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Thomas Müller im Interview: "Meine Wege sind wenig produktiv"

Der FC Bayern München hat die ersten beiden Spiele in der Bundesliga 2017 gewonnen, dabei aber wenig überzeugend gespielt. Besonders im Fokus steht Thomas Müller, der weiter nach seiner Form sucht. Im Exklusiv-Interview mit Yahoo Sport spricht Müller über seine persönlichen Probleme und stellt klare Forderungen an seine Mitspieler.

Thomas Müller, die Bayern haben in der Bundesliga zwei Auswärtssiege zu Beginn des neuen Jahres eingefahren. Es waren jeweils knappe 2:1-Erfolge, eigentlich ist doch alles in der Reihe, oder?


Die Punkte haben wir in der Tasche. Die kann uns keiner mehr wegnehmen. In der Bundesliga wird dir nichts geschenkt, das darf man nicht vergessen. Nichtsdestotrotz waren wir mit der Art und Weise, wie wir gespielt haben, nicht zufrieden. Das ist aber eigentlich der Optimalfall: Wenn du gewinnst, aber merkst, du musst noch an dir arbeiten. Dann bleibt man nicht stehen, dann ruht man sich nicht aus, sondern bleibt verbissen dran. Das kann einen auf lange Sicht schon beeinflussen.

Was passt denn aus deiner Sicht gerade nicht?

Wir hatten einfach Probleme, so kontrolliert und auch zielstrebig unseren Ballbesitz nach vorne zu treiben, dass wir dann am Ende auch wirklich mit einer Torchance, einer Flanke oder einer Strafraumsituation den Spielzug beenden. Wir haben Schwierigkeiten, Fünferabwehrketten zu durchbrechen, wenn der Gegner mit acht Mann am eigenen Strafraum steht. In der jetzigen Jahreszeit verspringt dann der eine Ball mehr, der im Sommer vielleicht liegenbleibt. Dann hast du einen Ballverlust, der Gegner schaltet schnell um, denn darauf sind sie ja spezialisiert. Dann sieht man einfach nicht gut aus. Jeder Kontor, den man bekommt, gibt einem ein negatives Gefühl: Man ist theoretisch verwundbar. Dieses Gefühl wollen wir nicht.

Samstag, 15.30 Uhr im Liveticker: FC Bayern – Schalke 04

Du hast nach dem Bremen-Spiel öffentlich gegrübelt, auch was deine Person angeht. Kann es sein, dass du dich neu erfinden musst?

Ich weiß nicht, ob ich mich neu erfinden muss, das wird man erst hinterher feststellen. Wenn die Mannschaft kein gutes Kombinationsspiel an den Tag legt, kann ich meine Stärken nicht ausspielen. Dementsprechend habe ich mich in den letzten beiden Spielen unwohl gefühlt. Ich merke natürlich, ob ich viele Ballaktionen habe, wie ich im Spiel eingebunden bin und ob es Situationen gibt, aus denen eine Torchance entstehen kann. Ich gehe weite Wege, die aber wenig produktiv sind. Ich habe den Raum in den letzten beiden Spielen nicht gefunden. Ich habe gesucht und gesucht, aber ich habe keine Position gefunden, wo ich wirklich anspielbar bin. Das war enttäuschend.

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Du hast in den letzten dreieinhalb Jahren 214 Pflichtspiele absolviert, das sind im Schnitt 62 pro Saison. Inwieweit beeinträchtigt dich diese Belastung, zumal deine Spielweise auch mental sehr anstrengend ist?

Ich kenne viele Menschen, die alles begründet haben müssen. Man muss ja irgendwas finden, wenn es nicht passt. Wenn etwas negativ läuft und man sucht, kann man tausend Gründe finden. Das ist mir zu einfach. Ein Spiel vor drei Jahren hat nichts damit zu tun, dass wir als FC Bayern nicht die Performance auf den Platz bringen, die wir uns vorstellen. Was meine Spielweise und das Toreschießen betrifft, bin ich von meinen Mitspielern abhängig. Ich kann mir nicht selbst eine Torchance kreieren, indem ich mir an der Mittellinie den Ball abhole und fünf Mann ausdribble. Ich muss ins Kombinationsspiel eingebunden sein. Es geht um Doppelpässe, Hereingaben von außen, dann kann ich gefährlich werden. Das ist nicht der Fehler der Mitspieler, wir müssen als Ganzes überlegen. Vielleicht passt auch mein Laufweg nicht. Ich hatte in Bremen keinen Torschuss, da muss man dann überlegen, warum hatte ich denn keinen Torschuss?

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Thomas Müller schoss in der laufenden Bundesligasaison erst ein Tor für den FC Bayern München
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In den Jahren unter Pep Guardiola war der FC Bayern schon im Herbst immer am Limit. Kann es ein Vorteil sein, dass die Mannschaft unter Carlo Ancelotti noch nicht den Rhythmus hat und dafür in der entscheidenden Phase der Saison Topleistungen abrufen kann?

Ich dachte, dass wir den Schalter vor der Winterpause angeknipst haben. Wir hatten auch ein sehr gutes Trainingslager, schaffen es aber nicht, die Trainingsleistungen in den Spielen zu zeigen. Klar haben wir die Hoffnung, dass wir im März/April in eine Phase kommen, in der alles passt. Dass wir merken, jeder Pass kommt an, jeder Laufweg stimmt. Die Qualität der Mannschaft ist riesig, man muss sich um uns keine Sorgen machen. Aber um die großen Titel zu gewinnen, muss man die Qualität auch auf den Platz bringen.

Wie wichtig ist es für den FC Bayern, dass mit RB Leipzig ein Konkurrent da ist, der die Mannschaft in der Bundesliga richtig fordert?

Ich kann mich nur wiederholen: Die Leute such immer nach Gründen oder meinen, den Grund schon gefunden zu haben. Als wir 2013 die Champions League gewonnen haben, waren wir sehr früh Meister. In den letzten drei Jahren sind wir jeweils im Halbfinale ausgeschieden; das wurde dann damit begründet, dass der Druck in der Bundesliga weg war. Das sind die typischen Alibi-Fragen, die Jahr für Jahr eintrudeln.