Rooney: "Er war brillant" - Der Absturz eines Juwels

Mit ihm machte Trainerlegende Sir Alex Ferguson einen seiner größten Fehler: Ravel Morrison.

Seinetwegen ließ Manchester United vor neun Jahren den jungen Paul Pogba ablösefrei ziehen. Ein teurer Fehler, wie sich sehr bald herausstellte: Für 105 Millionen Euro kauften die "Red Devils" den französischen Superstar 2016 zurück.

Hoffnungsträger Morrison dagegen war damals längst abgestürzt. Mit seiner hohen Meinung über den Spielgestalter stand Erfolgstrainer Ferguson damals aber keinesfalls alleine da.

Ehemalige Mitspieler schnalzen heute noch mit der Zunge, wenn sie an die Künste des 1,75 Meter großen Edeltechnikers denken. 2011 führte Morrison vor 25.000 Fans im Old Trafford Uniteds Nachwuchsmannschaft mit zwei Toren zum Pokalsieg. Der Hype um den jungen Mann war auf dem Höhepunkt. Aber schon wenig später begann Morrisons Niedergang.

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Der Reihe nach: Als 15-Jähriger schloss sich Morrison 2009 Manchesters Jugendakademie an. Bereits als 16-Jähriger trainierte er im Starensemble des englischen Rekordmeisters mit. "Er besaß mehr Talent als jeder andere junge Mann, den wir jemals unter Vertrag genommen haben“, erinnert sich Ferguson in seiner Biographie Leading.

Rooney: "Morrison war brillant"

Im Profitraining spielte das Ausnahmetalent frei auf. In der Daily Mail schrieb United-Ikone Wayne Rooney: "Er hatte alles, was ein Spieler in seiner Position benötigt. Er war brillant. Er war unbekümmert.“

Dem ehemaligen englischen Nationalspieler blieb besonders eine Szene mit dem Jungspund im Kopf: "Er hat Nemanja Vidic in einer Minute drei Beinschüsse verpasst." Im Vergleich mit den gleichaltrigen Paul Pogba und Jesse Lingard sei "Ravel um Meilen besser" gewesen.

Aber der 34-Jährige weiß nun auch: "Er ist der Beweis dafür, dass es Richtlinien gibt, die jeder Spieler im Profifußball befolgen muss."

Worauf Rooney anspielt: Kurz nachdem Morrison im Februar 2011 seinen ersten Profivertrag bei Manchester United unterschrieben hatte, ging es bereits mit den Skandalen des hochbegabten Kickers los. Zwei seiner Freunde standen wegen einer Messerattacke vor Gericht. Morrison bedrohte zwei Zeugen, damit diese vor Gericht nicht aussagten. Als Minderjähriger entging er dem Gefängnis knapp.

Fergusons Rehabilitation misslingt

Trotz des Wirbels sagte Ferguson seinem Schützling weiterhin seine Unterstützung zu. Der Traditionsklub wolle mit ihm einen "Rehabilitationsprozess“ durchlaufen, hieß es.

Ein Jahr nach seinem frühen Profi-Debüt erhielt Morrison zwei weitere Chancen im Ligapokal. Doch dabei blieb es. In den Einsätzen blieb er blass. Im Training zeigte er wenig Biss. Der heute 27-Jährige schwänzte das Mannschaftstraining. "Sir Alex hat mir gesagt, dass ich mich stärker auf Fußball konzentrieren und härter arbeiten muss", erzählte das Sorgenkind Jahre später.

Im Sommer 2012 sah Ferguson ein, dass er bei Morrison auf Granit gebissen hatte. Der Mittelfeldspieler ging ablösefrei zu West Ham United. "Es war sehr schmerzhaft, ihn gehen zu lassen", bedauert der 78-Jährige. "Aber es eskalierten die Probleme. Wir mussten das Band durchtrennen."

Fähig für "Niveau knapp unter Ronaldo und Messi"

Bei West Ham stand Morrison für drei Jahre unter Vertrag. Auch dort schaffte er den Durchbruch nicht. Der Londoner Klub verlieh ihn nach Birmingham, zu den Queens Park Rangers und zu Cardiff City.

Bei den Rangers gelangen ihm immerhin sechs Tore in 15 Pflichtspielen. Auch die neuen Teamkollegen beeindruckte Morrison. "Ravel hätte ein Niveau erreichen können, das knapp unter Messi und Ronaldo liegt", sagte etwa sein ehemaliger Teamkollege Joshua King vor rund einem Jahr dem Guardian. "Er ist der talentierteste Fußballer, mit dem ich je zusammengespielt habe."

Gewaltvorwürfe und homophobe Beleidigungen

Jedoch befand sich Morrison 2014 wieder vor Gericht. Er soll seine Ex-Freundin geschlagen haben. Das Gericht ließ den Vorwurf mangels Beweisen fallen. Doch die Schlammschlacht ging weiter: Die Ex-Freundin behauptete nach dem Urteil, der Fußballer habe ihr mit den Worten "ich gieße dir Säure ins Gesicht" gedroht.

Auch mit dem englischen Fußball-Verband handelte er sich Ärger ein. Auf Twitter beleidigte der Sportler einen anderen Nutzer. Das wertete der Verband als homophobe Äußerung und verdonnerte ihn zu einer Geldstrafe von 8350 Euro.

2015 galt Morrison in England bereits als gescheitert. Er versuchte im Ausland bei Lazio Rom sein Glück. Dort machte er in zwei Jahren nur vier Pflichtspiele. 2017 liehen ihn die Italiener erneut zu den Queens Park Rangers aus. In dieser Zeit bemühte sich der jamaikanische Verband, Morrison in die A-Nationalmannschaft zu berufen. Nachdem er alle U-Nationalmannschaften Englands durchlaufen hatte, war für ihn der Zug der "Three Lions" längst abgefahren. Aber zum Debüt für Jamaika kam es nie.

Im Sommer 2017 versuchte er sich beim mexikanischen Erstligisten Atlas FC. Doch auch dort konnte er sich keinen Stammplatz erkämpfen. Lazio reagierte und gab das Experiment Morrison endgültig auf. Der Wandervogel kam bei Östersund in der schwedischen Liga unter – seiner achte Profistation. Nummer neun folgte nach einem halben Jahr: Sheffield United. Der ehemalige United-Hoffnungsträger spielt heute auf Leihbasis beim FC Middlesbrough.

Mittlerweile ist Morrison 27 Jahre alt. Er versucht, sich bei seiner bereits zehnten Profistation endlich durchzusetzen - Ausgang offen.

Was bleibt, sind die spektakulären Geschichten über das einstige Wunderkind. United-Ikone Ferdinand etwa enthüllte vor einigen Tagen im Podcast Beautiful Game, er habe sich Morrison als Mentor angeboten. Damit habe er versucht Ferguson zu überzeugen, den hoch veranlagten Kicker zu halten. Vergeblich, erinnert sich der 41-Jährige. "Ravel ist abgerutscht, doch er hätte ein 100 Millionen Pfund teurer Spieler werden können."

Morrison: "Es macht mich wütend"

Morrison selbst bedauert mittlerweile, seine Chance bei den “Red Devils" verspielt zu haben. "Es macht mich ein bisschen wütend, ich hätte es viel weiter schaffen können. Ich hoffe, es wird noch weiter gehen", sagte er dem Radiosender TalkSport.

Seine ehemaligen Mitspieler trauen ihm zu, doch noch Profisport anzukommen. "Ich habe ein Trainingsvideo gesehen", erzählt Ferguson. "Was er da abgeliefert hat, war immer noch abgefahren. Er machte verrückte Sachen."

Trotz aller Anzeigen und Eklats bescheinigt Joshua King seinem ehemaligen Teamkollegen einen guten Charakter. "Er war unglücklich. Die Leute haben einen falschen Eindruck von ihm. Manchmal ist es schwierig, erwachsen zu werden. Aber er hat ein großes Herz."