Tod einer Legende mit trüben Schatten

Tod einer Legende mit trüben Schatten
Tod einer Legende mit trüben Schatten

Als Sportler war er mehr als nur eine Legende. Für viele Football-Fans war er die Legende schlechthin.

Jim Brown war eine Ausnahmeerscheinung der frühen NFL: Der Running Back war der erste MVP der Liga, erreichte in jedem Karriere-Jahr Pro-Bowl-Würden, kam in acht von neun Saisons auf die meisten Rushing Yards. Er war Schlüsselspieler beim letzten Super-Bowl-Gewinn der Cleveland Browns 1964, ist die Ikone der Franchise.

Brown - 2002 von Sporting News zum besten NFL-Spieler der Geschichte gewählt - hinterließ auch abseits des Felds ein reichhaltiges Vermächtnis: Er wurde nach seiner abrupt beendeten Karriere ein populärer Schauspieler, der in vielen bekannten Hollywood-Filmen mitspiele. Und er war auch ein prominenter Bürgerrechtler, der an der Seite von Weggefährten wie Muhammad Ali und Kareem Abdul-Jabbar für die Gleichberechtigung der Afroamerikaner im Sport und darüber hinaus kämpfte.

„Legende. Anführer. Aktivist. Visionär“: Mit diesen Worten verabschiedeten die Browns am Freitag ihren mit 87 Jahren verstorbenen Superstar der 50er und 60er Jahre - und es ist auch der Tenor vieler hymnischer Nachrufe, die nun veröffentlicht worden sind.

In anderen dagegen wird daran erinnert, dass Browns Leben trotz aller Verdienste nicht nur heroisch war: Teil seines Lebens war auch eine lange Liste teils schwerer Gewaltvorwürfe.

Jim Browns Leben hatte auch viele trübe Schatten

„Brown hat viel dafür getan, die Gesellschaft herauszufordern und sie zu verbessern“, schreibt der afroamerikanische Autor Jerry Brewer in der Washington Post: „Aber er sollte nicht auf dieselbe Weise in Erinnerung bleiben wie der im vergangenen Sommer verstorbene Bill Russell. Browns Geschichte häuslicher Gewalt, meistens gegen Frauen, trübt seine Wahrnehmung als Held.“

Im Lauf seines Lebens wurde Brown siebenmal wegen Vorwürfen gewalttätiger Übergriffe verhaftet, es kam zu mehreren Anklagen, bei denen teils schwere Anschuldigungen im Raum standen: 1968 wurde ihm ein Mordversuch zur Last gelegt, nachdem das Model Eva Bohn-Chin verletzt unter dem Balkon seines Apartments im zweiten Stock gefunden wurde. 1985 wurde ihm eine Vergewaltigung einer damals 33 Jahre alten Frau vorgeworfen.

Die beiden Anklagen wurden - wie diverse andere - fallen gelassen, zu Verurteilungen kam es wegen anderer, erwiesener Vorfälle: 1975 wurde Brown zu einer zweijährigen Bewährungsstrafe verurteilt, weil er einen Golfpartner schlug und würgte, 1999 folgte eine weitere Bewährungsstrafe, weil er seine Frau Monique mit dem Tod bedroht und ihr Auto mit einer Schaufel kaputtgeschlagen haben soll. Er verbrachte drei Monate im Gefängnis, nachdem er gegen Auflagen verstieß.

Jim Brown wurde damals verurteilt, obwohl Ehefrau Monique - die ihm bis zum Tod treu blieb - ihre Aussagen widerrief und letztlich als Kronzeugin der Verteidigung auftrat, sie habe die Polizei alarmiert, um ihn für Untreue zu bestrafen, erklärte sie. Drei andere Fälle, in denen Brown wegen Gewalt gegen Frauen angeklagt wurde, endeten damit, dass die mutmaßlichen Opfer Brown nicht belasteten oder belastende Aussagen zurückzogen. Unter ihnen war der Fall von Eva Bohn-Chin, die letztlich erklärte, dass sie selbst versehentlich von dem Balkonfenster gefallen war.

Nach Browns Darstellung war Bohn-Chin wegen einer Affäre mit der bekannten Feministin Gloria Steinem eifersüchtig und es sei deswegen zu Streit gekommen. Brown schrieb damals auch Schlagzeilen, weil er einen der ermittelnden Polizisten schlug. Ein „Missverständnis“, wie er in seiner Autobiografie notierte.

„Es gibt reichliche Belege dafür. dass das, was ihn als Berühmtheit so bewundert gemacht hat, sich im Privaten in Gewalt übersetzt hat“, schreibt Brewer in der Washington Post, Brown hätte eine Mentalität gehabt, die „notwendig und toxisch zugleich“ gewesen wäre.

Berühmte Filmauftritte in „Running Man“ und „Mars Attacks“

Brewer spielt darauf an, dass Brown auch in seinem öffentlichen Leben als streitbar bekannt war, was einst auch die Browns zu spüren bekamen: Im Jahr 1965 trat Brown - damals 30 Jahre alt und in der Blüte seiner Karriere - urplötzlich zurück. Während der Dreharbeiten für sein Filmdebüt „Das dreckige Dutzend“ kam Brown zum Schluss, dass er mehr Zeit für seine Schauspielkarriere und seine politischen Projekte haben wollte.

Tatsächlich etablierte sich Brown in Hollywood, spielte in Dutzenden Filmen und Serienklassikern (Knight Rider, CHiPs, A-Team) mit. Im Western „100 Gewehre“ spielte er an der Seite von Raquel Welche und Burt Reynolds, in „Running Man“ verkörperte er die Figur „Fireball“, die Arnold Schwarzenegger mit einem Flammenwerfer jagte, in „Mars Attacks“ einen Ex-Boxer, der Sängerlegende Tom Jones hilft, einen Überfall Außerirdischer zu überleben.

Große Verdienste erwarb sich Brown derweil mit seinem Engagement für Bürgerrechte und soziale Zwecke, er war intensiv in Projekten zur Bekämpfung von Straßengewalt, Armut und Chancenungleichheit involviert.

„Unterhaltsam, mutig, schändlich“

„Ich möchte Teil des Kampfes sein, der in unserem Land stattfindet - und jetzt ist dafür die Gelegenheit. In einem Jahr vielleicht nicht mehr“, begründete Brown einst seinen NFL-Rücktritt. 1967 später organisierte Brown federführend den „Cleveland Summit“, um Muhammad Ali bei seinem Protest gegen den Vietnamkrieg und seine Zwangseinberufung zu unterstützen, Bill Russell und Kareem Abdul-Jabbar (damals noch: Lew Alcindor) waren seine prominentesten Mitstreiter.

Auch politisch war Brown jedoch nicht einfach zu fassen: Während Abdul-Jabbar im vergangenen Jahrzehnt einer der prominentesten Kritiker Donald Trumps wurde, unterstützte Brown den früheren Präsidenten.

„In all seinen 87 Lebensjahren hat Brown bis zum Ende für unwohl sein gesorgt“, blickt die Post zurück: „Er war unterhaltsam. Er war mutig. Und er war schändlich. In einem einzigen Promi-Leben hat sich jede Facette einer Berühmtheit zu einem verwirrenden Knoten verbunden.“