Ist Augsburg die Streik-Hochburg?

So etwas habe Stefan Reuter nun wirklich noch nie erlebt - das machte der erfahrene Manager des FC Augsburg klar.

Der Welt- und Europameister habe öfter über solch ein Verhalten gelesen, das schon. Aber dass sich ein Spieler im beschaulichen Augsburg so verhält, das hätte Reuter nicht gedacht. Nicht in der Fußball-Idylle der Fuggerstadt, in der doch eigentlich jedes Jahr dank harter Arbeit, Ruhe und Zusammenhalt der Klassenerhalt eingetütet wird.

„Kevin Danso hat sich morgens beim Trainer gemeldet und gesagt, er sehe sich nicht imstande zu trainieren und zu spielen“, erklärte der Geschäftsführer Sport des FCA der Augsburger Allgemeinen. In der Folge wurde dem Verteidiger eine Rückreise aus dem Trainingslager am österreichischen Walchensee organisiert. Doch auch in Augsburg wollte Danso nicht trainieren und meldete sich krank.

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Der 22-Jährige scheint mit aller Macht einen Wechsel erzwingen zu wollen. Und auch wenn Reuter die Art und Weise noch nie erlebt hat - genau diese Art von Spielerstreik blickt in Augsburg auf eine unrühmliche Tradition zurück. (NEWS: Alle aktuellen Infos zur Bundesliga)

Alles begann mit Opare

Alles begann im Sommer 2018 - und zwar mit einem heute eher unbekannten Namen: Daniel Opare. Der Rechtsverteidiger war ein Jahr zuvor aus Lens in die Fuggerstadt gewechselt. Er spielte eine starke Saison und hatte sich in der Bundesliga durchgesetzt. Bis er plötzlich von seinem Arbeitgeber suspendiert wurde.

Opare habe „mehr als einmal gegen den Verhaltenskodex im Team verstoßen“, erklärte Reuter diesen Schritt bei Sky, um dann noch deutlicher zu werden: „Es ist kein Spieler wichtiger als das Team und der Verein. Die Krönung war, dass der Spieler und sein Bruder, der ihn aktuell berät, Lügengeschichten erzählt haben.“

Der Hintergrund: Opare traf sich heimlich mit Schalke-Coach Domenico Tedesco, um einen Wechsel nach Gelsenkirchen einzufädeln. Der FCA reagierte konsequent und der Ghanaer sollte sich einen neuen Klub suchen. Er landete nicht auf Schalke, sondern bei Royal Antwerpen, derzeit ist der 30-Jährige vereinslos.

Caiuby sorgt für nächsten Krach in der Friedensstadt

Im Nachhinein wurde der Klub für sein striktes Auftreten gelobt. In Augsburg werde es eben nicht geduldet, wenn ein Spieler meine, er sei größer als das Team - so die Message. Doch gerade in der historischen Friedensstadt, welche ihren Status durch den Religionsfrieden im Jahre 1555 erlangte, kracht es seither regelmäßig zwischen Verein und so manchem Spieler.

Noch im selben Sommer, in dem Opare sich einen neuen Klub suchte, war der erste wirkliche Spielerstreik am Horizont zu erkennen. Und zwar dann, wenn man in Richtung der südamerikanischen Küste blickte.

Der Brasilianer Caiuby verlängerte eigenmächtig seinen Heimaturlaub. Der Klub sanktionierte den Offensivspieler, drückte aber nochmal ein Auge zu. Ein halbes Jahr später reiste der Publikumsliebling mit dem Spitznamen „Kai Uwe“ nicht zum Wintertrainingslager an. Als Caiuby dann bei seiner Rückkehr nach Augsburg im Kesselhaus - einer Augsburger Disko - ein und ausging, anstatt im Training die verpassten Einheiten aufzuholen, da hatten die Verantwortlichen um Reuter endgültig die Nase voll.

Caiuby, der 113 Pflichtspiele für den FCA absolviert hatte, wurde vom Training freigestellt. Auch er ist mittlerweile, im Alter von 33 Jahren, vereinslos - und wohl wieder in seiner Heimat. Beim Augsburger Amtsgericht gibt es aber noch eine Akte von ihm, die unter anderem eine Körperverletzung per Kopfstoß behandelt.

Hinteregger und Gregoritsch als „Vorbilder“ für Danso?

„Ich kann nichts Positives über ihn sagen“, sagte Martin Hinteregger im Januar 2019 über seinen damaligen Trainer beim FCA Manuel Baum. Wenige Wochen später wurde er an Eintracht Frankfurt ausgeliehen - die Causa Hinteregger war aber noch lange nicht abgeschlossen. Im Gegenteil: Es entstand der wohl bekannteste Streik-Vorfall beim FCA.

Im folgenden Sommer sollte Hinteregger endgültig nach Frankfurt verkauft werden, doch die Verhandlungen zogen sich hin. Unterdessen kickte Hinteregger lustlos auf dem Rasen im Trainingslager und verpasste dort einen Mannschaftsabend, da er sich bei einem Dorffest in der Nähe volllaufen ließ. Das beweisen Videos.

Der Österreicher provozierte in der Vorbereitung regelmäßig, kam einmal auch mit einem Rucksack zum Treffpunkt, den der Adler von Eintracht Frankfurt zierte. Letztlich einige sich der FC Augsburg mit den Frankfurtern unter großen Druck auf eine Ablösesumme von neun Millionen Euro.

Hintereggers Landsmann Michael Gregoritsch ist noch in Augsburg. Im Januar 2020 hätte man das wohl nicht gedacht. „Für mich ist jetzt klar, dass ich im Winter aus Augsburg weg bin. [...] Hauptsache weg“, schimpfte der Offensivspieler damals beim österreichischen Regionalblatt Kleine Zeitung. Noch so ein Spieler, der Druck auf Reuter und Co. ausübte.

Auch in diesem Fall mit Erfolg, denn wenig später lieh ihn der FCA zum FC Schalke 04 aus. Hauptsache weg mit einem Spieler, der nicht bei den Rot-Grün-Weißen sein will. Im Jahr zuvor hatte Gregoritsch zu Werder Bremen wechseln wollen, doch die Augsburger wollten ihn nicht ziehen lassen.

Mit Vertrag bis Sommer 2023 ist der gebürtiger Grazer nun doch wieder da. Genau wie Danso, der übrigens auch Österreicher ist. Und trotzdem scheinen Gregoritsch und vor allem auch Hinteregger „Vorbilder“ für Danso gewesen zu sein.

Bekommt Danso seinen Willen?

Danso war zuletzt an Fortuna Düsseldorf ausgeliehen und besitzt noch einen Vertrag bis 2024 in Augsburg. Und trotzdem will er sich durch sein Verhalten nun einen Wechsel erstreiken. Es gibt ein Angebot des RC Lens, das aber nicht „marktgerecht“ ist, wie es Reuter in der Augsburger Allgemeine ausdrückte. (DATEN: Ergebnisse und Spielplan der Bundesliga)

„Wir werden abwarten und ihn auf keinen Fall unter Preis abgeben. Wir haben mit seinem Berater gesprochen und hätten die Entwicklung der vergangenen Jahre mit einem angepassten Vertrag honoriert. Aber es gab keinerlei Interesse dafür“, machte der 54-Jährige bei dem Interview klar.

Opare, Caiuby, Hinteregger, Gregoritsch und nun Danso - handelt es sich also um ein Augsburger Problem? Um eine Streit- und Streik-Hochburg mitten in der Friedensstadt? Hinweise dafür gibt es nicht. Vielmehr handelt es sich wohl um ein allgemeines Problem im Profi-Fußball, der die Klubs in solchen Fällen regelrecht machtlos erscheinen lässt.

„Jeder ist ein Fall für sich, den man isoliert betrachten muss. Das kommt nicht nur bei uns, sondern auch bei anderen Klubs vor“, glaubt Reuter, der aus den vergangenen Jahren gelernt hat: „Wir haben in der Vergangenheit oft Spieler geschützt, weil wir Unwahrheiten unkommentiert ließen. Das werden wir nicht mehr tun. In erster Linie schadet sich der Spieler mit einer solchen Aktion selbst. Wir haben das intern besprochen und sind uns klar, wie wir vorgehen werden.“