand nehmen, aber die Verantwortlichen können mich immer anrufen, wenn sie einen Rat brauchen. Ich habe die Erfahrung und wenn man darauf zurückgreifen möchte, dann stehe ich bereit.

SPORT1: Der Blick geht längst nach vorne und die Planungen für die 2. Liga laufen. Wie sehen Sie die aktuelle Lage?

Stevens: Ich habe etwas mehr Hoffnung als noch vor einigen Wochen, weil ich finde, dass ein guter Weg eingeschlagen wurde. Auch mit anderen Typen von Spielern, die zur 2. Liga passen. Ich hoffe, dass sie es schaffen, gleich von Anfang an diese schwere Liga anzunehmen und eine wichtige Rolle darin spielen werden. Doch es wird alles andere als leicht.

"Jeder wird gegen Schalke 150 Prozent geben"

SPORT1: Das merkt Ihr früherer Klub, der Hamburger SV, seit drei Jahren. Alle Versuche aufzusteigen, schlugen fehl. Was muss Schalke begreifen?

Stevens: Dass sie mit schönem Fußball nicht in die Bundesliga zurückkehren werden. Jeder freut sich, wenn schön gespielt wird, aber der FC Chelsea hat ein Endspiel gegen Manchester City nicht nur mit Schönspielerei gewonnen, sondern mit taktisch gutem Fußball. Das muss Schalke begreifen. Sie kommen in eine Liga, in der unheimlich gekämpft wird. Als ich Trainer beim 1. FC Köln war, haben wir das erste Spiel 0:0 gegen Energie Cottbus gespielt und das zweite bei Wacker Burghausen 2:4 verloren. Das war unglaublich. Jeder wird gegen Schalke 150 Prozent geben. Zum Glück haben es die Kölner vergangenen Samstag noch geschafft, nicht abzusteigen, sonst wäre die 2. Liga noch stärker geworden.

SPORT1: Wie überzeugt sind Sie von den Verantwortlichen auf Schalke? Trainer Dimitrios Grammozis, Sportdirektor Rouven Schröder und Sportvorstand Peter Knäbel.

Stevens: Ich bin zuversichtlich bei den Dreien. Dimitrios kennt die 2. Liga genau. Rouven ist auf seinem Gebiet ein Fachmann, das hat er in Mainz lange unter Beweis gestellt. Und Knäbel steht für eine gute Organisation. Schon beim FC Basel hat er sehr gute Arbeit abgeliefert. Ich bin überzeigt, dass sie Schalke helfen können.

SPORT1: Aber war es nicht gefährlich, dass Grammozis die restlichen Wochen der alten Saison schon in der Verantwortung stand? Hat er sich da nicht abgenutzt?

Stevens: Überhaupt nicht. Als wir uns für Dimitrios entschieden haben, wussten wir, dass der Abstieg passieren kann. Aber da haben wir intern gesagt, dass wir ihm die Zeit geben werden. Er sollte das Ganze ohne Druck angehen, wenn es auch mental schwierig war. Und sich nicht verbrennen an einer verlorenen Saison. Dimitrios hat alles versucht, noch etwas zu retten, aber mit dieser Mannschaft war es ganz schwierig. Ich erinnere mich an die beiden Spiele, die ich übernommen habe. Diese eine Woche war nicht leicht.

Bentaleb? "Solche Worte sagen mehr über ihn als Mensch"

SPORT1:Nabil Bentaleb hat bei SPORT1 mit Schalke abgerechnet. Es war für ihn die Hölle, sagte er. Wie ist Ihre Meinung dazu?

Stevens: Ganz ehrlich? Solche Worte sagen mehr über ihn als Mensch aus als über Schalke. Ich hatte einige Konfrontationen mit ihm, habe dann auch über seine Suspendierung mit entscheiden müssen. Seine Worte zeigen mir jetzt, dass diese Entscheidung richtig war und warum er es bei Schalke nicht geschafft hat. Nabil hat fußballerische Qualitäten, mit denen er eine ganz große Rolle hätte spielen müssen, aber er hat es bei uns nicht hinbekommen. Jetzt nachzutreten, ist kein guter Stil. Ich finde das sehr schade. Da sieht man, was für ein Mensch er ist. Viele sagen, Bentaleb sei charakterlos, das werde ich nicht sagen. Aber nochmal: So, wie er sich jetzt äußert - das zeigt mir, warum er es nicht geschafft hat auf Schalke.

SPORT1: Sind Sie enttäuscht von ihm?

Stevens: Das passt zu ihm. Nabil hat uns alle enttäuscht.

SPORT1:Welche Spielertypen braucht Schalke noch?

Stevens: Das kann man jetzt nicht sagen. Es steht noch nicht fest, wer bleibt und wer geht. Wenn bestimmte Spieler den Verein verlassen, musst du schauen, dass du eine gewisse neue Kreativität und Qualität im Kader hast. In der 2. Liga wirst du vor allem Teamspieler mit gutem Charakter brauchen. Einzelkönner bzw. Spieler für die Galerie bringen Schalke nicht weiter.

SPORT1: Muss mehr wieder über die Knappenschmiede kommen?

Stevens: Auf jeden Fall. Aber schon in der alten Saison wurden einige Jungs von unten eingebaut. Timo Becker, Blendi Idrizi, Kerim Calhanoglu, Malick Thiaw, Florian Flick oder Can Bozdogan haben schon ihre Chance bekommen. Solche Spieler werden in der Zukunft hoffentlich dafür sorgen, dass da eine Mannschaft auf dem Platz steht, die wieder aufsteigen kann. Es werden auch neue Spieler dabei sein mit Erfahrung, die Leadertypen sein können, um die Jungen zu führen.

Stevens: "Teroddes Tore brauchen wir"

SPORT1: Einer dieser erfahrenen Spieler ist Simon Terodde. Ein Königstransfer für Schalke?

Stevens: Kann man so sagen. Simon hat oft bewiesen, dass er viele Tore in der 2. Liga schießen kann. Und die brauchen wir auch. Ich hoffe, dass er das auch auf Schalke hinbekommt. Er ist ein wichtiger Spieler - ähnlich wie die Neuzugänge Marcin Kaminski, Thomas Ouwejan oder Victor Pálsson. Schalke stellt gerade eine gute Truppe zusammen. Natürlich müssen noch einige Spieler verkauft werden.

SPORT1: Kann das Ziel nur der Wiederaufstieg sein oder wäre ein zweites Jahr 2. Liga zu verkraften?

Stevens: Das würde schon auch gehen, aber am liebsten ist es uns allen, wenn Schalke direkt wieder hoch geht. Jeder muss "Einmal Schalker, immer Schalker" vorleben. Jeder will so schnell wie möglich zurück in die Bundesliga.

SPORT1: Thema EM: Welche Rolle kann die Niederlande da spielen?

Stevens: Das ist schwierig. Unser Leader Virgil van Dijk wird nicht dabei sein. Ihn werden wir als Innenverteidiger sehr vermissen. Mit Matthijs de Ligt und Stefan de Vrij gibt es noch gute Innenverteidiger und scheinbar ist Daley Blind wieder fit. Das ist dann ein Glücksfall für die Niederlande. Mit van Dijk fehlt ein echter Typ im Team. Wenn wir das Halbfinale erreichen sollten, wäre das super und alle wären zufrieden.