Dieses Streitthema beschäftigt jetzt die ganze Formel 1

Es war DAS Streitthema beim Großen Preis von Österreich auf dem Red Bull-Ring in Spielberg: die Strafen fürs Abdrängen von der Piste im Zweikampf um die Plätze.

Täter und Opfer: Lando Norris (McLaren) gegen Sergio Pérez (Red Bull) in Kurve 3, Sergio Pérez gegen Charles Leclerc (Ferrari) in den Kurven 3 und 5. In allen drei Fällen ließ sich der Fahrer auf der Innenbahn zu weit nach außen treiben und dem Piloten außen keine Chance, auf der Strecke zu überleben. Charles Leclerc quittierte Pérez' Zweikampfverhalten sogar mit dem Stinkefinger.

In allen drei Fällen bekam der angebliche Übeltäter (einmal Norris, zweimal Pérez) eine Fünf-Sekunden-Strafe. "Pérez ergatterte mehr Strafsekunden als Punkte", witzelte Red Bull-Motorsportberater Helmut Marko.

Red-Bull-Chef: "Wollen Zweikämpfe am Limit"

Der Mexikaner verpasste deshalb als Fünfter das Podium, Norris die Chance auf Rang zwei. Der Brite löste daraufhin eine Diskussion aus, ob solche Strafen im Zweikampf angemessen sind.

"Das war einfach normales Racing", meinte der McLaren-Star: "Das war doch wie Max gegen Lewis in Imola. Gab es damals eine Strafe? Nein, eben nicht." Norris' Argument: "Sergio hätte wissen müssen, dass da ein Kiesbett ist. Schon in den Nachwuchsklassen hat man gesehen, dass Attacken an der Stelle nicht erfolgreich sind."

Marko springt dem McLaren-Youngster zur Seite: "Wir sind in der Formel 1, das sind die besten Fahrer der Welt. Wenn man sich nur mal kurz berührt, dann kann man keine Strafe geben. Das sind Rennen. Wir wollen Zweikämpfe sehen, die am Limit sind."

Formel 1 hadert mit Zweikampf-Regeln

Auch McLaren-Teamchef Andreas Seidl haut in dieselbe Kerbe. "Aus meiner Sicht sind solche Strafen komplett unverständlich", kritisierte Seidl: "Lando ist auf seiner Racing-Linie. Er hat nichts Dummes gemacht und ist von hinten nach vorne geschossen, von daher ist das natürlich schade, weil es uns den zweiten Platz gekostet hat."

Mercedes-Teamchef Toto Wolff unterstützt sogar die Forderung nach einer Regel-Entschärfung. Denn aktuell muss jeder Fahrer seinem direkten Gegner eine Wagenbreite Platz lassen - was teilweise nichts anderes bedeutet, als die eigene Position freiwillig aufzugeben.

"Vom Go-Kart an ist so ein Manöver ganz normal - schon bei Sechsjährigen in der Mini-Klasse. Wenn der Pilot innen demjenigen außen Platz gibt, verliert er die Position, weil er noch enger fahren muss. Deshalb ist das eindeutig nicht zu bestrafen. Denn da überholst du einfach auch nicht außen", erklärt Wolff.

"Außen rum lässt man als guter Rennfahrer eher bleiben", pflichtete ihm Norbert Haug im AvD Motor & Sport Magazin auf SPORT1 bei. Der Überholende mache dabei automatisch die Tür für die nächste Kurve auf, betonte der ehemalige Motorsportchef von Mercedes-Benz: "Das muss bei einem solchen Urteil berücksichtigt werden. Es wäre richtig gewesen, dass ich die Strafe nicht gebe. Mit dieser Entscheidung kann niemand glücklich sein."

Rennleiter erklärt Strafen in Spielberg

Für Rennleiter Michael Masi dagegen ist die Sache klar: "In allen drei Fällen waren beide Piloten auf gleicher Höhe, dann muss eine Wagenbreite Platz gelassen werden."

Und warum kam Verstappen am Start in Imola dann straffrei davon? Masis Erklärung: "In der ersten Kurve behandeln wir alle Zwischenfälle etwas großzügiger."

Gut möglich trotzdem, dass sich die Teams nach dem Österreich-Rennen für besseres Racing aussprechen - und entsprechend auch für größere Freiheiten in Zweikämpfen.

Die Diskussionen gehen jetzt erst richtig los.