Er kam mit Kroos zu Bayern: "Nicht den Hauch einer Chance“

Björn Kopplin bekommt natürlich mit, wie die aktuelle Situation von Thomas Müller beim FC Bayern ist.

Unter Thomas Tuchel hat der Weltmeister von 2014 seinen Stammplatz beim Rekordmeister verloren. Kopplin, der derzeit beim Randers FC in Dänemark spielt und dort noch ein Jahr Vertrag hat, kennt Müller seit der gemeinsamen Zeit bei den Bayern-Amateuren. Der Kontakt ist bis heute nicht abgerissen.

Im SPORT1-Interview spricht Kopplin über seine Zeit beim Rekordmeister und über sein freundschaftliches Verhältnis zu Müller. Zudem freut sich der 34-Jährige über die Entwicklung bei seinem anderen Ex-Klub Union Berlin.

„Toni ist ein überragender Spieler“

SPORT1: Herr Kopplin, Sie waren bei der U17, U19 des FC Bayern und bei den Amateuren des Rekordmeisters. Wie blicken Sie auf diese Zeit zurück?

Björn Kopplin: Es war aufregend. Das war mein Einstieg ins Profigeschäft. Ich durfte 3. Liga spielen und habe gelernt, wie man sich professionell verhalten soll. Ich hatte unter anderem mit Andreas Kornmayer einen Fitnesstrainer, der jetzt beim FC Liverpool ist. Das zeigt schon, wie viel Qualität Bayern in der Jugend einstellt.

SPORT1: Sie lebten auch im Jugendhaus bei den Bayern.

Kopplin: Ganz genau. Ich kam als Jugendlicher zu den Bayern. Unter anderem mit Toni Kroos (aktuell bei Real Madrid, d. Red.) und Sebastian Langkamp (aktuell beim australischen Fußballklub Perth Glory FC, d. Red.). Union Berlin, für die ich bis dahin gespielt hatte, war fast pleite und da hat Uli Hoeneß natürlich geholfen. Es wurde ein Freundschaftsspiel organisiert und die Einnahmen gingen an Union. So konnten sich die Eisernen retten. Und was heute aus dem Verein geworden ist, weiß jeder. Es war eine unfassbar schöne Zeit. Mit dieser Entscheidung habe ich alles richtig gemacht.

SPORT1: Kroos hat alles gewonnen, was man als Fußballer gewinnen kann. Kritik gibt es trotzdem.

Kopplin: Ich kann das null verstehen. Soll ich gleich mal eine Anekdote erzählen?

SPORT1: Nur zu.

Kopplin: Fußballerisch ist Toni unfassbar. Er war immer schon ein intelligenter Spieler mit einer absoluten Ruhe am Ball. Da konnte früher noch so viel Druck kommen, er hatte die Ruhe weg. Ich erinnere mich an ein Training mit der U19. Ich war damals schon nicht der langsamste Spieler, kam einmal im Vollsprint an und Toni hat einfach geschossen, bevor ich überhaupt in den Zweikampf kommen konnte. Ich hatte nicht den Hauch einer Chance. Der Ball flog rechts und links oben rein. Und das machte Toni mit beiden Füßen. Nach dem Training meinte ich zu Sebastian Langkamp nur: ‚Alter, was soll ich da machen?‘ Diese Einheit werde ich nie vergessen. Da konnte man sehen, was für eine Qualität Toni mit 17 schon hatte. Es hat ihm später extrem gutgetan, dass er sich nach Leverkusen hat ausleihen lassen. Toni ist ein überragender Spieler. Man merkt, wie klug er als Fußballer ist.

„Da war es hart für mich bei Bayern“

SPORT1: Christian Nerlinger gratulierte Ihnen 2009 nach dem Nigeria-Spiel zum Gewinn des U-20-WM-Titels. Er folgte damals gerade als Manager auf Uli Hoeneß. Hatten Sie die Hoffnung, dass Nerlinger Sie auch zu den Profis holen würde?

Kopplin: Es gab eine Zeit, als ich darüber traurig war, nicht die Chance in der ersten Mannschaft zu bekommen. Da war es hart für mich bei Bayern. Ich bekam zwar ein Angebot für einen Profivertrag, allerdings sah das für mich so aus, dass es nur ein Deal für die 3. Liga ist. Dann wollte ich gehen, um den nächsten Schritt machen zu können. Ich hatte schließlich schon zwei Jahre 3. Liga gespielt. Und ich hatte Angebote aus der 2. Liga und aus dem Ausland.

SPORT1: Hatten Sie auch damals näheren Kontakt mit Uli Hoeneß?

Kopplin: Leider nein. Ich war einmal mit Holger Badstuber in der Loge, da hatte er mich auch herzlich gegrüßt. Aber das war auch schon alles. Bei Karl-Heinz Rummenigge gibt es etwas Nettes zu erzählen.

„Besonders war für mich das eine U19-Jahr“

SPORT1: Was denn?

Kopplin: Als ich damals U-19-Europameister geworden bin, war ich bei Rummenigge im Büro und er gratulierte mir. Er sagte: ‚Du repräsentierst den FC Bayern, brauchst du etwas, such dir etwas aus. Brauchst du einen Laptop?‘ Das war sehr nett von ihm. Ich habe mir einen Laptop ausgesucht. Das war dann ein kleines iPad. Es war trotzdem eine tolle Geste von Rummenigge.

SPORT1: Wie blicken Sie auf Ihre Zeit bei Bayern zurück?

Kopplin: Besonders war für mich das eine U19-Jahr. Da haben wir in der Hinrunde fast alles gewonnen. Es gab nur zwei Remis. Wir kamen in das A-Jugend-Finale und verloren in Leverkusen nach einem unglaublichen Spiel 1:2. Die Partie war ausverkauft. Daran erinnere ich mich gerne, weil es vor großem Publikum war. Egal, wo wir auswärts gespielt haben, da war die Hölle los. Zu Hause herrschte eher gespenstische Ruhe. Damals schafften in meinem Jahrgang so viele den Sprung in die Bundesliga. Für diese Jungs habe ich mich sehr gefreut.

SPORT1: Hadern Sie heute damit, es nicht geschafft zu haben?

Kopplin: Nein. Ich weiß noch, dass es zwei andere Talente gab, bei denen ich dachte, sie schaffen es auch, doch sie haben es nicht gepackt. Einer hatte Heimweh und ging zurück zur Familie. Ich bin froh über das, was ich erreicht habe, spiele heute im Ausland und bin viel rumgekommen. Und ich habe mir meinen Kindheitstraum erfüllt.

SPORT1: Welchen denn?

Kopplin: Ich wollte einmal für Union Berlin auflaufen und hören, wenn die Zuschauer meinen Namen rufen - mit dem Zusatz Fußballgott. Davon habe ich schon als Kind geträumt. Nicht Bayern, sondern das war mein Traum. Natürlich will man gerne höher spielen, aber ich wollte das unbedingt erreichen. Ich bin glücklich darüber. Schweinsteiger ist bei Bayern der Fußballgott und ich bei Union. Ist das geil?

„Ich hoffe Scholl versucht es nochmal als Trainer“

SPORT1: Mehmet Scholl war ihr Trainer bei Bayern II. Lennart Ingmann und Fabian Hürzeler (aktuell Trainer beim FC St. Pauli, d. Red.) schwärmten zuletzt bei SPORT1 von ihm. Würden Sie sich wünschen, dass Scholl nochmal als Trainer zurückkommt?

Kopplin: Auf jeden Fall. Er hat Spieler individuell so krass gefördert, das war besonders. Ich kann mich erinnern, dass er immer wieder Sprints mit Mehmet Ekici trainierte, damit dieser in den ersten Schritten schneller wird. Und dann wurde Ekici Bundesliga-Spieler und türkischer Nationalspieler. Auch das Freistoß-Training von Scholl mit Alaba war einzigartig. Scholl hat die Dinger eiskalt verwandelt, die schlugen alle im Winkel oben ein. Da dachte ich nur ‚Wow! Das ist Qualität!‘ Mit seiner Art kam er immer gut an. Ich hoffe, Scholl versucht es nochmal als Trainer. Das würde mich wirklich freuen.

SPORT1: Holger Badstuber und Thomas Müller kickten 2008 mit Ihnen zusammen bei Bayern II, kurz danach waren beide in der ersten Mannschaft. Wie war es mit den beiden?

Kopplin: Sehr lustig. Wir haben uns super verstanden und waren eng befreundet. Holger wohnte im Jugendhaus direkt neben mir und mit Thomas war ich immer auf einer Wellenlänge. Er lernte damals seine Frau Lisa über meine Ex kennen. Sie waren beste Freundinnen. Wir haben uns richtig gut verstanden und hatten auch die eine oder andere schöne Partynacht zusammen. Wir waren jung und hatten Spaß. Damals konntest du dir noch vieles erlauben, heute geht das wegen Social Media nicht mehr. Ich kannte Thomas als ersten, weil er mit mir bei der Nationalmannschaft spielte. Er übernachtete auch ab und zu bei mir. Er kam aus Pahl, das ist etwas außerhalb von München. Es war immer so witzig mit ihm. Thomas hat sich nie verstellt.

SPORT1: Gibt es noch Kontakt?

Kopplin: Ja. Wir schreiben immer mal. Aber Thomas ist extrem beschäftigt, er reist nur rum, das ist ein ganz anderes Leben. Ich verstehe da auch Kollegen, die irgendwann in der Nationalmannschaft aufhören, weil sie mehr bei der Familie sein wollen.

SPORT1: Gab es einen besonderen Müller-Moment?

Kopplin: Den gab es. Thomas hatte immer einen Spruch drauf. Ich erinnere mich an ein Treffen zusammen mit meiner Ex-Frau, Thomas und seiner Freundin. Wir haben uns auf einen Kaffee getroffen und er stellte sich ganz förmlich vor mit ‚Hallo, ich bin der Thomas‘. Aber er machte das echt so lustig, ich habe mich weggeschmissen. Thomas ist, wie er ist, damals hat er einen Spruch nach dem anderen rausgehauen. Und da hat er sich null verändert. Das macht ihn so sympathisch.

„Mein Vorbild war Robert Huth“

SPORT1: Badstuber und Müller waren aber keine Vorbilder für Sie, sagten Sie mal.

Kopplin: Stimmt. Weil beide gute Kumpels waren und sind. Mein Vorbild war Robert Huth, weil er aus meiner Gegend kam und es im Profifußball geschafft hat. Er wird immer mein Vorbild bleiben. Thomas Müller ist und bleibt legendär. Er kann ein Spiel einfach lesen, weiß immer, wo der Ball hinkommt und hin muss.

SPORT1: Was sagen Sie denn zur aktuell schweren Situation von Müller unter Thomas Tuchel?

Kopplin: Das ist auf jeden Fall ungewohnt. Zumal Thomas gleich im ersten Spiel zu Hause gegen den BVB (4:2-Sieg, d. Red.) super performt hat mit zwei Toren. Witzigerweise hatte ich ihm an dem Tag noch eine WhatsApp geschickt und ihm viel Glück gewünscht. Und dann legt er so eine Show hin. Thomas Müller hat nach wie vor so eine große Bedeutung für den Verein. Er ist unverzichtbar für den FC Bayern. Man sieht ja, wie er sich auch auf der Bank gibt und Tuchel auch hilft.

SPORT1: Aber Tuchel scheint nicht wirklich auf ihn zu stehen.

Kopplin: Aber war das nicht bei Pep Guardiola auch mal so? Damals hatte Thomas ein ähnliches Problem. Doch am Ende hat er sich durchgesetzt. Tuchel und Müller müssen sich erstmal beschnuppern. Jamal Musiala hat ein Monster-Talent, aber Thomas wird sich wieder zurückspielen ins Team.

SPORT1: Müller soll sich aber ernsthaft Gedanken über einen Abschied im Sommer machen, schrieb die Sport Bild.

Kopplin: Thomas darf nicht wechseln. Er hat sich ja bei Instagram dazu geäußert. Grundsätzlich glaube ich schon, dass Müller sich Gedanken macht. Er ist ein sehr ehrgeiziger Typ und will spielen. Ich bin schon 34, er wird in diesem Jahr noch 34, die Karriere befindet sich also auf der Zielgeraden. Wenn Thomas wirklich wechseln will, muss ich ihn mal anrufen, dann soll er zu uns nach Dänemark kommen.

„Thomas Müller ist und bleibt legendär“

SPORT1: Bayern ohne Müller - geht das überhaupt?

Kopplin: Es muss irgendwann ohne Thomas Müller gehen. Aber im Moment noch nicht. Er wird bei Bayern bleiben.

SPORT1: Sollte Müller doch nochmal wechseln, wo könnten Sie ihn sich vorstellen?

Kopplin: Innerhalb der Bundesliga wird er nicht wechseln. Wenn, dann wird es das Ausland sein. Ein Wechsel wird ohnehin schwer für ihn mit dem ganzen Zoo, den er zuhause hat. Thomas hat Pferde, Hasen, Hunde. Da läuft alles rum. Ich gehe fest davon aus, dass Thomas auch nächste Saison bei Bayern spielen wird. Er hat noch einen gültigen Vertrag bis 2024. Thomas Müller ist eine Marke für Bayern. Er möchte sicher auch noch den einen oder anderen Rekord haben.

SPORT1: Gibt es noch eine Bayern-Anekdote, die sie zum Besten geben können?

Kopplin: Oh ja, hier kommt meine Lieblings-Anekdote: Als ich das erste Mal bei den Bayern-Profis mit trainieren durfte, war Jürgen Klinsmann dort gerade Trainer geworden. Ich kam als frisch gebackener U-19-Europameister nach München und das erste Training war vor 40.000 Zuschauern in der Allianz Arena. Ich habe an der Seite mit Philipp Lahm verteidigt und die Lücken waren ganz schön groß. Ich habe im Endeffekt fast alleine verteidigt. Lahm meinte hinterher nur ‚Wir wussten ja, dass du Europameister geworden ist. Deshalb haben wir dich da hinten alleine reingestellt.‘

SPORT1: Eine Frage noch zu Union. Sie haben dort in der 2. Liga gespielt. Was sagen Sie zur Entwicklung des Klubs?

Kopplin: Es ist unglaublich. Man kann nur den Hut davor ziehen, wie da in den vergangenen Jahren gearbeitet wurde. Was der Vorstand und die Fans auf die Beine gestellt haben, ist einzigartig. Ich hoffe natürlich, dass Union in die Champions League kommt. Dann würde ich da gerne die Hymne der Königsklasse live im Stadion hören. Das wäre für mich das Größte.