Wie ein Tennis-Wunderkind tief fiel

Jennifer Capriati verblüffte als junge Teenagerin die Tennis-Welt und fiel dann tief. Einem erstaunlichen Comeback folgten weitere Aufs und Abs nach der Karriere.

Wie ein Tennis-Wunderkind tief fiel
Wie ein Tennis-Wunderkind tief fiel

Sie war das Wunderkind schlechthin im Tennis – und bei keinem war das Wort „Kind“ so wörtlich zu nehmen.

13 Jahre alt war sie, als sie ihr Profi-Debüt feierte. 14 Jahre, als sie bei den French Open einen historischen Halbfinal-Coup feierte.

15 Jahre, als sie in Wimbledon die große Martina Navratilova schockte. 16 Jahre, als sie in Barcelona Olympia-Gold gegen Steffi Graf holte. 17 Jahre alt, als sie tief fiel und sich zwischenzeitlich vom Sport zurückzog, 18 Jahre alt, als sie verhaftet wurde und in Drogentherapie ging.

Die Geschichte von Jennifer Capriati gilt bis heute als mahnendes Beispiel für die reichen Probleme, die entstehen, wenn ein junges Sporttalent zu früh auf die Weltbühne geschoben wird. Aber die Geschichte der US-Amerikanerin ist auch eine Comeback-Story - die heute vor 22 Jahren in Paris ihren Höhepunkt erreichte.

Jennifer Capriati schrieb als Teenagerin Tennis-Geschichte

Die in New York geborene, italienischstämmige Capriati hatte elf Jahr zuvor am selben Ort ihr erstes großes Ausrufezeichen bei einem Major-Turnier gesetzt.

Bei den French Open 1990 drang die junge Pionierin des Power-Tennis gleich bei ihrem Debüt bis ins Halbfinale vor, als jüngste Spielerin der Geschichte. Sie schaltete dabei unter anderem die an 7 gesetzte Landsmännin Mary Joe Fernandez aus - und fand erst in der späteren Turniersiegerin Monica Seles ihre Meisterin.

Jennifer Capriati schrieb schon als Teenager Tennis-Geschichte (Bild: Manuela DUPONT/Gamma-Rapho via Getty Images)
Jennifer Capriati schrieb schon als Teenager Tennis-Geschichte (Bild: Manuela DUPONT/Gamma-Rapho via Getty Images)

Im selben Jahr folgte für Capriati der erste Turniersieg und der Einzug in die Top 10, wo sie sich auch in den darauffolgenden Jahren festsetzte: Ein weiteres Kapitel Grand-Slam-Geschichte gelang 1991 in Wimbledon, wo Capriati im Viertelfinale Idol Navratilova herauswarf und dann an Gabriela Sabatini scheiterte. Auch bei den US Open im selben Jahr ging es bis ins Halbfinale.

Die vorläufige Krönung folgte bei Olympia 1992 in Barcelona, wo Capriati im Halbfinale Lokalmatadorin Arantxa Sánchez-Vicario und danach Titelverteidigerin Graf ausschaltete.

Der große Bruch in Capriatis Karriere begann bei den US Open 1993, als Capriati eine überraschende Erstrunden-Niederlage gegen Leila Mekshi kassierte.

Ladendiebstahl-Eklat, Verhaftung, Drogen-Therapie

In der Folge offenbarten sich tieferliegende Probleme, mit dem frühen sportlichen Ruhm umzugehen. Capriati klagte über Burnout-Symptome und Frust über die Dauerbeobachtung durch Medien und Öffentlichkeit - die ihr im Dezember 1993 noch bewusster wurde.

Capriati beging damals – nach eigenen Angaben versehentlich - einen Ladendiebstahl in einem Einkaufszentrum in Florida. Sie verließ ein Juweliergeschäft mit unbezahlten Billigringen am Finger. Ihrer Darstellung zufolge hatte sie die Modeobjekte anprobiert und schlicht vergessen, sie abzulegen. Weltweite Schlagzeilen waren die Folge.

Rückblickend erklärte Capriati, dass der Vorfall ein Schlüsselerlebnis war, das sie in einer Trotzreaktion dazu brachte, ihre Tenniskarriere schleifen zu lassen und sich auf „Party mit Freunden“ zu konzentrieren.

Im Mai 1994 folgte ein weiterer, vielbeachteter Tiefpunkt: Sie wurde wegen Marihuana-Besitzes verhaftet und ging in eine Drogentherapie. Später berichtete sie von Suizidgedanken wegen des sie überfordernden Trubels.

Anmerkung der Redaktion: Suizidgedanken sind häufig eine Folge psychischer Erkrankungen. Letztere können mit professioneller Hilfe gelindert und sogar geheilt werden. Wer Hilfe sucht, auch als Angehöriger, findet sie etwa bei der Telefonseelsorge unter der Rufnummer 0800 – 1110111 und 0800 – 1110222. Die Berater sind rund um die Uhr erreichbar, jeder Anruf ist anonym und kostenlos.

Bei Jennifer Capriati offenbarten sich tieferliegende Probleme, mit dem frühen sportlichen Ruhm umzugehen (Bild: Vinnie Zuffante/Michael Ochs Archives/Getty Images)
Bei Jennifer Capriati offenbarten sich tieferliegende Probleme, mit dem frühen sportlichen Ruhm umzugehen (Bild: Vinnie Zuffante/Michael Ochs Archives/Getty Images)

Erstaunliches Comeback bei French Open gekrönt

In den Jahren 1994 und 1995 spielte Capriati insgesamt nur ein Tennis-Match, nach ihrem Comeback 1996 schien sie ihre alte Klasse verloren haben, scheiterte drei Jahre lang bei jedem Major-Turnier, bei dem sie antrat, in Runde eins oder zwei.

Ab dem Jahr 1999 verblüffte Capriati die Tennis-Fans dann aber mit einem zweiten Frühling und die Rückkehr in die Weltspitze – wo ihr schließlich auch neue Meilensteine gelangen.

Im Jahr 2001 gewann sie die Australian Open, ihr erstes Grand-Slam-Turnier, am 9. Juni 2001 folgte in Paris ein denkwürdiger Drei-Satz-Finalsieg gegen Kim Clijsters (1:6, 6:4, 12:10). Wenige Monate später stieg Capriati erstmals zur Nummer 1 der Weltrangliste auf und bekam den Laureus Award für das Sport-Comeback des Jahres.

Capriati siegte auch 2002 in Melbourne und blieb bis zu ihrem Karriere-Ende 2004 auf Top-Niveau.

Jennifer Capriati lebt heute in Florida

Das Leben Capriatis blieb auch nach ihrer Cinderella-Story nicht frei von weiteren Aufs und Abs: 2010 beunruhigten neue Schlagzeilen, dass Capriati wegen einer als „versehentlich“ beschriebenen Medikamenten-Überdosis in ein Krankenhaus eingeliefert werden musste.

Auftritte wie hier im Jahr 2015 sind bei Jennifer Capriati selten - sie lebt zurückgezogen in Florida (Bild: Bryan Bedder/Getty Images for The Buoniconti Fund To Cure Paralysis)
Auftritte wie hier im Jahr 2015 sind bei Jennifer Capriati selten - sie lebt zurückgezogen in Florida (Bild: Bryan Bedder/Getty Images for The Buoniconti Fund To Cure Paralysis)

2013 wurde Capriati wegen eines Vorfalls am Valentinstag angeklagt: Sie soll ihren Ex-Freund verfolgt und geschlagen haben, sie bekam Sozialstunden und den Besuch eines Kurses für „Wut-Management“ aufgebrummt. Aufmerksamkeit erregte sie auch 2016 mit ihrer verärgerten Reaktion auf die Doping-Affäre um Maria Scharapowa.

Die inzwischen 47 Jahre alte Capriati lebt heute ein eher zurückgezogenes Leben in Florida.

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