Thomas Tuchel, Trainer-Gott

Von Jens Fischer, Stuttgart

Thomas Tuchel, Trainer-Gott

Die Dortmunder stehen im Halbfinale des DFB-Pokals. Ihre Leistung beim VfB Stuttgart war Extra-Klasse. Das ist vor allem der Verdienst eines Mannes.

Wie sehr das Dortmunder Charisma nach den beiden zuletzt schwächeren Partien gegen Ingolstadt und in Berlin gelitten hatte, war am Dienstagabend in den Katakomben der Stuttgarter Arena zu spüren. Nach einem irren und letztlich erfolglosen Pokal-Fight wirkten die Verantwortlichen und Spieler des VfB doch reichlich desillusioniert. „Wir sind natürlich wahnsinnig enttäuscht und hatten uns vor der Partie deutlich mehr ausgerechnet“, diktierte da beispielsweise der Stuttgarter Kapitän Christian Gentner in die Mikrofone der wartenden Journalisten. Und auch seinem Chef, Sportdirektor Robin Dutt, war die Glücksseligkeit der letzten grandiosen Auftritte seiner Schwaben doch merklich aus dem Gesicht gewichen.

„Die eine Partie mehr, das Halbfinale, diese zusätzliche Belastung hätten wir natürlich sehr gerne in Kauf genommen.“

Das daraus nichts wurde, lag maßgeblich an einem Mann auf der gegnerischen Seite: Thomas Tuchel. Dem Dortmunder Trainer war es in den wenigen Tagen nach dem doch etwas beliebig wirkenden Auftritt bei der Hertha gelungen, seinen Jungs neues Leben einzuhauchen. Von Beginn an waren die Schwarz-Gelben die bessere Mannschaft beim VfB – und siegten am Ende völlig verdient mit 3:1. Das lag vor an Tuchel, der an mehreren Stellschrauben gedreht hatte. „Der Trainer hat uns darauf hingewiesen, dass wir endlich wieder zielgerichtet und ergebnisorientiert in die Spitze spielen müssen“, sagte Abwehrchef Mats Hummels kurz vor Mitternacht im Gespräch mit yahoo.de.

Gündogan, Mkhitaryan, Reus, Aubameyang: Überragend

Das taten die Dortmunder eindrucksvoll. Immer wieder kurbelten die überragenden Ilkay Gündogan und Henrikh Mkhitaryan das Spiel ihrer Mannschaft an, immer wieder gelangen diesen geniale Zuspiele auf die brandgefährlichen Marco Reus und Pierre-Emerick Aubameyang, die im Vergleich zu den letzten beiden Partien wie verwandelt wirkten und bärenstark auftraten. Auch ein Verdienst des Heilers Tuchel.

„Marco ist ein sensibler Spieler und soll wieder zum Monster werden“, erklärte Tuchel in der Pressekonferenz. „Er braucht die Freiheit, dass er nicht über seinen Körper nachdenken muss. Wir sind bei ihm noch nicht durch, aber auf dem Weg. Er kann wieder das Monster werden und tut alles dafür.“ Einfühlsame Worte, die Tuchel in diesen Tagen auszeichnen. Statt den Druck auf seine Truppe zu erhöhen, versucht er die Probleme zu moderieren, eine Balance bei jedem Spieler zu schaffen, jedem zu helfen, ein Stück besser zu werden. Das ist ihm in den letzten Wochen auch bei Hummels gelungen, der sich Ende der Vorrunde in einem Leistungsloch befunden hatte. Tuchel stärkte ihm den Rücken, hielt medialen Druck von ihm ab – Folge: In Stuttgart machte Hummels eine bärenstarke Partie.

Psychoprofi und Taktikfuchs Tuchel
Tuchel ist aber nicht nur ein Psycho-Profi, sondern auch ein Taktik-Fuchs. So hatte er schnell analysiert, dass die jüngste Stuttgarter Erfolgsgeschichte maßgeblich mit den Namen Filip Kostic und Daniel Didavi verknüpft ist. Beide machten am Dienstagabend für ihre Verhältnisse eine mäßige Partie und wurden von Lukasz Piszcek sowie Matthias Gintner immer wieder wirkungsvoll bekämpft. „Der Trainer hat uns gesagt, dass wir vor allem auf die schnellen Stuttgarter Konter aufpassen sollen. Das ist uns sehr gelungen“, so Pisczek zu yahoo.de.

Die Dortmunder im Halbfinale des DFB-Pokals – ein Verdienst von Tuchel. Der war dann auch zufrieden: „Meine Mannschaft unter schwierigen Bedingungen ein perfektes Spiel mit einem perfekten Ergebnis abgeliefert“, analysierte er ungewohnt euphorisch. Nun brauchen die Westfalen noch einen Sieg bis zum Finale in Berlin. BVB-Boss Hans-Joachim Watzke sah die Lage nüchtern. „Mir ist es scheissegal, wer im Halbfinale kommt.“ Naja, Herr Watzke – die Bayern wohl am besten nicht. Tuchel hin oder her.